Ein Resümee zum Besuch von Kardinal Parolin
Das katholische Einsiedeln und das katholische Freiburg stehen am Anfang und Ende von Pietro Parolins Schweiz-Besuch. Aber auch im reformierten Bern macht der Staatssekretär Seiner Heiligkeit bella figura. Mit Diplomatie.
Von den Herausforderungen der katholischen Kirche in der Schweiz bekam der Kardinal bei seinem dreitägigen Besuch anlässlich von «101 Jahren diplomatischen Beziehungen zwischen Bern und Rom» wenig mit. Der Kardinalstaatssekretär flog am Samstag, 6. November, mit einer Swiss-Maschine nach Zürich und zog sich diskret ins Benediktiner-Kloster Einsiedeln zurück.
Einsiedeln und RanftAm Sonntag feierte er dort ein Pontifikalamt und würdigte Einsiedeln als «Oase des Friedens» und «eines der bedeutendsten Heiligtümer Europas». Später ging es mit den Schweizer Bischöfen zum Wallfahrtsort des Schweizer Nationalheiligen Niklaus von Flüe – ebenfalls diskret. Medienvertreter waren wegen des privaten Charakters der Wallfahrt nicht zugelassen. «Die Bischöfe erläuterten Aspekte der Volksfrömmigkeit und die grosse Verehrung von Bruder Klaus und seiner Frau Dorothee als Ehepaar», teilt die Schweizerische Bischofskonferenz mit. Mahnende Worte aus Rom in Richtung Schweizer Bischöfe hat es dem Vernehmen nach nicht gegeben. Die kommen, falls überhaupt, Ende November. Dann reisen die Bischöfe zum Ad-limina-Besuch nach Rom. Differenzen gibt es durchaus, etwa über die Instruktion der Klerus-Kongregation im Jahr 2020.
Warum CO2-Neutralität nur bis 2050?Wie gut die bilateralen Beziehungen zwischen der Schweiz und dem Heiligen Stuhl sind, zeigte sich in den Begegnungen mit Bundesrat Ignazio Cassis. Kardinal und Bundesrat unterzeichneten in Bern eine Erklärung. Die Zusammenarbeit solle vertieft werden, etwa bei Frieden und Menschenrechten oder dem Einsatz für religiöse Minderheiten. Auf die Frage, warum der Heilige Stuhl auf der Weltklimakonferenz in Glasgow sich nicht ambitioniertere Klimaziele als die CO2-Neutralität bis 2050 setze, antwortete der Kardinal: Er wisse nicht, warum die Frist auf 2050 festgesetzt worden sei – kündigte aber an, er werde die Verantwortlichen fragen, ob es möglich sei, diese Frist vorzuziehen. Der Vatikan sei ein sehr geringer CO2-Emittent und sein Hauptengagement bestehe darin, die Ökologie im Sinne von «Laudato si» zu fördern.
Schweizer Ziel: UN-SicherheitsratSowohl in Bern als auch später bei einem Kolloquium der Universität Freiburg über die wechselvolle Geschichte der diplomatischen Beziehungen erinnerte Cassis an die Prioritäten der Schweizer Aussenpolitik. Zu diesen gehörten zurzeit die Kandidatur für einen nicht-ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat. Auch wenn der Bundesrat es nicht explizit formulierte: Durch die Blume wurde klar, dass er sich Unterstützung vom Heiligen Stuhl und seinem weltweiten Netzwerk erhofft. «Mir haben Kollegen aus der ganzen Welt gesagt: Die zwei besten diplomatischen Korps sind jene der Schweiz und des Vatikans», sagte Cassis in Freiburg.
Lob für die SchweizergardeDer Kardinalstaatssekretär dankte dem Einsatz der Schweizergarde, die den Papst beschützt. Er erinnerte an den «Sacco di Roma» 1527. Damals opferten Schweizer dem Papst ihr Leben, was das Band zwischen den beiden Staaten «unauflöslich» mache. Cassis erwiderte: «Wir dürfen den PR-Effekt der Schweizergarde nicht unterschätzen.» Die Schweizergarde hätte eine noch grössere Ausstrahlung als die berühmten roten Schweizer Taschenmesser.
Diplomatie bei den ReformiertenUnd die Reformierten? Die hatten im Vorfeld skeptisch auf den Beschluss reagiert, wonach die Schweiz einen eigenen Vatikan-Botschafter erhalte. Parolin betonte in Freiburg: Ein Schweizer Botschafter am Heiligen Stuhl vertrete die Schweiz – und nicht die katholische Kirche. Der Kardinalstaatssekretär hatte am 8. November die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz (EKS) in Bern besucht und so eine andere Seite der Schweizer Kirchenlandschaft kennengelernt: Ordinierte und Nichtordinierte, Frauen und Männer, Jüngere und Ältere «treffen demokratische Entscheide über die Zukunft der Kirche», sagte EKS-Präsidentin Rita Famos. Dieses «Schweizer Erfolgsmodell» verkörpere ebenso viel Swissness «wie die vielgerühmte Schweizergarde». Trotz der herzlichen Begegnung: Dass sie den zweitwichtigsten Mann in der römischen Kurie damit überzeugt haben dürfte, darf bezweifelt werden. Aber als Profi-Diplomat liess sich Parolin nichts anmerken: «Diplomatie und ökumenische Arbeit verfolgen das gleiche Ziel: Dass die Menschen in Frieden zusammenleben können», sagte er in Bern.
Raphael Rauch/Red., 17.11.21
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