« Nathan der Weise » kindergerecht umgesetzt
Das Bewusstsein für Religionstoleranz stärken: Dieses Ziel verfolgte Ena Hager mit ihrer Maturaarbeit an der Pädagogischen Maturitätsschule (PMS) in Kreuzlingen. Ihre Arbeit wurde gleich doppelt ausgezeichnet.
Zuerst erhielt Ena Hager für ihre Maturaarbeit die Auszeichnung der Stiftung Think Tank Thurgau. Kurze Zeit später gewann die junge Ermatingerin den Luzerner Religionspreis. Die Maximalnote der PMS hatte sie da schon längst in der Tasche. Die Lehrpersonen und Jurys waren offenkundig beeindruckt von der Idee und der Umsetzung der Maturaarbeit. Hager hatte sich dazu entschlossen, ein Hörspiel für Kinder auf der Grundlage der Ringparabel aus «Nathan der Weise» von Gotthold Ephraim Lessing zu produzieren. Leicht abgewandelt existieren in ihrem Hörspiel – genau wie in der Ringparabel – drei stellvertretende Figuren für die drei grössten monotheistischen Weltreligionen: den Islam, das Judentum und das Christentum. Der Unterschied ist, dass es sich im Hörspiel um Tiere handelt und der Komplexitätsgrad des Inhalts an Zehnjährige angepasst ist.
Neue Werte kennenlernen
Obwohl die verschiedenen Kulturen in unserem Alltag sehr präsent sind, weiss man gemäss Ena Hager in der Schweiz viel zu wenig über die Wertvorstellungen anderer. Ihrer Ansicht nach streben die meisten einer Religion zugehörigen Personen ein friedliches Zusammenleben an. Trotzdem sehe man an aktuellen Geschehnissen und Konflikten die Schwierigkeit einer gegenseitigen Kultur- und Religionsakzeptanz. Deshalb seien ein Perspektivenwechsel der Gesellschaft und Raum für Diskussionen notwendig, um aufeinander zugehen zu können.
Katholisch aufgewachsen und nun in einer evangelischen Gemeinde aktiv, gesteht Hager, dass sie selbst das Gefühl hatte, die Werte anderer Religionen nicht sehr gut zu kennen. Das sei aber wichtig, um Vorurteile ablegen zu können und alle Beteiligten bei Auseinandersetzungen zwischen Kulturen und Religionen zu verstehen. Nur so könne der Konflikt selbst nachvollzogen werden.
Thematik verständlicher machen
Diesen Raum für akzeptanzorientierte Gedanken und sinnvolle Diskussionen wollte die PMS-Schülerin mit einem Hörspiel für Kinder kreieren. Sie selbst verbinde «fröhliche und leichte Stunden in der Kindheit» mit Hörbüchern. Wenn es früher die Geschichten selbst waren, ist sie nun fasziniert von den Sprechenden, der Musik und den Toneffekten. Somit konnte sie mit dem Projekt einer persönlichen Leidenschaft nachgehen und gleichzeitig die schwierige Thematik verständlicher und zugänglicher für Kinder machen.
Aus zwei Gründen orientierte sie sich bei der Erklärung der Wichtigkeit von Religionstoleranz an der fast 250 Jahre alten Ringparabel von Lessing: Einerseits unterstütze sie Lessings Aussage, dass die Suche nach der einen Wahrheit ein fortlaufender Prozess sei. Andererseits sei die Schulpflichtlektüre in der Epoche der Aufklärung immer noch unvermeidbar und die Religionsakzeptanz nach wie vor ein zentrales Thema unserer heutigen Gesellschaft.
Kein einheitlicher Glauben
Im Thurgau seien speziell Christen gefordert, da sie als Mehrheit eine grosse Verantwortung trügen. Laut Ena Hager wird häufig angenommen, dass Minderheiten sich anpassen oder Interesse zeigen müssten. Ihr zufolge brauche es beim «aufeinander Zugehen» jedoch die Beteiligung beider Seiten. Kirchgemeinden empfiehlt sie, in der eigenen Dorfgemeinde verstärkt den Kontakt mit anderen Religionen zu suchen und durch gegenseitige Einladungen zu Veranstaltungen den «Austausch zu stärken». Für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben brauche es keinen einheitlichen Glauben, sondern ein besseres gegenseitiges Verständnis.
Manuel Ditthardt, 18.9.24
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