Priorin Josepha: Vorläuferin im Fundraising
Touristenführerin Betty Sonnberger erzählt, mit welcher Schläue Priorin Josepha im 18. Jahrhundert das Kloster St. Katharinental in Diessenhofen vergrösserte und die neue Barockkirche baute. Ausserdem berichtet sie vom Besuch des koptischen Bischofs in der Kirche und dem Feuerwehreinsatz während einer Hochzeit.
«Priorin Josepha wusste, wie sie mit Männern umgehen musste, um ihre Ziele zu erreichen», sagt Touristenführerin Betty Sonnberger: Weil sie von vornherein vom Bischof von Konstanz und dem Ordensprovinzial eine Ablehnung ihrer Pläne zu Umbau und Vergrösserung des Klosters befürchtet habe, habe sie behauptet, die Pläne seien ihr von oben eingegeben worden. Die Schuld an der Disziplinlosigkeit ihrer Schwestern, habe Priorin Josepha behauptet, trage alleine das baufällige Kloster: «Gegen den Höheren Willen konnte sich der Bischof nicht sperren.»
Die Besiedelung des Dominikanerinnenklosters St. Katharinental im thurgauischen Diessenhofen direkt am Rhein zwischen Untersee und Rheinfall geht auf das frühe 13. Jahrhundert zurück. Seine heutige Anlage, Grösse und barocke Ästhetik – vor allem die Klosterkirche – verdankt es aber Priorin Josepha Dominica von Rottenberg (1676–1738), die sich bei ihrem Amtsantritt 1712 zum Ziel gesetzt hatte, die strenge Klausur des Ordens durchzusetzen. Die bestehenden Klosterbauten boten nämlich Schlupflöcher, durch die die Nonnen und Novizinnen für einige Stunden nach draussen entkommen konnten.
Denkmalamt Thurgau zuständig
Betty Sonnberger ist beim Kantonalen Denkmalamt Thurgau zuständig für Kirchen und ihr mobiles Kunst- und Kulturgut. Die Klosterkirche St. Katharinental ist im Besitz des Kantons; neben ihrer Aufgabe in Beratung und Inventur bieten Sonnberger und eine Kollegin regelmässig Führungen durch das Kirchengebäude und das anschliessende Kleine Hausmuseum an, wo sich unter anderem eine Vollkopie des wertvollen Graduales (liturgisches Gesangsbuch) von 1312 befindet.
Priorin taktierte für ihre Wiederwahl
Sonnberger weiss wegen ihrer intensiven Beschäftigung mit der Geschichte von Kloster und Kirche, wie Priorin Josepha ihre liebe Mühe mit ihren Nonnen hatte: «Da sie als Klosterchefin von der Wiederwahl ihrer Mitschwestern abhängig war, konnte sie ihnen in Sachen Disziplin nicht zu viel zumuten.» Ähnlich musste sie auch taktieren, um ihre Ausbaupläne umzusetzen. Der Bischof von Konstanz hatte laut Sonnberger nämlich schon klargestellt, «dass sie natürlich keine Ahnung von Finanzen habe, weil sie eine Frau sei».
Im damals berühmten Barockbaumeister Franz Beer aus Vorarlberg hatte die Priorin einen willigen Umsetzer ihrer Pläne gefunden. Einen Brief vom Bistum, sie dürfe erst zu bauen beginnen, wenn sie das Geld für das gesamte Projekt zusammen habe, «ignorierte sie so, wie ihre Nonnen sie ignorierten». Im Gegensatz zur Meinung des Bischofs sei Josepha sehr findig in der Geldbeschaffung gewesen, sagt Sonnberger: «Heute nennt man das Fundraising.» Ein Bauernhof, der heute noch existiert, trug zu den Einkünften des Klosters bei.
«Tatsächlich hat Priorin Josepha Kloster und Kirche aber auf Pump gebaut», stellt Sonnberger klar. 1715 bis 1719 wurden drei Flügel des Klosters gebaut; dann kam die Pause, die die Priorin für die Sanierung der Klosterfinanzen brauchte: «1732 wurde der Bau der Kirche in Auftrag gegeben, mit Geld, das eigentlich noch zur Abzahlung der Klostergebäude bestimmt war.»
