Eine Diskussion über den Standort des Altars

Im Zusammenhang mit einer geplanten Innenrenovation der Kirche beschäftigte die Kirchgemeinde Weinfelden die Frage, wo der Altar künftig seinen Platz haben soll: im Kirchenschiff bei den Gottesdienstbesucher* innen oder wie bisher erhöht und damit sichtbar im Chorraum. Die Kirchbürger*innen entschieden sich nach einer ausführlichen und fairen Diskussion dafür, den alten Standort beizubehalten.

Konzept «Nähe» oder Konzept «Sichtbarkeit »? Diese Gegenüberstellung hört sich eher nach einer pragmatischen Abwägung an. Dabei ging es bei der Standortfrage des Altars vor allem um liturgische und theologische Überlegungen. Gemeindeleiter Armin Ruf hebt die Vorteile der ersten Variante hervor: «Wenn der Altar im Kirchenschiff steht, kommt in der Eucharistiefeier stärker die Mahlgemeinschaft zum Ausdruck. Der Liturge begegnet den Mitfeiernden auf Augenhöhe.» Ausserdem zeige sich durch den Ortswechsel vom Chorraum (Wortgottesfeier) hinab ins Kirchenschiff (Eucharistie) und wieder zurück zum Chorraum (Segen) deutlicher die liturgische Dynamik. Mathäus Varughese, leitender Priester im Pastoralraum Thurgau Mitte, vertritt hingegen die Auffassung, dass der Altar erhöht im Chorraum stehen soll. In seiner Stellungnahme verweist er darauf, dass in der Eucharistiefeier nicht nur an das Mahl Jesu mit seinen Jüngern erinnert, sondern auch «das Kreuzopfer und Auferstehung Jesu» verwirklicht wird. Dies geschehe an einem «hoch heiligen Ort», eben im Altarraum. 
Neue Möglichkeiten

Der Priester weist darauf hin, dass mit der Verlegung des Altars der Chorraum verwaist wäre, dass dies «praktisch die Abschaffung des Altarraums» bedeuten würde. Armin Ruf sieht darin eher eine Chance: «Der Raum könnte sich weiterentwickeln, wenn er frei ist.» Es hätten sich neue Möglichkeiten für andere Gebetsformen oder Tauffeiern im kleineren Rahmen ergeben können. Oder der Kirchenchor hätte im Gottesdienst dort singen können. Die Frage, ob mit diesen beiden Konzepten auch unterschiedliche Gemeindebilder verbunden seien, verneint der Gemeindeleiter. Es gehe vielmehr um liturgische Überlegungen und darum, wie die Korrespondenz zwischen den liturgischen Akteuren und den Mitfeiernden deutlicher zum Ausdruck gebracht werden könne. Begleitet wurde die Kirchgemeinde bei der Planung der Innenrenovation von zwei Vertretern der Diözesanen Bau- und Kunstkommission. «Im Blick auf den Standort des Altars haben sie keinem der beiden Konzepte den Vorzug gegeben», hebt Armin Ruf hervor.

Votum gegen Veränderung

So lag es allein bei den Kirchbürger*innen, die in einer ausserordentlichen Versammlung am 15. März neben der Finanzierung der Renovation auch über den Standort des Altars zu entscheiden hatten. Armin Ruf erlebte das Ringen um die richtige Entscheidung als emotional, sehr engagiert, aber fair. Als hilfreich schätzt er ein, dass Mathäus Varughese und er zwar engagiert für das jeweilige Konzept warben, aber auch klarmachten, dass jeder von ihnen die andere Form akzeptieren kann. Die Anwesenden stimmten mit 46 zu 65 Stimmen für die Beibehaltung des bisherigen Standortes. Armin Ruf zeigt sich erleichtert darüber, dass es eine deutliche und keine knappe Entscheidung gab, weil damit klare Verhältnisse geschaffen worden seien. Ein kleiner Trost für die Befürworter des Konzeptes «Nähe» dürfte sein, dass die getroffene Entscheidung aufgrund der Beweglichkeit des neuen Altars die Situation nicht für immer festlegt, sondern offen bleibt für weitere Entwicklungen. Zudem ist es möglich, bei passenden Anlässen eine Ausnahme vom gewählten Standort zu machen und den Altar im Kirchenschiff zu platzieren.

Baubeginn im September

Armin Ruf ist mit dem Verlauf der Diskussion zufrieden: «Viele haben sich Gedanken gemacht. Es hat sich ein vertieftes Verständnis für liturgische Fragen entwickelt. Das ist der Hauptgewinn.» Nun nimmt die Baukommission ihre Arbeit auf. Nachdem alle Vorbereitungen abgeschlossen sind, soll am 27. September mit den Renovierungsarbeiten begonnen werden. Diese sollen weniger als ein Jahr dauern. Denn bereits am 11. September 2022 ist die erneute Einweihung mit Bischof Felix geplant.

Detlef Kissner, forumKirche, 29.3.21
 

Visualisierung des Konzeptes «Nähe» mit dem Altar im Kirchenschiff.
Quelle: zVg
Visualisierung des Konzeptes «Nähe» mit dem Altar im Kirchenschiff.

 

 

 

Das Konzept «Sichtbarkeit» sieht vor, den Altar im Chorraum zu belassen.
Quelle: zVg
Das Konzept «Sichtbarkeit» sieht vor, den Altar im Chorraum zu belassen.

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