Den Verstorbenen am Tag der Lichter gedenken
Irmela Pfalzgraf aus Feuerthalen verlor 2014 ihren siebenjährigen Sohn Silvan an Krebs. 2017 starb ihre Mutter, 2019 der Vater. Für die gelernte Hebamme ist Allerheiligen deshalb ein besonderer Tag, an dem sie auf dem Friedhof und durch die vielen Lichter, die dort brennen, auch die Verbundenheit zu anderen Menschen spürt, die ihre Angehörigen verloren haben.
«Ich bin regelmässig auf dem Friedhof. Doch an Allerheiligen denken viele ganz bewusst an die Verstorbenen. Wenn ich an diesem Tag dann abends auf den Friedhof gehe und dieses Meer von brennenden Kerzen auf den Gräbern sehe, ist das eindrücklich. Das hat etwas sehr Verbindendes und gibt mir ein Gefühl der Gemeinschaft, die einen auffängt», erklärt Irmela Pfalzgraf. Daraus ziehe sie als Mutter auch Kraft, denn sonst sei jede*r auf dem Friedhof mehr alleine mit seiner individuellen Trauer.
Doch die Hebamme spürt an Allerheiligen auch ein stärkeres Band zu ihren verstorbenen Liebsten. «Ich denke natürlich viel an sie, nicht nur auf dem Friedhof. Aber es ist schon noch einmal etwas Anderes, wenn man sich mit dem Gang zum Grab diese Zeit bewusst nimmt, eine Blume hinstellt und die Nähe zulässt», sagt sie. Nach einer kurzen Pause fügt sie hinzu: «Für meine Eltern war es damals sehr schlimm, dass ihr Enkel vor ihnen starb. Deshalb wollten sie, auch wenn sie nicht im selben Ort gewohnt haben wie wir, nach ihrem Tod auf demselben Friedhof bestattet sein wie Silvan. Für mich ist das schön, weil sie jetzt zusammen sind und ich sie gemeinsam besuchen kann». Es gebe aber sonst noch ganz viele Orte, die für Irmela Pfalzgraf im Gedenken an ihren Sohn und ihre Eltern von Bedeutung sind. Plätze, die sie mit ihnen zusammen besucht habe und an denen sie Zeit miteinander verbrachten. «Die Friedhofsbesuche verändern sich ja auch mit der Zeit. Anfangs bin ich fast täglich gegangen, weil ich das für mich brauchte. Der Verlust ist so gross und man hat die Gewissheit, dass dort noch etwas von diesem Menschen ist. Es hat mir sehr geholfen, einen Ort zu haben, an den ich gehen kann».
Irmela Pfalzgraf und ihr Mann Wolfgang sind beide in der Regenbogengruppe Schaffhausen, in der monatlich Eltern zusammenkommen, die ein Kind verloren haben. Der Verein Regenbogen, der dahinter steht, organisiert zudem jährlich eine interreligiöse Gedenkfeier für verstorbene Kinder in Schaffhausen, die jeweils am ersten Sonntag im Dezember stattfindet (siehe Kasten). «Wir haben an einer dieser Feiern teilgenommen und konnten uns austauschen. Dadurch ist ein erster Kontakt entstanden. Mein Mann ging dann regelmässig zu den Treffen und übernahm später die Leitung der Gruppe», erklärt Irmela Pfalzgraf. Sie selbst trifft sich mit Mitgliedern der Gruppe am Samstagmorgen in einem Café in Schaffhausen. Das sei ungezwungener, man rede auch dort über die Kinder, aber nicht nur, sondern tausche sich ebenfalls über andere Dinge aus. «Wir haben beide gemerkt, dass wir mit unserem Verlust nicht allein bleiben können und es hilft, dass es dort draussen Menschen gibt, die Ähnliches erlebt haben». Manche der Eltern, die schon vor mehreren Jahrzehnten ein Kind verloren hätten, würden immer noch regelmässig zu den Treffen kommen. Weil, sagt die vierfache Mutter, «Aussenstehende oft das Gefühl haben, die Trauer sei irgendwann vorbei, aber das ist sie nicht. Die Kinder fehlen immer». Am Anfang sei das Umfeld sehr präsent und denke auch an die Todestage, doch das verschwinde immer mehr mit der Zeit. «Viele sind in ihren Alltag eingebunden und vergessen schneller. Betroffene sind von dieser Leere aber stets umgeben. In einer Gruppe mit Gleichgesinnten ist das Verständnis dafür immer da und man kann sich gegenseitig stützen, fällt niemandem zur Last und muss sich dort nicht erklären».
Sarah Stutte, forumKirche, 22.10.21
Gedenkfeier in Schaffhausen
Jeweils am 2. Sonntag im Dezember finden weltweit Gedenkfeiern für verstorbene Kinder statt. Der Verein Regenbogen, eine Selbsthilfegruppe betroffener Eltern, organisiert zusammen mit Vertreter*innen der Kirchen am 12. Dezember um 17 Uhr im St. Johann in Schaffhausen eine interreligiöse Gedenkfeier.
In diesem Jahr möchte die Gedenkfeier Raum geben für all die individuellen, verschiedenen Wege, wie Eltern sich mit ihren verstorbenen Kindern besonders verbunden fühlen. Im Zentrum der Feier steht das Gedenken der Kinder: Für jedes Kind wird eine Kerze angezündet und sein Name in der Gemeinschaft genannt. Alle, die um ein Kind – auch ein erwachsenes Kind – trauern, sind zur Gedenkfeier herzlich eingeladen. Im Vorbereitungsteam sind: Andrea Honegger, Beat Frefel, Claudia Henne, Katharina Kolb und Wolfgang Pfalzgraf.
Red.
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