Redewendungen aus der Bibel
«Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach» – diese Redensart wird verwendet, wenn man etwas, was einem eigentlich wichtig ist, im Alltag nicht umsetzt oder vernachlässigt.
Dieser Spruch kommt mir gern über die Lippen, wenn ich eine Ausrede für das Nicht-Einhalten eines guten Vorsatzes brauche. Wenn ich zum Beispiel in der Fastenzeit ein Bier aufmache, obwohl ich ein paar Tage darauf verzichten wollte, oder wenn ich meine Gymnastikübung gegen die Rückenschmerzen mal wieder ausfallen lasse. Solche und ähnliche Situationen kennen wir wohl alle und gern schieben wir unsere Trägheit auf das «schwache Fleisch». Der gute Wille wäre ja da, aber, aber, aber...
Der Spruch ist ein weiteres Beispiel dafür, wie kindisch verharmlosend wir mit der Bibel oft umgehen. Sowohl das Markuswie auch das Matthäus-Evangelium überliefern uns dieses Wort von Jesus. Er sagt diesen Satz am Ölberg zu Petrus und den anderen schlafenden Jüngern. Jesus steht kurz vor der Verhaftung, er sieht sein Ende kommen, das am folgenden Tag am Kreuz besiegelt sein wird. Jesus spricht diesen Satz also im dramatischsten Moment seines Lebens aus, als er sein totales Scheitern und den Tod vor Augen hat. Da geht es nicht ums Schokolade Naschen, nicht um ein Bier mehr oder weniger und nicht um die kleinen Trägheiten des Alltags. Es geht ums Ganze!
Wichtig ist auch der Satz direkt vorher: «Wachet und betet, damit ihr nicht in Versuchung geratet.» Dies sagt Jesus auch zu sich selbst, denn kurz zuvor hat er noch gebetet: «Wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber.» Jesus selbst steht in Versuchung, der letzten Konsequenz seiner Botschaft vom Reich Gottes auszuweichen, den bequemeren Weg zu wählen. Wachend und betend überwindet er diese Versuchung, bleibt sich und seiner Sendung treu – und nimmt die Folgen auf sich.
Die Evangelisten Markus und Matthäus überliefern diese Szene ihren frühchristlichen Gemeinden, die zahlreiche Widerstände und Verfolgung durch die Herrschenden zu erdulden haben. Wachet und betet, damit ihr euch in eurer menschlichen Schwachheit (das ist mit Fleisch gemeint) nicht den Mächten dieser Welt beugt, sondern Gottes Botschaft treu bleibt. Diese Herausforderung bleibt immer aktuell, auch für uns: Was bleibt von unseren schönen Sonntagspredigten, wenn werktags Flüchtlinge an unsere Tür klopfen? Widersetzen wir uns dem Zeitgeist, der all unser Tun und Lassen dem schnöden Mammon unterwerfen will? Oder bringen wir den Mut auf, im Geiste Jesu seiner Botschaft von Frieden und Gerechtigkeit treu zu bleiben?
Simon Spengler, Leiter Kommunikation, kath. Kirche Zürich
Ausgabe Nr. 9/2018

Bild: Alina Martin
Kommentare