Kloster Hegne feiert 130-jähriges Bestehen
Im Jahr 1895 errichteten die Kreuzschwestern von Ingenbohl eine neue Provinz mit dem Mittelpunkt in Hegne am Bodensee. Schwester Susanne Bader, die neue Provinzoberin, erzählt in einem Interview, was die Kreuzschwestern ausmacht, wie sich das Kloster Hegne entwickelt hat und vor welchen Herausforderungen es heute steht.
Ihr Orden trägt den besonderen Namen Barmherzige Schwestern vom heiligen Kreuz. Was verbirgt sich dahinter ?
Unsere Gemeinschaft hat sich in der Gründung getrennt. Es gibt die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz (Ingenbohler Schwestern) und die Lehrschwestern vom heiligen Kreuz (Menzinger Schwestern). Der Begriff « barmherzig » weist darauf hin, dass wir ursprünglich vor allem in der Krankenpflege daheim waren und die Lehrschwestern in der Schule. Inzwischen erfüllen wir auch andere Aufgaben : Wir betreiben eine Schule, eine Akademie, ein Altenpflegeheim und ein Hotel. Das Barmherzigsein, den Menschen zugewandt sein, ist etwas, was unseren Orden besonders auszeichnet – in allem, was wir tun.
Und die Bezeichnung « vom heiligen Kreuz » ?
Das ist nicht einfach zu verstehen. In unseren Konstitutionen heisst es : Unsere Lebensweise ist geprägt durch das Geheimnis von Kreuz und Auferstehung. Wir leben aus der Hoffnung, dass es durch das Kreuz hindurchgeht, dass Gott das Leid mitträgt und dass danach die Auferstehung auf uns wartet. Diese Hoffnung wollen wir zu den Menschen tragen.
Wie kam es zur Gründung des Klosters Hegne ?
Unser Gründer Pater Theodosius hat an vielen Orten gepredigt und Spenden für bedürftige Menschen gesammelt. Durch seine Tätigkeit sind junge Frauen auf ihn und die Gemeinschaft aufmerksam geworden – auch weit über die Grenzen der Schweiz hinaus. Schon früh sind auch Frauen aus dem süddeutschen Raum in Ingenbohl eingetreten. Irgendwann gab es im Gebiet des Erzbistums Freiburg so viele Schwesterngemeinschaften, dass es sinnvoll war, dort ein eigenes Kloster und eine eigene Provinz zu gründen. Als unsere Mitgründerin Schwester Maria Theresia beim Besuch von Schwestern mit dem Zug an Hegne vorbeifuhr, hat sie gesagt : « Hier sollten wir ein Provinzhaus haben. » Sie hat es dann leider nicht mehr erlebt, dass die Gemeinschaft das Schloss Hegne kaufte und damit den Grundstein für das Kloster legte.
Dann war der Orden in der damaligen Zeit wohl sehr attraktiv.
Ja, da haben sicherlich viele Faktoren mitgespielt. Vielen Menschen ging es damals nicht gut. Der Wunsch, sich zu organisieren und anderen zu helfen, war gross. Ausserdem bot der Eintritt in den Orden für junge Frauen die Chance, einen Beruf zu ergreifen. Wenn sie geheiratet hätten, wären sie Hausfrau und Mutter gewesen. In der Gemeinschaft konnten sie eher eigene Ideen verwirklichen.
Wie entwickelte sich die 1895 gegründete Ordensprovinz Baden-Hohenzollern, die später in Provinz Baden-Württemberg umbenannt wurde ?
Die Zahl der Schwestern wuchs stetig an. Sie erreichte im Jahr 1940 mit 1'480 Schwestern und 213 Niederlassungen ihren Höchststand. Ausserdem wurden in den ersten Jahren schon viele Gebäude errichtet : 1899 das Provinzhaus und die Klosterkirche und 1914 das Schwesternkrankenhaus Maria Hilf.
Welche Zeit war für das Kloster die schwierigste ?
Die Zeit des Nazi-Regimes und des Zweiten Weltkrieges war von grosser Sorge geprägt. Die Schwestern unserer Behinderteneinrichtung in Herten mussten Abtransporte von Schutzbefohlenen erleiden. Eine Schwester wurde inhaftiert und kam in ein Konzentrationslager. Das Marianum, das heutige Zentrum für Bildung und Erziehung, wurde uns weggenommen. Jede Schwester hatte für den Ernstfall Zivilkleidung und einen « Notpfennig » erhalten. Beim Einmarsch der Franzosen nach Ende des Krieges blieb das Kloster nur verschont, weil es einen Tag zuvor einen Schutzbrief der Schweizer Regierung erhalten hatte, den es der Generaloberin zu verdanken hatte.
Wo hat die Schwesterngemeinschaft Besonderes geleistet ?
