Heiliges Jahr in Santiago de Compostela
Immer wenn der 25. Juli, der Namenstag des heiligen Jakobs, auf einen Sonntag fällt, wird in Santiago de Compostela ein heiliges Jahr begangen. Dafür begeben sich normalerweise sehr viel mehr Pilger*innen als in anderen Jahren auf den Jakobsweg. Wie das in Corona-Zeiten aussieht, was ein heiliges Jahr überhaupt bedeutet und was daran besonders ist, erklärt Josef Schönauer, Präsident der Pilgerherberge St. Gallen.
Gemeinhin gilt der heilige Jakob als Schutzpatron der Pilger, dessen Namenstag jährlich am 25. Juli mit dem Jakobustag gefeiert wird. Ist aber dieser Tag in manchen Jahren auch noch ein Sonntag, fällt das Fest ein wenig grösser aus, denn dann spricht man von einem heiligen Jahr. Über den Ursprung dieser Zeremonie sind sich Historiker uneins, so Josef Schönauer, Präsident der Pilgerherberge St. Gallen und Betreiber der Seite www.pilgern.ch. Manche behaupteten, das erste Fest sei 1122 begangen worden, andere würden den Anfang um 1428 verorten. So käme man auf zwei verschiedene Zählweisen. Ungefähr im 15. Jahrhundert hätte sich jedoch das «Año Jacobeo» als solches etabliert.
Göttlicher WegweiserEin heiliges Jahr wird jeweils am 31. Dezember des vorangehenden Jahres feierlich eröffnet. An diesem Tag klopft der Bischof von Santiago drei Mal an die heilige Pforte – die Puerta del Perdón – der städtischen Kathedrale. «Nach dem Anklopfen wird die Türe geöffnet. Ein besonderes Ereignis, denn normalerweise bleibt dieser Eingang verschlossen. In diesem Jahrhundert gibt es nur 14 heilige Jahre, in denen man das Prozedere miterleben kann», erklärt Josef Schönauer. Nach den Lehren der katholischen Kirche können Pilger*innen in einem heiligen Jahr nach dem Gebet am Grab des Apostels in der Kathedrale, der Beichte und dem Empfang der Kommunion, den Ablass durch Sündenvergebung gewinnen. «Bezogen auf die biblischen Stellen zum Sabbatjahr (Buch Levitikus, Kapitel 25) und dem Gnadenjahr des Herrn im Lukas-Evangelium », führt Josef Schönauer aus. Zwar sei nicht allen Pilger*innen dieser kirchliche Gnadenakt heute noch ein Begriff, das Durchschreiten der heiligen Pforte habe für die meisten aber trotzdem etwas Rituelles und sei für sie eine spirituelle Erfahrung.
Auch Josef Schönauer spürt in einem solchen Jahr eine stärkere Verbindung zum Apostel Jakobus als göttlichen Wegweiser und zu den vielen anderen Pilger*innen, die den Weg nach Santiago auf sich nehmen.
In der galicischen Hauptstadt bekommt auch der Jakobustag in einem heiligen Jahr noch ein stärkeres Gewicht. «Am Abend des 24. Juli findet in Santiago eine grosse Feier mit Licht- und Musikspektakel statt. Der darauffolgende Sonntag gehört dem festlichen Gottesdienst, an dem auch der spanische König teilnimmt», so Josef Schönauer. Doch auch im Dom St. Gallen ist am 25. Juli eine regionale Jakobusfeier mit einem Festtagsgottesdienst geplant, an dem ein Chor eine spezielle Komposition mit Pilgerliedern vortragen soll. Bereits für Ende Januar war ein Vortrag über die Faszination von Pilgerorten mit Cornel Dora angedacht, dem Stiftsbibliothekar von St. Gallen. Ob dieser Anlass unter den jetzigen Schutzbestimmungen stattfinden kann, bleibt abzuwarten (Informationen unter: www.pilgerherberge-sg.ch). Auch in Galicien gestalten sich die Vorbereitungen angesichts der Corona-Krise schwierig. «Die galicische Regierung hat natürlich mit mehr Menschen gerechnet, denn normalerweise sind in einem heiligen Jahr doppelt so viele Pilger*innen unterwegs. 2019 sind knapp 350'000 Menschen in Santiago angekommen. 2020 war es nur noch ein Fünftel und zumindest bis im Frühling dieses Jahres wird sich die Situation kaum verbessern. Das Initiativkomitee hat deshalb auch den Vatikan darum gebeten, das aktuelle heilige Jahr der besonderen Umstände wegen bis ins Jahr 2022 zu verlängern», sagt Josef Schönauer.
Dankbar pilgernAuf die Frage, ob manche Menschen in diesem Jahr aufgrund der Corona-Krise bewusster pilgern werden, meint er: «Ich denke schon. Viele werden dankbarer sein, weil sie überhaupt den Weg gehen können ». Jedem, der noch nicht in der galicischen Hauptstadt war, empfehle er als Route dorthin den traditionellen Camino Frances. Natürlich wäre es am besten, direkt vor der eigenen Haustüre loszulaufen, doch das sei nicht allen gegeben. «Der klassische Weg ist spirituell und kulturell am reichsten, mit so vielen schönen und kräftigen Bezugspunkten, die sonst kein anderer Weg hat», sagt er. Auch wenn durch die Pandemie die Pilgermotivation ein wenig eingebrochen sei, habe er doch den Eindruck, dass das Pilgern insgesamt beliebt geworden sei. «Es entspricht einem grossen Bedürfnis, das heute in den Menschen lebt und mit viel Dynamik und Lebensfreude verbunden ist».
Sarah Stutte, forumKirche, 28.12.20
«Pilgern erdet und himmelt»
Der ehemalige St. Galler Spitalseelsorger Josef Schönauer, der seit 1989 regelmässig auf dem Jakobsweg pilgert, hat ein Buch über das Pilgern geschrieben, das weit über den klassischen Pilgerführer hinausgeht. «Dieses Buch zum Jakobsweg gibt es noch nicht. Dafür viele Erlebnisberichte, geschichtliche und spirituelle Werke. Ich wollte etwas veröffentlichen, das diese Betrachtungen verknüpft und zusammenfasst», erklärt er. «Pilgern erdet und himmelt» stellt dann auch das Pilgern in einen grösseren Kontext und führt von den Anfängen und der Bedeutung des Pilgerns über Geschichten und Legenden zum Jakobsweg bis hin zur Symbolik der verschiedenen Pilgerutensilien. «Wichtig war mir, biblische Bezüge zu machen, diese umzudeuten und mit dem Leben zu verbinden. Also den Jakobsweg als Lebensweg zu betrachten und zum Nachdenken darüber anzuregen, was die Pilgererfahrung für unsere Gemeinschaft und Kirche bedeuten könnte», so Josef Schönauer. Ergänzt wird dies durch persönliche Pilgererfahrungen und viele Fotos, die Schönauer über die Jahre gemacht hat. (sas)
Erscheint am 1. März im Verlag FormatOst, ISBN 978-3-03895-026-4
Das Botafumerio wird bereit gemacht
Die Kathedrale Santiago
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