Soziales Engagement aus christlicher Überzeugung

Mehr Gerechtigkeit auf der Welt: Wofür sich die Ökumenische Kampagne seit 50 Jahren einsetzt, beschäftigt immer mehr junge Menschen. Beteiligte erzählen aus ihrer Sicht, wie kirchliches Engagement effektiv wirken kann.

05.03.2019

Tausende Jugendliche und junge Erwachsene zogen Anfang Jahr durch verschiedene Schweizer Städte. So auch in Genf. Sie demonstrierten für den Klimaschutz. Unter ihnen der 20-jährige Frauenfelder Jonas Vetsch. «Gerade in unserer wohlhabenden Gesellschaft ist es wichtig aufzuzeigen, dass unser Handeln weltweite Folgen hat», sagt der junge Theologiestudent.

Nicht an Oberfläche kratzen

Monika Schlaginhaufen hat Respekt vor dem Engagement der Protestierenden. «Es freut mich, dass die Jungen nun auch auf den Zug aufspringen. Schliesslich geht es um ihre Zukunft.» Es dürfe aber nicht beim Aufschrei bleiben, sagt die pensionierte Lehrerin aus Bischofszell. Schlaginhaufen selber setzt sich im Rahmen der Ökumenischen Kampagne, die in diesem Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiert (siehe Anhang), schon seit vielen Jahren für mehr Gerechtigkeit ein. Ihr habe von Anfang an der Ansatz gefallen, nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern am häufig ungerechten politischen System in den armen Ländern etwas ändern zu wollen. So habe sie auch schon selber für ein paar Wochen an einer Schule im Kongo gearbeitet, die durch kirchliche Unterstützung entstand. «Ausbildung trägt dazu bei, dass Menschen selbstständig denken und sich irgendwann gegen eine Diktatur wehren können.»

Kleine Beträge, grosse Wirkung

Auch Jonas Vetsch lässt Taten sprechen. Kürzlich arbeitete er für ein paar Wochen in Myanmar in einem christlichen Hilfsprojekt mit: Ziel sei es, Kindern, die mit einer Hasenscharte auf die Welt kommen, eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Neben der Operation sei dafür auch viel logopädischer Unterricht notwendig. Für beides fehlt der Bevölkerung in Myanmar das Geld. Bei einer Reise durch das Land traf Jonas Vetsch zudem einen burmesischen Christen, der ein Heim für Kinder führt, die keine Eltern haben. Er stellte fest, dass alle auf dem Boden schliefen, weil Matratzen fehlten. Kurzerhand schrieb Vetsch einen Antrag an die Verantwortlichen seiner Kirchgemeinde in Frauenfeld, ob sie eine der kommenden Kollekten spenden möchten, um Matratzen zu kaufen. «Für uns sind es kleine Beträge, die andernorts viel bewirken.» Dieses Bewusstsein möchte er fördern und deshalb sei es wichtig, auch in der Schweiz auf die Strasse zu gehen.

«Müssen dranbleiben»

Dass sich die Kirche in die globalen Probleme einmischt, findet Jonas Vetsch gut. Er wünscht sich aber, dass sie dies auf eine offene und nachhaltige Art tut. «Hinzugehen und zu sagen ‹Gott sagt das, also tut es›, bringt die arme Bevölkerung langfristig nicht weiter.» Die Kirche habe aber die Möglichkeit, den Dialog zu fördern und auch einmal Dinge anzusprechen, die sonst im Alltag keinen Platz haben. Ganz persönlich spüre er eine Verantwortung, die Liebe, die er von Gott erhalte, an die Mitmenschen weiterzugeben. Das Leben soll lebenswert bleiben – auch in Zukunft. Gleichzeitig ist er überzeugt, dass sich in den letzten 50 Jahren einiges zum Positiven entwickelt hat auf der Welt. Er nennt als Beispiel die nukleare Abrüstung. Auch Christof Kaiser machen die positiven Ansätze Mut. Kaiser gehört der katholischen Kirchgemeinde Frauenfeld an und ist Co-Präsident der ökumenischen Arbeitsgruppe. Seit mehr als 25 Jahren organisiert er mit seinem Team jeweils in der Fastenzeit die Suppentage in der Region Frauenfeld, an denen Geld für Menschen in ärmeren Regionen gesammelt wird. Den Einsatz für Schwächere sehe er als Erbe von Jesus. Und er betont: «Auch wenn es gerade von kirchlicher Seite viele positive Projekte gibt, so ist doch noch sehr viel zu tun. Wir müssen dranbleiben.»

Cyrill Rüegger, Kirchenbote Thurgau/Red. (11.3.19)


50 Jahre Ökumenische Kampagne

Die Ökumenische Kampagne in der Fastenzeit entstand aus dem gesellschaftlichen Aufbruch Ende der 1960er-Jahre: Das Zweite Vatikanische Konzil und der Ökumenische Rat der Kirchen forderten dazu auf, dass sich die Kirche stärker in politische Themen einmischt. Die Kampagne war denn auch Ausgangspunkt für viele Initiativen und Labels, so zum Beispiel die Claro-Läden und das Label «Max Havelaar». Seit 50 Jahren prägen die Themen Frieden, Umweltschutz, Menschenrechte, gerechte Geschlechterbeziehungen, faires Wirtschaften und die Suche nach einem neuen, nachhaltigen Lebensstil die Kampagne. Ihr grösster Erfolg war eine Petition, mit der Anfang der 2000er-Jahre 250’000 Unterschriften für einen Schuldenerlass in den ärmsten Ländern gesammelt wurden. 


 

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Jonas Vetsch bei seinem Einsatz in Myanmar

Bild: zVg

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