Archäologische Ausstellung über Pioniere eines internationalen Wirtschaftsraums
Im Mittelalter bestand zwischen ca. 1'000 n. Chr. und 1'500 n. Chr. rund um den Bodensee ein aussergewöhnlicher europäischer Wirtschaftsraum, der der Region viel Wohlstand brachte. Zu diesem Wirtschaftsraum wurde dank der internationalen Zusammenarbeit von 12 Museen und archäologischen Fachstellen eine Wanderausstellung konzipiert. Bis zum 27. Oktober ist ihr Finale im Schaffhauser Museum zu Allerheiligen zu bestaunen. Rund 150 Objekte von höchster Güte und teilweise noch nie gezeigte Funde und Schriftstücke veranschaulichen den regen Handel, mittelalterliche Handwerkskunst und das Leben am Bodensee.
Optimal war die Lage des Bodensees mit seinen Flüssen und den Handelsverbindungen nach Süden mit Venedig als Tor zum Mittelmeer und zum Orient, mit Brügge zur Nordsee, nach Osten zu Österreich und im Westen nach Frankreich. Rund 90 Kilometer konnte man von Lindau bis Schaffhausen ohne Unterbruch auf dem Wasser zurücklegen. Güter wurden in grossen Mengen sicher und schnell mit flachen Lastsegelschiffen transportiert. Der Ausbau von Handelsrouten und des Schiffsbaus, das enorme Wachstum der Städte und der Bevölkerung, die Urbarmachung zum Zwecke der Landwirtschaft und die regionalen Spezialisierungen in Wein-, Getreide- und Flachsanbau, Textilproduktion und Viehwirtschaft führten zu grenzüberschreitenden Kooperationen und Wirtschaftsabhängigkeiten. Der Bodensee war verbindend und nicht trennend.
Profit durch den Rheinfall
Eine besondere Rolle in der Bodenseelandschaft spielt Schaffhausen. Wegen des unpassierbaren Rheinfalls musste man dort die Schiffsgüter auf Viehwagen umladen, alles über die mühselige Steigstrasse nach Neuhausen karren und unterhalb des Rheinfalls wieder verladen – oder in umgekehrter Reihenfolge. Schaffhausen verdiente an den Wagentransporten, Zöllen und an den Zwischenlagerungen der Güter. Das kostbare Salz, das vor allem in die Innerschweiz geliefert wurde, brachte der Stadt Reichtum.
«Weisses Gold»
Die meisten Exponate der Ausstellung «Mittelalter am Bodensee – Wirtschaftsraum zwischen Alpen und Rheinfall» sind archäologische Funde aus dem Boden. Die seltenen Objekte erzählen viel über die damalige einfache Bevölkerung und über ihr Wirtschaftsleben. Der Kurator der regionalen Archäologie des Museums zu Allerheiligen, Florian Ter-Nedden, legt ein Augenmerk auf den wichtigen Salzhandel in Schaffhausen. Zu jener Zeit war Salz überlebenswichtig für die Tierhaltung sowie die Konservierung und das Würzen von Nahrung. Der Import kam grösstenteils aus den Salzbergwerken im heutigen Österreich, wurde bis nach Lindau am Bodensee gebracht und dann verschifft. Archäologische Funde zu diesem lukrativen Handel gibt es kaum. Stattdessen präsentiert Florian Ter-Nedden zwei historische Schriftstücke des Herzogs Leopold III. von Habsburg aus dem Schaffhauser Staatsarchiv. «Leopold verbot Diessenhofen, in der Stadt Salz auszuladen», berichtet der Archäologe. Damit sicherte sich Leopold 1376 ein Monopol des «Weissen Goldes» in Schaffhausen. 1385 befreite der Herzog das Schaffhauser Geschlecht der Wiechser von Steuern, Wach- und Kriegsdienst und stellte sie unter seinen Schutz. Denn die Wiechser betrieben für ihn den Salzhof in Schaffhausen als Lehen.
Regionale Arbeitsteilung
Die Bevölkerung nahm rapide zu. Anstatt sich um die Eigenversorgung zu kümmern, konzentrierte sich beispielweise eine Agrarregion hauptsächlich auf den Getreideanbau. Dessen Überproduktion versorgte die Flachsbauern, während diese nur dem Textilgewerbe zulieferten. Bodensee-Leinentuch war der Exportschlager in ganz Europa. Der Kurator weist auf Folgendes hin: «Das heutige Blauburgunderland ist im Mittelalter entstanden und verdankt dies dem Salzhandel.» Die leeren Lastschiffe wurden wieder mit regionalen Weinen, Leder- und Eisenprodukten beladen. «Auch Eisen war hier in der Region Schaffhausen wichtig. Es wurde als Bohnerz in Merishausen verhüttet.» Die Ausstellung überrascht mit vielfältigen und raren Bodenfunden. Der Katalog enthüllt umfangreiche Erkenntnisse aus dem Mittelalter am Bodensee.
Judith Keller, 14.5.24
Escape-Room «Das Archiv»
Den etwas anderen Zugang zum Mittelalter bietet der als «Archiv» konzipierte Escape-Room. Hier können knifflige Rätsel zu mittelalterlichen Schriftstücken rund um eine Hebamme, einen Coiffeurgesellen und einen Salzdieb aus dem Bodenseeraum gelöst werden. Es kann in Ordnern, Schachteln und Kästen gestöbert werden, um die Lösung zu finden. Es gibt drei Schwierigkeitsstufen. Online-Reservation für 2–6 Personen für die Dauer von 30–60 Minuten per Mail an: empfang.allerheiligen@stsh.ch
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