Sammlerin von altem Weihnachtsschmuck
Monika Stahel hat sich in Diessenhofen ein eigenes Reich erschaffen : das « Haus zur Gewesenen Zeit ». Sie kann so ihrer Vorliebe für Alltagsgegenstände und Kleider aus dem letzten Jahrhundert frönen. Eine Sonderstellung nimmt dabei ihre Sammlung an Weihnachtsschmuck ein.
Ein Besuch bei Monika Stahel bedeutet, einzutauchen in eine vergangene Zeit. Seit Sommer 2011 lebt sie im « Haus zur Gewesenen Zeit », dem ehemaligen Restaurant Bahnhof in Diessenhofen. Als Dekorateurin ist sie am Gestalten interessiert, weshalb sie das Haus mit ihrer grossen Sammlung an Mobiliar, Alltagsgegenständen, Kleidern, Schuhen und Schmuck aus den Jahren um 1900 bis 1970 liebevoll ausgestattet hat.
Weihnachtsschmuck-Sammlung
Seit ihrer Lehrzeit sammelt Monika Stahel alten Weihnachtsschmuck – seit über 50 Jahren. Aus jener Zeit stammen dreidimensionale Sterne aus dickem Silberpapier, die zusammengefaltet werden können. Leider hat die Sammlerin nicht mehr alles aus jener Zeit, denn sie hat einiges an Flohmärkten verkauft.
Im Unterschied zu allem anderen, was im Haus zu finden ist, ist der Weihnachtsschmuck das, was Stahel wirklich sammelt : « Viele lachen mich aus angesichts des vollen Hauses, wenn ich das sage. Aber es ist wirklich der Weihnachtsschmuck, den ich sammle. Alles andere ist Verleih. » Da also zieht sie eine Grenze : Sie möchte, dass all die Sachen benutzt werden, die sich sonst im Haus befinden – selbst wenn etwas dabei kaputtgeht. Sie nimmt auch nichts an, dass mit modernen Materialien geflickt worden ist. Lieber will sie etwas im Originalzustand, auch wenn es kaputt ist. Filmcrews oder Theaterleute melden sich beispielsweise bei ihr, wenn sie etwas benötigen. Nur der Weihnachtsschmuck ist unantastbar : Er wird nicht ausgeliehen, dazu ist er der Sammlerin zu kostbar.
Viktorianischer Schmuck
Monika Stahel besitzt Weihnachtskugeln aus der viktorianischen Zeit, die sie als antik bezeichnet. Sie hat über die Jahrzehnte einen Blick dafür entwickelt, Weihnachtsschmuck zeitlich einordnen zu können. Zur Erinnerung : Königin Viktoria von England regierte von 1837 bis 1901.
Die viktorianischen Kugeln sind im Gegensatz zu heutigen Kugeln dickwandig und entsprechend schwer, denn sie sind verbleit, wie Stahel erklärt. Die Produktion wurde verboten, nachdem die Menschen durchs Blasen krank geworden waren. Das deutsche Lauscha hatte sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum des Glasschmuckhandels auch für Weihnachtsschmuck entwickelt. Vieles wurde auch in Heimarbeit hergestellt, ganze Familien lebten davon.
Ein besonders grosses, glänzend grünes Exemplar einer viktorianischen Weihnachtskugel verbindet Monika Stahel mit ihrer Zeit als Hilfspflegerin in der Klinik Königsfelden. « Ich erinnere mich, wie ich das Haus betreten und diesen grossen Christbaum gesehen habe. Alle Kugeln waren neu – bis auf diese eine. Ich ging schnurstracks zur Oberschwester, um ihr mitzuteilen, was für eine Kostbarkeit sie am Baum hatte. Ein paar Wochen später fand ich im Büro ein Päckchen vor, in dem diese Kugel war », erzählt sie und strahlt noch immer über dieses Geschenk.
Leidenschaft Christbaumspitzen
Fragt man Monika Stahel, was der Christbaumschmuck ihr bedeutet, sagt sie nur: « Das ist einfach meine Passion. » Diese Passion erstreckt sich vor allem auf die Zeit von etwa 1900 bis in die 1940er-Jahre. Späterer Schmuck gefällt ihr nicht. Ausnahmen macht sie nur bei Christbaumspitzen. Da kann sie einfach nicht anders, als alle entgegenzunehmen, die man ihr zuträgt. « Die ziehen mich magisch an », sagt sie. Mittlerweile hat sie gut 20 Exemplare davon, aber sie würde ihre Sammlung gerne auf 30 bis 40 Stück ausbauen.
