Open Doors veröffentlicht den Weltverfolgungsindex 2019
Von China bis Subsahara-Afrika haben gewaltsame Übergriffe auf Christen und Kirchen erheblich zugenommen. Doch die dokumentierten Morde an 4136 Christen gegenüber 2782 im Vorjahr beschreiben das Ausmass der Verfolgung nur zum Teil. Christen erfahren in immer mehr Ländern Ausgrenzung. Das zeigt der neue Weltverfolgungsindex (WVI).
China (von Platz 43 auf 27) ist ein Paradebeispiel für die wachsende Unterdrückung der Glaubensfreiheit durch ein immer repressiveres Regime. Im Berichtszeitraum wurden dort mehr Christen als in jedem anderen Land inhaftiert: 1131 gegenüber 134 im Vorjahr – viele davon ohne Gerichtsverfahren. Ausgestattet mit einer seit Maos Zeiten ungekannten Machtfülle, versucht Staatschef Xi Jinping die stetig wachsenden christlichen Gemeinschaften zur absoluten Loyalität gegenüber Staat und kommunistischer Partei zu zwingen.
Am 1. Februar 2018 traten neue Vorschriften für religiöse Angelegenheiten in Kraft. Zahlreiche Kirchen und christliche Einrichtungen mussten schliessen oder wurden zerstört. Gottesdienste werden videoüberwacht, Pastoren in Umerziehungslagern inhaftiert. An einer Reihe von Kirchen verbieten Schilder Besuchern unter 18 Jahren den Zutritt.
In puncto Personenkult und Kontrolle seiner Bürger ist Nordkorea jedoch weiter beispiellos. Das Land belegt seit 2002 den ersten Platz auf dem WVI wegen der dortigen extremen Verfolgung von Christen. Etwa 50'000 bis 70'000 von ihnen müssen aufgrund ihres Glaubens in Straflagern härteste Zwangsarbeit und Folter erleiden. Das weltweit vielbeachtete Gipfeltreffen von Kim Jong-un mit US-Präsident Donald Trump hat bislang zu keinen spürbaren Verbesserungen im Land geführt – im Gegenteil. Im Grenzbereich zu China wurden zusätzliche Sicherheitskräfte eingesetzt – und das nicht wegen einer äusseren Bedrohung, sondern um das eigene Volk an der Flucht zu hindern.
Regierungen in der Türkei (26), in Myanmar (18) und Laos (19), mehr als je zuvor aber auch in Indien (10), treiben ihre religiös-nationalistische Agenda voran, um die Anhänger der jeweiligen Mehrheitsreligion hinter sich zu scharen und gleichzeitig den Druck auf Christen sowie andere religiöse Minderheiten zu erhöhen.
In Indien – offiziell die grösste Demokratie der Welt – lässt die hindunationalistische Regierungspartei BJP samt Behörden extremistische Gruppen und Mobs in ihrer Gewalt gegen Kirchen und Christen gewähren. So wurden im Berichtsjahr Angriffe auf etwa 100 Kirchen und mindestens 12'500 Christen dokumentiert. Mehr als 200 von ihnen wurden wegen ihres Glaubens verhaftet und mindestens 10 getötet. In die Bewertung fliessen dabei nur religiös motivierte sowie hinreichend belegte Vorfälle ein. Die tatsächliche Anzahl liegt mit Blick auf die hohe Dunkelziffer wesentlich höher. Seit der Regierungsübernahme durch die BJP vor fünf Jahren haben Unterdrückung und Gewalt gegen Christen von Jahr zu Jahr zugenommen, so dass Indien erstmals unter den ersten 10 Ländern des WVI rangiert.
Gefahr durch ExtremistenAuch die Verfolgung durch islamische Extremisten nimmt zu: Nach Gebietsverlusten im Nahen Osten infiltrieren Kämpfer des IS und andere militante Islamisten weitere Länder der Region, so etwa Libyen (4) und Ägypten (16). Hinzu kommen zunehmend Länder in Asien und südlich der Sahara. Im islamisch dominierten Norden Nigerias (12) werden Christen bereits seit vielen Jahren verfassungsgemässe Rechte sowie Versorgung und Schutz verweigert. Hier wurden mit 3731 mehr Christen um ihres Glaubens willen ermordet als in allen anderen Ländern zusammen. Auch bei Angriffen auf Kirchen (569) steht Nigeria an erster Stelle. Muslimische Fulani-Viehhirten, hochgerüstet mit AK-47 und schwereren Waffen, überfallen oft Dörfer zumeist christlicher Siedler. Wegen der Ermordung ganzer Familien – wie zum Beispiel in Jos im Oktober 2018 – sprechen viele Christen mittlerweile von ethnisch-religiösen Säuberungen. Meldungen, nach denen Boko Haram besiegt ist, erweisen sich angesichts immer neuer Entführungen zumeist christlicher Mädchen als haltlos. Und selbst von den bekannten «Chibok-Mädchen» sind noch immer über 100 in Gefangenschaft. Der Fall Asia Bibi, die am 31. Oktober 2018 vom Obersten Gerichtshof Pakistans von der Anklage der Gotteslästerung freigesprochen wurde, hat deutlich gemacht, welch immenser Hass Christen von grossen Teilen einer religiös indoktrinierten Gesellschaft entgegenschlägt – nicht nur in Pakistan (5). Doch dort droht auch anderen inhaftierten Christen weiterhin der Tod, die wegen Blasphemie willkürlich verurteilt wurden.
Religionsfreiheit immer stärker eingeschränktIn den 50 Ländern des WVI leben etwa fünf Milliarden Menschen, von denen sich rund 700 Millionen zum christlichen Glauben bekennen. «Die Religionsfreiheit war noch nie so gefährdet wie heute», bilanziert Patrick Schäfer, Leiter des Deutschschweizer Büros von Open Doors. «Derzeit erleidet jeder neunte Christ in der Welt aufgrund seines Glaubens Diskriminierung und Verfolgung. Und leider verschlechtert sich die Situation von Jahr zu Jahr. Ich fordere unsere Regierung und die internationale Gemeinschaft auf, ihre Aufmerksamkeit auf diese besorgniserregenden Entwicklungen zu richten.»
Daniel Gerber, Open Doors Schweiz/Red. (29.1.19)
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Für den aktuellen WVI wurde die Situation von Christen vom 1. November 2017 bis 31.Oktober 2018 in 150 Ländern untersucht. Die jährlich veröffentlichte Rangfolge listet die 50 Staaten mit der härtesten Christenverfolgung auf. Bei dem Begriff «Verfolgung» lehnt sich Open Doors an die Definition des UNHCR an.
Die Zusammenstellung der Situation erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Das ist vor allem bei Ländern der Fall, wo Open Doors nur einen begrenzten Zugang zu Informationen hat, was auf mehrere Länder des WVI zutrifft. Die vorliegenden Zahlen sind Minimalwerte. Das Hilfswerk geht aber davon aus, dass die tatsächliche Anzahl mit Blick auf die hohe Dunkelziffer wesentlich höher liegt.
Nähere Infos: www.opendoors.ch/index
Bild: © Open Doors Schweiz
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