Bildgewaltiger Film über Franz Jägerstätter
Der US-amerikanische Regisseur Terrence Malick verfilmte im letzten Jahr die Geschichte von Franz Jägerstätter unter dem Titel «Ein verborgenes Leben». Joža Tadić, Mitarbeiter der JUSESO Thurgau, Fachstelle Kinder und Jugend, hat den Film im Kino gesehen und erklärt im Interview, was er aus diesem mitgenommen hat.
Was hat Sie an «Ein verborgenes Leben» fasziniert?
Die langsame Erzählweise. Das ist ein schöner Kontrast zur heutigen Schnelllebigkeit. Der Regisseur hatte den Mut, einen dreistündigen Film zu machen, um darin die Auseinandersetzung Franz Jägerstätters mit seinem Glauben ausführlich erzählen zu können. Gerade deswegen kann man sich sehr gut in die Geschichte einfühlen. Doch auch die wunderschönen Landschaftsaufnahmen haben mich beeindruckt. Das Ländliche und Bäuerliche hat mir gut gefallen, weil dieser tägliche Überlebenskampf – der nochmals verstärkt wird durch den politischen – sehr authentisch dargestellt ist.
Welche Fragen hat die Geschichte für Sieaufgeworfen?
Ob es auch Situationen in unserem Alltag gibt, in denen wir aus Bequemlichkeit den Weg des geringsten Widerstands gehen. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir sehr stark individualistisch unterwegs sind, gibt es trotzdem ganz wenige Stimmen, die auch einmal quer stehen und dort auch stehen bleiben. Wir sind nicht mehr gewohnt, für eine Sache einzustehen, die vielleicht ein wenig unbequem ist oder werden kann. Das fängt schon bei kleinen Dingen an, bei denen wir innerlich spüren, dass sie nicht in Ordnung sind, aber nichts dazu sagen.
Was ziehen Sie aus dem Film für Ihre Auffassung von Christsein?
Dass Christsein manchmal ein wenig weh tun soll, damit man es sich nicht einfach in seinem Glauben bequem macht. Der Film zeigt für mich auf, dass es wichtig ist, was wir – in Anspielung auf den Titel des Films – im Verborgenen tun und denken.
Was kann der Film für eine Botschaft an Jugendliche vermitteln, die noch auf der Suche nach sich selbst und ihrem Glauben sind?
Dass der Glaube eine lebensgestaltende Kraft ist. Nicht etwas, das nebenher läuft, sondern sehr aus der Mitte eines Menschen kommt. Diese Kraft kann einen Menschen tragen und ihm Halt und Orientierung geben, wenn sich um ihn herum vieles immer wieder ändert.
Gleichzeitig bedeutet aber Glauben genauso Zwiespalt und ständiges Hinterfragen und kann, wie im Fall von Franz Jägerstätter, auch tragisch enden...
Deshalb bin ich mir nicht sicher, ob ich den Film mit Jugendlichen schauen würde, weil dieser sie auch beunruhigen kann. Einige haben sich vielleicht mit ihrem Glauben soweit auseinandergesetzt, dass sie das Gesehene verstehen und verarbeiten können. Doch genauso kann diese Geschichte einen ins Straucheln bringen – Jugendliche wie Erwachsene gleichermassen. Denn der Film lässt uns allein zurück mit der Frage, wie wir uns in der Gesellschaft positionieren und führt uns schmerzlich unsere Bequemlichkeit vor Augen.
Franz Jägerstätters Überzeugung gegen alle Widerstände ist löblich, doch wie sinnvoll ist sie, gemessen an dem Leid, das ihm und seiner Familie widerfährt?
Mit dieser Problematik setzt sich der Film insofern auseinander, dass die Priester und Bischöfe ihm raten, sich doch einfach zu fügen, damit wenigstens seine Familie versorgt sei. Doch vielleicht wäre er im Krieg trotzdem ums Leben gekommen und wer hätte sich dann um seine Frau und seine Töchter gekümmert? Jeder muss für sich selbst entscheiden, wie er in einer solchen Situation reagieren würde. Wir wissen, dass er eigentlich das Richtige getan hat und bewundern ihn dafür, weil wir selbst vielleicht nicht in der Lage dazu gewesen wären. Auch seine Frau hat einen grossen Beitrag geleistet. Mich hat das sehr berührt, dass sie seine Entscheidung mitträgt.
Wollen die Kirchenvertreter Jägerstätter wirklich schützen oder handeln sie aus reinem Selbstschutz?
Sowohl als auch. Der Film spielt in einer Zeit des Misstrauens. Man wusste nicht, wer auf welcher Seite war, was einen Austausch mit anderen erschwerte. Die Gunst der Mehrheit, in der man vielleicht vorher stand, konnte demzufolge sehr schnell kippen. Es schien für alle nicht leicht, auszuhalten, plötzlich sozial geächtet zu sein.
Stellt das nicht auch das Bild eines gerechten Gottes in Frage?
Ich denke, Jägerstätter war davon überzeugt, Gott an seiner Seite zu wissen. Daraus zieht er seine Kraft, diesen Weg durchzustehen. Der Glauben hat sein Gewissen sehr stark geformt und seine Religiosität wird im Film als positive Kraft dargestellt. Diese Kraft, die sich rational nicht erklären lässt, hat ihn durch seine Entscheidung getragen.
Wie zeigt sich diese Form des Widerstands heute?
Für mich zeigt sie sich in den stillen Dingen. Darin, wie wir uns im Umgang mit anderen verhalten. Wenn beispielsweise jemand in einer Gruppe ausgelacht wird, kann man selbst entweder mitlachen oder man kann Partei für denjenigen ergreifen. Jeder kann versuchen, das Negative im Alltag mit kleinen Gesten zu durchbrechen. Der Film veranschaulicht gut, dass die stillen Proteste vielleicht viel nachhaltiger prägen als die grossen Bewegungen, die schnell wieder verpuffen können.
Interview: Sarah Stutte (12.05.20)
Der Film von Terrence Malick (mit Bruno Ganz in seiner letzten Rolle), gewann am letztjährigen Cannes Filmfestival den Preis der ökumenischen Jury. Er wird ab 3. Juli als DVD und Blu-ray erhältlich sein.
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