Gemeindeleiterin wechselt entlang des Bodensees

Neun Jahre lang hat Anne Zorell Gross (57) die Geschicke der Pfarrei St. Albin Ermatingen geleitet. Obwohl sie kein Freund von Umzügen ist, wechselt sie nun nach Romanshorn. Dort freut sie sich darauf, in einem Team arbeiten zu können.

Kein Wölkchen am Himmel, das die Strahlen der Sonne bremsen könnte. Es ist heiss. Mit jugendlichem Schwung steigt Anne Zorell von ihrem Velo. Wir setzen uns für das Interview auf eine schattige Bank hinter der Kirche von Romanshorn. Obwohl sie schon einen Schlüssel fürs Pfarrhaus erhalten hat, ist ihr dieses luftige Plätzchen lieber als ein stickiger Büroraum. Seit dem 1. August ist sie hier die neue Gemeindeleiterin und folgt damit Gaby Zimmermann nach (vgl. vorige Ausgabe von forumKirche). Am 11. August findet in einem Gottesdienst der offizielle Stabwechsel statt. Anne Zorell erzählt, wie sie in einem kleinen Ort bei Ravensburg (D) aufwuchs und Theologie in Tübingen und Wien studierte, wo sie zudem ein Praktikum in einem Haus für Obdachlose absolvierte. Der Bodensee ist für sie schon lange Zeit ein wichtiger Bezugspunkt. Denn bevor sie nach Ermatingen kam, leitete sie mehrere Jahre lang die Pfarreien des damaligen Seelsorgeverbandes Altnau, Münsterlingen, Güttingen.

Offen für kritische Fragen

In Ermatingen übernahm Anne Zorell die Leitung von einem Pfarrer: «Die Gemeinde musste sich erst an Wortgottesdienste gewöhnen», so die Theologin. Nach einer Eingewöhnungsphase hätten die Gläubigen diese Feiern allerdings gut angenommen. Von Beginn an war ihr die Stärkung der Kinder- und Familienarbeit ein wichtiges Anliegen. Sie baute zunächst Sternsingergruppen auf, was ihr gut gelang. Es folgten verschiedene Angebote für Familien, die von Freiwilligen getragen wurden. «Es ist noch ein zartes Pflänzchen», weiss Anne Zorell, selbst verheiratet und Mutter zweier inzwischen erwachsener Kinder. Doch sie hofft, dass dieses Pflänzchen weiter wächst.

Viel Zeit und Energie verwendet sie bis heute für die Vorbereitung von besonderen Feiern wie Hochzeiten, Taufen oder Beerdigungen: «An diesen Anlässen nehmen oft Menschen teil, die nur wenig mit der Kirche zu tun haben. Da ist es besonders wichtig, Qualität zu bieten.» Kirchendistanzierte hatte sie auch im Blick, als sie vor zwei Jahren damit begann, zu Spurensuche-Gottesdiensten einzuladen. Diese liturgisch schlichten Feiern bieten Raum für den Austausch und die kreative Auseinandersetzung mit bewegenden Lebensfragen. «Da kam durchaus auch Kritisches zur Sprache. Aber es macht mir Freude, wenn ich herausgefordert werde», sagt Anne Zorell.

Verbunden durch den See

Eigentlich wäre sie noch gern bis zu ihrer Pensionierung in Ermatingen geblieben: Die Menschen sind ihr ans Herz gewachsen, sie findet den Ort sehr schön und liebt die Groppenfasnacht. Doch es gab auch Gründe für sie, über einen Wechsel nachzudenken. Ein wichtiger war die bevorstehende Bildung eines Pastoralraumes mit den beiden Kreuzlinger Pfarreien. Dies hätte für sie einen Rollenwechsel und Veränderungen bedeutet, die mit vielen Unsicherheiten verbunden waren. «Da habe ich mich nach einer neuen Aufgabe umgeschaut», erklärt die Seelsorgerin. Sie hätte sich durchaus auch eine ausserhalb der Kirche vorstellen können. Als «Fügung» hat sie das Freiwerden der Leitungsstelle in Romanshorn erlebt. Diese bietet ihr zudem noch die Möglichkeit, in einem Team von Hauptamtlichen zu arbeiten. «Das schätze ich sehr», betont Anne Zorell, «denn die letzten neun Jahre bin ich Einzelkämpferin gewesen.» Angst vor Heimweh habe sie keine. Denn so habe sie es ihrer Sekretärin beim Abschied erklärt: «Der See verbindet.»

Alles anschauen

Neben ihrer pastoralen Tätigkeit ist sie seit 2010 Mitglied des Kirchenrates. Obwohl sie dieses Amt gern ausübt, möchte sie es in nicht allzu langer Zeit abgeben, um sich ganz auf die neue Herausforderung konzentrieren zu können. Diese geht sie mit grosser Gelassenheit an: «Meine Vorgängerin hat gute Arbeit geleistet und wir haben ähnliche Einstellungen. Da kann ich sicherlich an vieles anknüpfen.» Aber bevor sie richtig loslegt, möchte sie die neue Pfarrei erst kennenlernen – die Menschen, die verschiedenen Gruppen und ihre Gepflogenheiten. Gespannt ist sie auch, was ihr neuer Wohnort alles zu bieten hat. Sie freut sich darauf, die Umgebung zusammen mit ihrem Mann auf dem Velo bzw. dem Rennvelo zu erkunden.

Detlef Kissner (6.8.2019)

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Anne Zorell Gross möchte Romanshorn erkunden – auch mit ihrem Velo.

Bild: Detlef Kissner

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