Messeort für Bedienstete in Schaffhausen
Geweiht wurde die Kirche schliesslich 1735, sodass die Priorin die Vollendung ihres Lebenswerkes noch erleben durfte. Die Kirche war noch bis ins 19. Jahrhundert hinein auch Messeort für die Knechte und Mägde in Schaffhausen: Die Herrschaften des eigentlich reformierten Kantons beschäftigten nämlich vor allem katholische Bedienstete aus Württemberg und Bayern.
Während der Säkularisierungsbestrebungen des jungen Schweizer Bundesstaates versuchte der Kanton Thurgau laut Sonnberger mehrfach, das Kloster in seinen Besitz zu bekommen: «Aber die verbliebenen Nonnen wollten einfach nicht sterben.»
Das «Kranken- und Greisenasyl»
1869 gelang dann endlich der Besitzerwechsel; und der Kanton richtete im Kloster ein «Kranken- und Greisenasyl» ein. So wie der Name in heutigen Ohren klingt, ging es dort wohl auch zu: Im Kleinen Hausmuseum hängt eine Ausgabe der Hausordnung, deren Tagesstruktur jeder Kaserne Ehre machen würde. 1996 wurde das Kloster in eine Rehaklinik umgewandelt.
1980 begann die Sanierung der Klosterkirche, die sich über mehrere Jahre hinzog. Dafür wurde die Kirche profaniert. Wie Sonnberger berichtet, sollte vorgesorgt werden, falls Bauarbeiter während der Restaurationsarbeiten auf den Altar treten müssten. Gottesdienste sowohl der katholischen als auch der reformierten Kirchgemeinde in Diessenhofen fänden noch gelegentlich statt – allerdings wie zu Priorin Josephas Zeiten ohne Heizung und Strom.
Anlässe am Band
Die Akustik der Kirche ist laut Sonnberger aber ausgezeichnet; die Kirche sei deshalb sehr beliebt für Hochzeiten und Taufen. «Im Sommer sind fast jede Woche in der Kirche Floristen, Chöre, Dekorateure und Hochzeitsplaner unterwegs; am Wochenende finden zum Teil mehrere Anlässe am Tag statt», erzählt sie von ihren Erfahrungen als Touristenführerin: «Es kam am Samstag schon vor, dass ich gebeten wurde, mit meiner Gruppe hinten rauszugehen, damit gleichzeitig vorne die Taufgesellschaft rein könne.»
Von einem besonderen Besuch berichtet Sonnberger: Wohl auf Einladung der örtlichen Kirchgemeinde kam der koptische Bischof Gabriel zu Besuch und besichtigte die Kirche. «Es war ein sehr würdiger Anlass, still, der Bischof und einige Begleitpersonen, die an einem sonnigen Spätsommerabend Kirche und Kapelle besichtigt haben», erinnert sie sich. Der Bischof habe «einen wirklich bleibenden Eindruck hinterlassen».
Koptischer Bischof zu Besuch
Er sei im Mercedes vorgefahren und habe eine schwarze Gewandung mit Kopfbedeckung getragen, einen Vollbart und eine grosse Brille. Er habe, das sei ein ganz persönlicher Eindruck von ihr, «sehr intellektuell gewirkt, sympathisch: Er war freundlich, hat sich aufmerksam in unserer barocken Kirche umgeschaut.» Vom Bischof habe sie als Andenken einen Rosenkranz und ein Holzkreuz an einer Kordel erhalten: «Sie hängen beide als ‹Glücksbringer› in meinem Auto.»
Auch eine koptische Hochzeit fand schon in der Klosterkirche statt. Die koptischen Christen benutzen noch mehr Weihrauch als die katholischen, weiss Sonnberger seit damals. Für diesen räucherlastigen Gottesdienst mussten die Verantwortlichen sogar die Feuermelder abstellen und persönlich Wache stehen: Die barocke Kirche steht nämlich unter striktem Brandschutz; die Feuermelder reagieren selbst auf den Rauch einer Kerze.
Diese wichtige Regel ignorierte offensichtlich einmal eine Hochzeitsgesellschaft, wie Sonnberger nicht ohne Humor erzählt: «Der Alarm ging ab; und die Feuerwehr stürmte die Kirche. Jetzt wissen wir, dass die Feuermelder funktionieren. Das ist wichtig.» Ob die frisch Vermählten den Einsatz zahlen mussten, weiss Sonnberger allerdings nicht: «Vielleicht hat man die Feuerwehrleute zum Apéro im schönen Klosterhof eingeladen.»
Boris Burkhardt, kath.ch/Red., 19.01.2023
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