Klimastreik Schweiz verlegt seinen Aktionstag ins Internet
Die Massnahmen gegen die Corona-Pandemie machten die Durchführung der Aktion «Strike For Future», die am 15. Mai hätte stattfinden sollen, unmöglich. Klimastreik Schweiz überlegte sich eine Alternative, die «Challenge For Future». Die St. Galler Aktivistin Miriam Rizvi (18) erklärt, was sich hinter der neuen Aktion verbirgt und welche Auswirkung die Corona-Krise auf den Kampf gegen den Klimawandel hat.
Was hatten Sie für den Aktionstag «Strike For Future» geplant?
Ursprünglich war ein Generalstreik vorgesehen. Wir haben alle in der Schweiz dazu aufgerufen, sich an diesem Tag an einem Streik für das Klima zu beteiligen. Ein solcher Streik fand bereits vom 20. bis 27. September letzten Jahres weltweit statt - der «Earth Strike». Weil diese Aktion in der Schweiz in die Zeit vor den Nationalrats- und Ständeratswahlen fiel, haben wir von Klimastreik Schweiz sie auf den 15. Mai 2020 verlegt. Aufgrund der Corona-Pandemie ist dieser Streiktag wie wir ihn geplant hatten – nämlich als Grossveranstaltung - nun nicht mehr möglich.
Haben Sie eine Alternative gefunden, auf Ihre Anliegen aufmerksam zu machen?
Auf nationaler Ebene haben wir uns geeinigt, dass wir stattdessen ein Spiel durchführen: Challenge For Future. Das ist eine Aktionsform, die online stattfindet. Wer sich anmeldet und einloggt, erhält verschiedene Aufgaben, die mit dem Klimaschutz zu tun haben. Es kann jedermann teilnehmen, der einen Internetzugang hat. Wir bemühen uns auch andere Zugänge zu schaffen, was in so kurzer Zeit eine echte Herausforderung ist. Die Aufgaben sind in Entwicklung, die Webseite (www.challengeforfuture.ch) besteht bereits. Sie wird am 15. Mai freigeschaltet.
Welche «Challenges» warten auf die Teilnehmer*innen?
Es gibt Challenges in den Bereichen «bildend», «kreativ» und «aktiv». Zum einen werden Fragen gestellt, z. B. «Benötigten wir eine Revolution, um die Klimakrise zu bekämpfen?» Zum anderen bestehen sie aus Aufgaben, die erfüllt werden müssen, wie «Ruf deine Grossmutter an und versuche sie zu überzeugen, mit ihrem Konto zu einer nachhaltigen Bank zu wechseln» oder «Geh in den Wald und sammle eine halbe Stunde Abfall auf». Die Aufgaben sind also praktisch oder theoretisch ausgerichtet, andere sollen dazu beitragen, sich mit Klimaschutzfragen auseinanderzusetzen. Es ist wie ein Spiel aufgebaut, bei dem man Punkte sammeln kann.
Sind an diesem Tag weitere Aktionen geplant?
Ja, der Klima-Alarm. Vor ein paar Wochen haben viele aus Solidarität und als Dankeschön für das Pflegepersonal applaudiert. So etwas Ähnliches soll es am 15. Mai auch geben. Um 11.59 Uhr - also kurz vor 12! - sollen alle Menschen ans Fenster gehen und Lärm machen für den Klimaschutz, der heute und nicht erst morgen wirksam werden soll. Ausserdem organisiert Klimastreik Schweiz sein eigenes Webradio, das durch den Tag führt, und Webinare wie z. B. einen Input von Ärzt*innen für Umweltschutz und einen E-Talk von Greenpeace über die Rolle der Banken in der Klimakrise.
Der «Internationale Netzstreiktag» am 24. April 2020 musste auch digital durchgeführt werden. Welche Erfahrungen konnten Sie dabei sammeln?
Die Politiker*innen konnten diese Aktion natürlich leicht ignorieren. Für die Klimaschutzbewegungen war er jedoch sehr wichtig – gerade in der Corona-Zeit -, weil die einzelnen Mitglieder dadurch miteinander in Kontakt bleiben konnten. Die Teilnehmer*innen hatten sich über Zoom (Software für Videokonferenzen, Anm. d. Red.) vernetzt. Es war der grösste Zoom-Call, den es jemals gab. Es nahmen Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus der ganzen Welt dran teil. Es gab Workshops, Webinare, Videos zum Anschauen. Es ist eine andere Protestform und es trug dazu bei, dass unsere Bewegung in Bewegung bleibt.
Die Corona-Krise hat den Einsatz gegen den Klimawandel zunächst ausgebremst. Kann diese Krise für die Reduktion von Treibhausgasen auch eine Chance darstellen?
Der Lockdown bietet die grosse Chance, dass die Menschen mehr zu Hause bleiben und ihren Konsum einschränken. Sie werden sich bewusst, was sie im Alltag wirklich brauchen. Leider hat das Parlament entschieden, die Fluggesellschaften mit einem Verpflichtungskredit von ca. 1.9 Milliarden Franken zu unterstützen, ohne daran bestimmte klimapolitische Bedingungen zu knüpfen. Das ist ein weiterer Rückschritt für die Klimaschutzbemühungen der Schweiz.
Wie müssten klimaverträgliche Hilfsmassnahmen aussehen?
Die Regierung sollte lieber Menschen unterstützen, die durch die COVID-19-Pandemie in wirtschaftliche Not geraten sind, z. B. durch Kurzarbeitergeld. Die Flugbranche sollte nicht unterstützt werden. Sie ist kein nachhaltiger Wirtschaftszweig. Ziel sollte sein, dass unnötiges Fliegen stark verringert wird. Am 5. Mai hat Klimastreik Schweiz tausende von Demoschildern gegen diese Unterstützung nach Bern gebracht und versucht, sie vor der EXPO auszubreiten, wo das Parlament tagte. Die Aktion wurde von der Polizei unterbunden. Man unterdrückt diese Stimme – vor allem in der Corona-Zeit. Es werden einfach Entscheidungen getroffen und Menschen, die gerne mitreden würden, werden zum Schweigen gebracht. So funktioniert die Demokratie nicht.
Interview: Detlef Kissner (12.05.20)
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