Die erste Christin auf dem Kaiserthron
Frauen wurden lange in der Geschichtsschreibung «vergessen». Keine moderne Medizin ohne Marie Curie, keine Atomforschung ohne Luise Meitner. Auch in der Geschichte des Christentums gibt es «übersehene Frauen». Dazu zählt die «Augusta» (Kaiserin) Valeria, die einzige Tochter von Kaiser Diokletian, der durch die Brutalität, mit der die Christen verfolgt wurden, traurige Berühmtheit erlangte.
«In diesem Zeichen wirst du siegen.» Mit der schönen Erzählung vom Traum des (zukünftigen) Kaisers Konstantin beginnt die Geschichte vom Aufstieg des Christentums. Am Vorabend der entscheidenden Schlacht in Rom erscheint dem künftigen Kaiser im Traum Christus mit der Botschaft, dass er im Zeichen des Kreuzes siegen werde. Anderntags gelingt Konstantin der Sieg. Als Kaiser garantiert Konstantin zunächst Religionsfreiheit für alle, und je länger er an der Macht ist, umso stärker privilegiert er die christliche Religion.
Doch bereits Konstantins Vorgänger Galerius hatte im Jahr 311, bereits todkrank, dem Christentum den Status einer «erlaubten Religion» zuerkannt. Dies umso überraschender, als es noch kurz zuvor unter Kaiser Diokletian (284-305) zur grausamsten Phase der Christenverfolgung gekommen war. Nach jahrzehntelangem Bürgerkrieg etablierte Diokletian ein «Vier-Kaiser-System», in dem die Macht verteilt war. Das neue System schaffte Stabilität und Sicherheit. Doch zur Abstützung ihrer Macht inszenierten sich die neuen Kaiser als Schützlinge der alten Götter und Helden wie Jupiter und Herkules. Damit aber wurden die Opfer für diese Götter zur Staatspflicht. Weil sich die Christen aber diesen Opfern verweigerten, wurden sie aufs Grausamste verfolgt und ermordet.
So mag es wie eine Ironie der Geschichte erscheinen, dass gerade Diokletians einzige Tochter dem Christentum eine besondere Zuwendung entgegenbrachte. Sie heiratete Diokletians Mitkaiser Galerius und stand vermutlich hinter dessen überraschender Erlaubnis der christlichen Religion. Dass sie grossen Einfluss auf den Kaiser hatte, dürfte unbestritten sein, er verlieh ihr den Titel einer «Augusta», einer Kaiserin, und stellte seine Frau de facto sich selbst gleich. Auch die Münzen mit ihrem Antlitz machen ihre herausragende Position klar: Weit aufgerissene Augen und die strenge Haartracht mit Schmuckreifen zeigen eine göttergleiche Kaiserin. Ihr Ende ist allerdings mehr als traurig. Nach dem Tode ihres Mannes musste sie in die Verbannung gehen und sich verstecken. Der christliche Geschichtsschreiber Laktanz schreibt voller Mitgefühl über ihr gewaltsames Ende: «Auch Valeria wurde zuletzt in Thessaloniki erkannt und samt der Mutter ergriffen. Die beiden Frauen wurden vor zahlloser Zuschauerschaft unter ungeheurem Mitleid über einen so gewaltigen Sturz zur Hinrichtung geführt. Es wurde ihnen das Haupt abgeschlagen und ihre Leiber ins Meer geworfen.»
Klaus Gasperi, forumKirche, 27.02.2024
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