Um ihre Spitzen präsentieren zu können, sucht sie sich jedes Jahr einen geeigneten Baum dazu aus mit mehreren Baumspitzen. Sie schmückt ihn dann und öffnet ihr Haus im Dezember vier Mal statt wie sonst einmal im Monat. Ihr Christbaum in der gemütlichen Gaststube ist mittlerweile zum Adventsfenster für Diessenhofen geworden. Dieses Jahr ist es das Fenster Nr. 11, das während Stahels Weihnachtsöffnungszeiten dargestellt wird. Es gibt Suppe und Glühmost – statt wie sonst eine Kaffeestube mit feinen selbstgebackenen Kuchen.
Für die Kaffeestube kann sich Monika Stahel auf ein treues Team verlassen. Denn um das Haus lebendig zu halten, ist es jeden letzten Freitag im Monat offen. Auf Anfrage gibt es auch ausserhalb der Öffnungszeiten Führungen für Gruppen.
Traditionelles Familienfest
Gefragt nach Weihnachten ihrer Kindheit, erzählt Monika Stahel : « Wir haben sehr traditionell am 24. Dezember gefeiert. Im Salon, einem kleinen Zimmer neben der Stube unseres kleinen Holzhauses im Neuparadies. Mein Vater schmückte den Baum. Ich habe noch Kugeln von ihm. Am Schluss wurde der Baum mit Engelshaar verziert. Der Salon war geschlossen für uns bis zur Feier. Wir packten heimlich Geschenke ein. An der Feier sangen wir Weihnachtslieder. Zwei von uns vier Kindern spielten Klavier. Vor allem meine ältere Schwester spielte sehr gut. Die Mutter las aus der Bibel vor. Zu essen gab es Horsd'œuvres. Diese waren auf einer ovalen Platte mit eingelassenen Vertiefungen drapiert. Ich mochte vor allem die Sardinen. »
Weihnachtsfeier im Bett
Sie erinnert sich an ein spezielles Weihnachtsfest, an dem sie krank war und die Familie ihr ein Krankenlager im Salon einrichtete, damit sie teilnehmen konnte. Sie war damals entweder im Kindergarten oder in der ersten Klasse. Ihre Gotte hatte ihr ein Badezimmer geschenkt aus einem halbrunden Blech. Die Familie gab ihr Wasser, sodass sie die Behälter des Badezimmers füllen und im Bett spielen konnte. « Meine Gotte hatte immer tolle Ideen für Geschenke », sagt Monika Stahel. Man hört noch immer die Begeisterung in ihren Worten.
Ebenso erinnert sich die Dekorateurin an den Heimweg im Dunkeln, den sie mit der Familie zu Fuss zurücklegte nach der Sonntagsschul-Weihnacht. Zum Abschluss der Sonntagsschule gab es einen Teller als Geschenk, erzählt sie, den sogenannten Weihnachtsteller. Monika Stahel besitzt ihren Weihnachtsteller nicht mehr, aber ein Exemplar von 1948. Es ist ein dicker Teller der ehemaligen Schaffhauser Tonwarenfabrik Ziegler mit einer gemalten Kirche in der Mitte. Auf dem oberen Tellerrand steht das Wort Weihnachten, auf dem unteren die Jahreszahl 1948.
Filigraner Liebling
Das Lieblingsstück von Monika Stahel stammt aus den 1920er-Jahren. Es ist ein Schmetterling. Sein Körper besteht aus Glas, die Flügel sind aus zartem weissen Fadengebewebe, auf das ein buntes Muster gemalt worden ist. Ein Stück des Kopfes ist leider kaputtgegangen. Stahel hat ihren Liebling schon oft geflickt. « Er bleibt am Baum, bis er gar nicht mehr da ist », sagt sie mit Bestimmtheit und fügt leise an, « ich habe Mühe mit der Vergänglichkeit. » Dann zeigt sie auf tropfenartige Kugeln : « Ich bin auch ein Fan von Tropfen. Diese habe ich sehr gerne. Sie sind hauchdünn und stammen aus der Zeit um 1910. Damals waren sie ganz glänzend. Silberglanz war der Hit. Vorher und nachher war matter Schmuck beliebt. » Vor 1900 wurde Schmuck noch mit Leoner Draht umwickelt. Auch davon hat die Sammlerin einige Exemplare, sogar eine Spitze nur aus diesem Drahtgeflecht.
« Wenn ich nicht diese Weihnachtstage hätte im Haus hier, würde ich vermutlich keinen Christbaum aufstellen », meint Monika Stahel nachdenklich. « Ich würde den Schmuck wohl einfach auf den Tischen auslegen. » So aber umrundet der Spielzeug-Zug auch dieses Jahr den Christbaum an den geöffneten Tagen in der Adventszeit.
Béatrice Eigenmann, forumKirche, 4.12.24
Weihnachten im « Haus zur Gewesenen Zeit »
Di, 10.12., Mi, 11.12. (Adventsfenster),
Di, 17.12., Mi, 18.12., jeweils von 17–20 Uhr
Bahnhofstrasse 16, 8253 Diessenhofen
www.gewesenezeiten.ch
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