Sr. Ulrika ist unsere Selige. Sie ist eine sehr unauffällige Selige. Sie hat ihren Dienst in der Küche getan. Menschen um sie herum haben das Gefühl gehabt, dass sie gesehen werden und ihre Würde wieder erhalten. Das ist es, was uns als Gemeinschaft auszeichnet, dass wir einfach da sind. Wenn wir eine Schwesterngemeinschaft ausserhalb auflösen müssen, erleben wir immer einen grossen Schmerz bei den Menschen vor Ort, weil die Schwestern für sie immer ein offenes Ohr und ein offenes Herz hatten. Das ist unsere Besonderheit, nicht etwas Grosses, das wir vollbracht haben.
Wie viele Schwestern gehören heute zur Provinz ?
Wir sind noch 147 Schwestern mit einem Altersdurchschnitt von 81 Jahren. 11 davon leben in drei Gemeinschaften ausserhalb von Hegne. Von den 136 Schwestern in Hegne lebt ein Grossteil im Pflegeheim oder wird von der Sozialstation (Spitex) betreut. Wenn man sich den grossen Provinzbaum anschaut, in dem alle Gemeinschaften vor und nach der Provinzgründung festgehalten wurden, schmerzt dieser Rückgang besonders.
Pater Theodosius prägte den Leitsatz « Was Bedürfnis der Zeit ist, ist der Wille Gottes ». Worin sahen Sie in den letzten 20 Jahren « Bedürfnisse der Zeit » ?
In einer guten Schule. Das Marianum war mit neuen Bildungskonzepten immer schon Vorreiter. So startete 2006 die Realschule mit einem reformpädagogischen Konzept wie Freiarbeit, individueller Betreuung und Coaching von Schülern und Schülerinnen. Auch hier ist wieder der Mensch im Blick.
Dann haben wir aus dem ehemaligen Exerzitienhaus ein Hotel gemacht. Wir haben uns überlegt, dass es Menschen gibt, denen es nicht an Geld, sondern an spiritueller Nahrung fehlt. Diese suchen Orte wie unseren, möchten aber auch den Komfort eines Hotels nicht missen. Die Theodosius Akademie ist eine weitere Antwort auf die Suche von Menschen unterschiedlichen Alters. Immer mehr Menschen entdecken das Pilgern für sich. Sie lieben es, auf dem Weg zu sein und sich in der Schöpfung zu erfahren. Für sie haben wir den Ulrika-Weg eingerichtet.
Wie bewerten Sie aus heutiger Sicht den Neubau des Hotels St. Elisabeth ?
Es ist gut, dass es das Hotel gibt, vor allem auch in der Zusammenarbeit mit der Theodosius Akademie, die für mehrtägige Kurse Übernachtungsplätze braucht. Viele Bildungsangebote wären sonst nicht möglich. Es ist noch ein Schwesternkonvent im Hotel, der Gebetszeiten in der Kapelle anbietet. Wenn die Schwestern durch das Haus laufen, werden sie oft von Gästen angesprochen : « Schwester, kann ich mal mit Ihnen reden ?» Die Menschen wollen explizit eine Schwester als Gesprächspartnerin haben. Solange es die Theodosius Akademie und die Schwestern im Hotel gibt, wird es auch ein besonderes Hotel bleiben.
Was steht für Sie in den kommenden Jahren an ?
Es gibt immer wieder Menschen, die eine Auszeit brauchen, die suchend sind, die nach Formen des Glaubens ausserhalb der herkömmlichen Kirche suchen. Das hören wir immer wieder von Hotelgästen. Wir versuchen, solche neuen Formen zu finden. Ein Angebot heisst « Wortraum ». Es ist eine priesterlose Liturgie, die freier gestaltet ist. Wir haben « Tage im Kloster », an denen Interessierte einen Tag mit uns Schwestern leben können und erfahren, was uns ausmacht. Die « Nischentage » sind ein spirituelles Angebot mit Bibelteilen und gemeinsamen Essen. Mit Blick auf die Zukunft, wo immer weniger Priester zur Verfügung stehen, braucht es noch mehr solcher Formate. Ich glaube, dass es unsere Aufgabe ist, sie zu finden.
Wie könnte das aussehen ?
In Zukunft wird es spirituelle Zentren mit einem Priester geben und Orte, an denen andere Formen von Liturgie angeboten werden. Wir sind beides. Wir sind spirituelles Zentrum – sonntags ist bei uns die Kirche voll –, aber auch ein Raum für die, die sagen : « Bei euch finde ich etwas, was ich sonst nicht finde. » Das sollten in Zukunft nicht nur Tagesangebote sein.
Das heisst, dass Suchende auch bei Ihnen wohnen können ?
Ja, es braucht auch andere Formen von gemeinschaftlichem Leben. Wenn keine jungen Frauen mehr bei uns eintreten wollen, müssen wir etwas verändern. Andere Gemeinschaften, wie zum Beispiel die Kapuziner von Rapperswil, leben das schon vor. In dieser offenen Gemeinschaft können Menschen unbegrenzt oder für eine gewisse Zeit einfach mitleben. Das trifft ein Bedürfnis der Gesellschaft, in der immer mehr Menschen alleine leben. Es liegt aber auch im Interesse unserer Ordensgemeinschaft, die ohne Veränderung immer älter und kleiner wird.
