Hilfe dankbar annehmen

Dankbarkeit hat viele Facetten, neben wunderbaren auch einige schwierige, weiss Dr. Burkhard Genser. Der pensio­nierte Diplom-Psychologe arbeitete fast 30 Jahre in einer psychiatrischen Klinik und macht im Interview eine Auslegeordnung zum Thema. 

Burkhard Genser, wofür sind Sie selbst dankbar ?
Ich bin für vieles dank­bar . Ich musste nie hungern. Ich bin mit Eltern und Geschwistern in geordneten Verhältnissen aufgewachsen. Mein Studium haben die Eltern und mein Bruder bezahlt. Im Beruf erlebte ich eine meist positive Zusammenarbeit. Nun habe ich eine ausreichende Rente, und wir leben im eigenen Haus.

Wie definieren Sie Dankbarkeit ?
Dankbarkeit bedeutet, dass wir anerken­nen, dass viele Menschen uns wahr­nehmen und unterstützen. Wir werden in Not­lagen nicht allein gelassen und bekom­men Hilfe. Andere leisten etwas für uns.

Wofür sollte man Ihrer Meinung nach dankbar sein ?
Wenn man um Hilfe bittet und sie erhält, sollte man dankbar sein und es auch zeigen. Das wird erwartet, besonders, wenn die Helfenden über ihre Verpflichtungen hinausgehen, etwa nach Hilfe bei Verletzun­gen oder bei Bedürftigkeit. Danken sollten wir auch Pflegenden, Ärzten, Handwerkerin­nen, Behörden und den Mitarbeitenden im Betrieb ; zudem natürlich den uns Nahe­stehenden, die für uns sorgen, sowie denen, die unsere Nahrung und Kleidung herstellen und die Infrastruktur am Laufen halten. Dankbar sind wir für unser Dasein und das Gelingen im Leben, für unsere Gesundheit. Glaubende richten ihre Dankbarkeit auch an Gott. Dankbar sind wir zudem für das berührende Erleben von Natur, Kunst und Kultur.

Was bewirkt Dankbarkeit bei uns selbst ?
Wir erkennen, dass wir von anderen Menschen, der Natur, Institutionen und auch von Gott abhängig sind und Hilfe erhalten. Dies macht zufrieden – und es fördert die Beziehung zu den Gebenden ! Sind wir einer Person dankbar, kann man deren Seiten, die wir als schwierig empfinden, eher hinnehmen. 

Wie verändert Dankbarkeit Beziehungen ?
Der Empfangende sollte klar zum Ausdruck bringen, dass er oder sie Hilfe braucht, und dann den Dank aussprechen und aktiv zeigen. Damit wird die Beziehung gestärkt, die gebende Person wird gern wieder helfen. Ist die Hilfe eine Einbahnstrasse, wird die Beziehung belastet und manchmal auch abgebrochen ; der oder die Gebende fühlte sich nicht wahrgenommen. Im Alltag wird ein gewisser Ausgleich zwischen Empfangen und Geben erwartet. Dies hebt auch die Stimmung . Dankbarkeit lässt sich aber nicht einfordern – Hilfe sollte frei gegeben werden. Sätze wie : « Ich habe so viel für dich getan, jetzt musst du aber … »,  machen den Empfänger klein und erscheinen als Erpressung. Eltern sollten im Alter nicht die Hilfe der Kinder einfordern mit dem Argument, sie hätten sie gross­gezogen . Es ist wichtig zu fragen, welche Hilfe wann erwünscht ist, und einem Gegenüber nicht die eigenen Vorstellungen aufzuzwingen. Vielleicht empfinden andere unsere Hilfe nicht als hilfreich und sind dann dafür auch nicht dankbar. Wer in grosser Not gefangen ist, kann oft seine Dankbarkeit nicht zeitnah ausdrücken. Manch­mal erkennt man auch erst sehr viel später, dass ein Ereignis hilfreich war. Die Forderung, man müsse Gott für alles dankbar sein, ist eine Über­forderung. Die Psalmen enthalten sowohl viele Klagen als auch viele Dankäusserungen.

Manchen Menschen fällt es schwer, Dankbarkeit anzunehmen.
Es ist entscheidend, dass die Helfenden hören, dass ihre Hilfe wahrgenommen wird. Es ist angezeigt, seinen Dank aus­zusprechen und eine eventuelle Abwehr zu übergehen.

Kann man Dankbarkeit üben ?
Ja, man kann sie mobilisieren – etwa mit einem Tagebuch, in das man jeden Abend die erhaltenen Zuwendungen einträgt, oder mit einem Dankesbrief. Auch in Gebeten und Liedern – z. B. « Nun danket alle Gott », die sich im Kirchengesangbuch finden, kann man Dank ausdrücken. Wir leben hier in privilegierten Verhältnissen ; es ist gut, sich dies immer wieder vor Augen zu halten. Viele Menschen arbeiten, damit unser Alltag gut funktioniert. Sogenannte Abwärtsvergleiche helfen uns, Dankbarkeit zu empfinden.

In welcher Form ist Erinnern hilfreich ?
Dankbarkeit gründet auf Erinnerungen. Die Erinnerungen an das, was alles im eigenen Leben gelungen ist, sind ein innerer Reichtum, den es zu pflegen gilt. 

Interview: Christiane Faschon, 25.3.25

Dr. Burkhard Genser
Quelle: Christiane Faschon
Dr. Burkhard Genser ist Diplom-Psychologe und wohnt in Altnau. Er ist verheiratet, hat vier erwachsene Kinder und zwei Enkelkinder.

 

 

Dankbarkeit
Quelle: Wikimedia Commons
Dankbarkeit kann sich auch in einem Gebet zeigen .

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