Weiterhin Einsatz für Grundrechte

Priester Nazar Zatorskyy ist seit Mitte März nicht mehr bischöflicher Beauftragter für die ukrainische Seelsorge in der Schweiz. Politisch weitermachen will er trotzdem – auch ohne den Titel.

Wie geht es Ihnen?
Es geht mir gut. Ich betrachte diese Entscheidung als gläubiger Christ: Alles liegt in Gottes Händen. 

Welche Gründe wurden Ihnen genannt?
Unangemessene Verwendung der sozialen Netzwerke, gemeint ist in diesem Fall meine Aktivität auf Facebook.

Hatten Sie in der Vergangenheit bereits Konflikte mit kirchlichen Akteuren?
Ja, 2018 war ich der einzige ukrainische Priester, der das Recht der ukrainischen LGBTQIA+-Gemeinschaft verteidigte, eine Gay-Pride in Kiew zu organisieren. Für mich sind Gewissens- und Versammlungsfreiheit Grundrechte des Menschen: Man kann sie nicht willkürlich für eine Gruppe zulassen und für andere beschränken, sonst würde man einen Grundpfeiler der Demokratie gefährden. Diese Stellungnahme ging auf Facebook viral und wurde mir von der Kirchenleitung sehr übel genommen: Ich wurde als Bischofsvikar für die Ukrainer in der Schweiz suspendiert und war seitdem auf der schwarzen Liste.

Aber dann wurden Sie trotzdem vom Bischof «befördert».
Ja, ich war sehr überrascht, als man mich im Herbst 2021 zum bischöflichen Beauftragten nominierte. Ich koordinierte die ukrainische Seelsorge in der Schweiz seit 2018 ohne jeglichen Titel. Anscheinend war das eine Massnahme im Vorfeld des schon vorhersehbaren Überfalls Russlands auf die Ukraine. Man wollte mir als einem Repräsentanten der Ukraine dadurch mehr Gewicht geben und meiner Stimme mehr Gehör verschaffen.

Wie geht es für Sie in der Schweiz weiter?
Ich bin nach wie vor für die ukrainische Kirchgemeinde von Zürich zuständig. Da ich seit September in Zürich wohne, sind wir vermehrt auch kulturell vertreten, organisieren Konzerte und andere Veranstaltungen. Ausserdem bin ich in den römisch-katholischen Pfarreien Heilig Geist und Guthirt angestellt. Ich habe beide Hände voll zu tun, für Selbstmitleid habe ich keine Zeit und keine Lust.
Ich bin 45 Jahre alt, erlebte noch die Zeit des Kommunismus in der Sowjetunion, in der die ukrainische griechisch-katholische Kirche verboten und verfolgt und jegliche Religiosität suspekt war. Nach dem Zerfall der Sowjetunion, im Jugendalter, las ich das Neue Testament und fühlte mich berufen, Christus nachzufolgen und als Seelsorger tätig zu sein. 2006 kam ich in die Schweiz, um hier zu doktorieren.

Wer wird Ihre Aufgabe übernehmen? Oder wird die Stelle eine Weile vakant bleiben?
Ich nehme an, die Stelle wird nicht lange vakant bleiben können angesichts der Herausforderung, vor der die ukrainische Seelsorge in der Schweiz wegen des Krieges steht. Es gibt aber keine grosse Wahl: Wir sind insgesamt fünf ukrainische Priester in der Schweiz, zwei davon – ein Flüchtlingspriester und ich – sind nicht wählbar. Einem der restlichen Drei werde ich mein Beileid zur Nominierung aussprechen dürfen. Das ist keine einfache Aufgabe.

Magdalena Thiele/Red., 10.04.2024
 

Nazar Zatorskyy, Priester der ukrainischen Kirchgemeinde von Zürich
Quelle: Christian Merz
Nazar Zatorskyy, Priester der ukrainischen Kirchgemeinde von Zürich

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