Was junge Menschen der Kirche zu sagen haben

«Gestalte Kirche neu» stand über dem Workshop, der Ende Oktober in Sirnach stattgefunden hatte. Die jungen Erwachsenen, die der Einladung gefolgt waren, fanden, dass sie in den Pfarrgemeinden zu wenig beachtet werden, und signalisierten ihre Bereitschaft, selbst Angebote für ihre Altersgruppe zu organisieren. 

Die Fachstelle Jugend der katholischen Landeskirche Thurgau hatte zusammen mit den jugendverantwortlichen Personen aus der Region des Pilotprojektes «Thurgau Süd» einen eintägigen Workshop für junge Erwachsene organisiert, zu dem 19 Interessierte kamen. Die Anwesenden tauschten sich in wechselnden Kleingruppen darüber aus, welche Werte ihnen wichtig sind, wie sie sich Gemeinschaft vorstellen und was es braucht, um sich zu einer Gruppe oder zur Kirche zugehörig zu fühlen. Die Gesprächsresultate an den einzelnen Tischen wurden zwischendurch den anderen Gruppen mitgeteilt. In der letzten Runde ging es auch um die Frage, was sich in der Kirche verändern müsste.

Toleranz wird vermisst
Michaela Hut, die den Anlass zusammen mit einer Freiwilligen vorbereitet hatte, war beeindruckt davon, wie oft die Teilnehmenden auf den Punkt Toleranz zu sprechen kamen. «Toleranz ist für die jungen Menschen ein sehr wichtiger Wert. Leider erleben sie diesen gefühlsmässig in kirchlichen Kreisen oft nicht», sagt die Mitarbeiterin der Fachstelle Jugend. Einige der Anwesenden äusserten den Wunsch nach mehr Angeboten für junge Menschen, die das gegenseitige Kennenlernen, die Gemeinschaft und den Austausch fördern. Sie stellten sich dabei offene Treffen, Diskussionsrunden oder gemeinsame Aktionen vor. Manchen Teilnehmenden war es auch wichtig, einen Ort zu haben, an dem sie sich offen über ihren Glauben austauschen und sich dadurch gegenseitig stärken können. Es wurde auch Offenheit signalisiert, Angebote für junge Menschen mit Gottesdiensten zu verbinden. Diese Gottesdienste sollten allerdings auf die Zielgruppe abgestimmt sein. 
Murielle Egloff, Leiterin der Fachstelle Jugend, stellte bei den Anwesenden durchaus auch die Bereitschaft fest, Verantwortung zu übernehmen und solche Angebote selbst zu organisieren. «Sie fänden es cool, wenn die Kirchgemeinden ihnen einen Raum und die nötigen Finanzen zur Verfügung stellen und Interesse entgegenbringen würden.»

Mehr Eigenständigkeit
Doch die Realität scheint manchmal anders auszusehen. «Ein Teil der Teilnehmenden beklagte, dass sie von Mitgliedern der Pfarrgemeinden oft nicht beachtet werden. Sie fühlen sich auch in ihren Kompetenzen oft nicht ernst genommen», sagt Murielle Egloff. Die meisten von ihnen sind über 20 Jahre alt, haben ihre Ausbildung bald oder bereits abgeschlossen und nehmen in unterschiedlicher Weise Verantwortung wahr. Sie äusserten den Wunsch, dass ihnen auch in den Kirchgemeinden mehr Eigenständigkeit zugestanden wird.
Am Nachmittag hatten die Teilnehmenden Gelegenheit, ihre Wahrnehmung von Kirche und ihre Erfahrungen mit Kirchgemeinden Jugendarbeitenden und Gemeindeleitenden der entsprechenden Pastoralräume mitzuteilen. Diese hörten aufmerksam zu, nahmen die teils kritischen Rückmeldungen dankbar auf und kamen mit den jungen Erwachsenen ins Gespräch. 
Murielle Egloff findet eine solche Begegnung, in der pastoral Verantwortliche offen erfahren, wie sich junge Menschen in der Kirche und in den Gemeinden fühlen, sehr wertvoll. «Ich würde mir wünschen, dass viele Mitarbeitende in der Pastoral solche Erfahrungen machen könnten und aufgrund dessen ihre Haltung gegenüber jungen Menschen kritisch hinterfragen würden.»

Der Blick nach vorne
Nach diesem erfreulichen Startschuss gilt es nun für die Mitarbeitenden der Fachstelle Jugend und den Jugendarbeitenden vor Ort herauszufinden, wie dem grundsätzlichen Interesse der jungen Erwachsenen entsprochen werden und wie es konkret umgesetzt werden kann. Acht der 19 Teilnehmenden haben sich bereit erklärt, weiterhin mitzumachen und einen Workshop für ihre Altersgruppe zu organisieren. 
Ausserdem bedarf es einer Klärung auf struktureller Ebene. Die beteiligten Kirchgemeinden und Pastoralräume müssen sich nun überlegen, wie sie die personelle und finanzielle Zusammenarbeit in diesem konkreten Jugendprojekt über ihre jeweiligen Grenzen hinaus regeln möchten. «Da dieses Vorhaben das erste im Rahmen des Pilotprojektes <Thurgau Süd> ist, wird es zum Testlauf für die Mitglieder der beteiligten Behörden und Pastoralteams», sagt Murielle Egloff. In diesem Pilotprojekt wird die Zusammenarbeit über Pastoralraumgrenzen hinweg erprobt. Die Veranstalterinnen sind mit dem Ergebnis des eintägigen Workshops zufrieden. «Damit ist ein Samen gesät. Ich bin gespannt, wie es nun weitergeht», sagt Michaela Hut. 

Detlef Kissner, forumKirche, 15.11.2023
 

Die Workshop-Teilnehmer*innen tauschen sich darüber aus, wie sie sich eine offene Kirche vorstellen.
Quelle: zVg
Die Workshop-Teilnehmer*innen tauschen sich darüber aus, wie sie sich eine offene Kirche vorstellen.

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