Welche Bedeutung hat die 2018 gegründete Stiftung ?
Früher hatte das Kloster nur einen « grossen Topf », in den alle Einnahmen flossen und dem alle Ausgaben entnommen wurden. Mit der Zunahme an angestellten Mitarbeitenden gab es die Notwendigkeit, die einzelnen Werke voneinander zu trennen, eigene Kostenstellen einzurichten und auf die Wirtschaftlichkeit zu achten. 2018 wurde schliesslich die Stiftung gegründet, in die unsere Betriebe nach und nach überführt werden. Dieser Prozess ist noch im Gange. Ziel ist es, dass das, was Generationen von Schwestern aufgebaut haben, in unserem Sinne weitergehen kann. Die Schwestern sollen vom wirtschaftlichen Management entlastet werden. Es soll an Fachleute übergeben werden.
Damit geben die Schwestern aber auch Gestaltungsmöglichkeiten aus der Hand.
Ja. Erfahrungen aus anderen Klöstern zeigen, dass die Schwestern einerseits erleichtert waren, die Verantwortung abgeben zu können, sich aber andererseits neu finden mussten. Denn nun waren sie nicht mehr die, die zum Beispiel eine Behinderteneinrichtung betrieben haben. Das machte ja dann die Stiftung. Das sehe ich auch auf uns zukommen. Ich würde gern den Prozess des Erschreckens vorwegnehmen und einen Identitätsprozess anstossen : Wer sind wir, wenn wir nicht mehr für Schule, Akademie oder Pflegeheim zuständig sind ? Was macht uns aus ? Wo wollen wir hin ? Wenn wir uns unserer Identität wieder bewusst sind und eine Vision leben, ist es auch wieder möglich, dass junge Frauen bei uns eintreten.
Sie haben vor drei Monaten das Amt der Provinzoberin übernommen. Was ist Ihr ganz persönliches Anliegen ?
Ein grosses Anliegen war mir immer schon das Thema Nachhaltigkeit. Die Bewahrung der Schöpfung gehört ja auch zu unserer franziskanischen Identität, auch wenn wir diese nie vor uns hertragen. Wir Schwestern pflegen einen einfachen Lebensstil, versuchen, Gebrauchsgegenstände gut zu pflegen oder zu reparieren, damit sie bei uns lange Verwendung finden. Wir achten darauf, dass unsere landwirtschaftlichen Flächen an Landwirte verpachtet werden, die Biolandbau betreiben.
Seit Oktober 2021 ist das Kloster Hegne Teil des Projekts « fair.nah.logisch » der Erzdiözese Freiburg. Ein Team schaut, was sich bei uns aus ökologischer Sicht noch verbessern lässt. Unser technischer Leiter ist auch sehr offen dafür. Er achtet darauf, dass bei Neubauten und Sanierungen Photovoltaikanlagen installiert werden. Es wird ausserdem ein Heizkonzept erstellt. Diese Massnahmen sollen dazu beitragen, dass wir bis 2030 eine CO2-neutrale Energieversorgung erreichen.
Interview : Detlef Kissner, 22.1.25
Anlässlich verschiedener Jubiläen laden die Kreuzschwestern unter www.kloster-hegne.de/jubilaeumsjahr zu verschiedenen Veranstaltungen ein – wie zum « Tag des offenen Klosters » am 25. Juli.
Entwicklung des Klosters Hegne
1844 : Pater Theodosius gründet die Kongregation der Schwestern vom heiligen Kreuz.
1855 : In Ingenbohl entwickelt sich ein eigener Zweig dieser Kongregation
1856 : Die Schwestern vom heiligen Kreuz (Menzinger Schwestern) und die Barmherzigen Schwestern vom heiligen Kreuz (Ingenbohler Schwestern) werden zu zwei selbstständigen Instituten erklärt. Gründer sind Pater Theodosius und Schwester Maria Theresia.
1858 : Erste Niederlassung der Kreuzschwestern im Erzbistum Freiburg in der Stadt Freiburg
1892 : Die Kreuzschwestern kaufen das Schloss Hegne. Die ersten Schwestern ziehen dort ein.
1895 : Die Provinz Baden-Württemberg wird gegründet.
1914 : Eröffnung des Schwesternkrankenhauses Maria Hilf
1925 : Eröffnung des Marianums (heute : Realschule, Gymnasium und Erzieher*innenausbildung)
1966 : Eröffnung des Tagungs- und Gästehauses St. Elisabeth
1995 : Eröffnung der Theodosiusstube (Tagestreff für bedürftige Menschen)
2000 : Erweiterung von Maria Hilf und Nutzung als Altenpflegeheim
2006 : Eröffnung des Hotels St. Elisabeth
2018 : Gründung der Stiftung Kloster Hegne
2019 : Gründung der Theodosius Akademie
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