Wie die Spenden in Zeiten von Corona flossen

Die Kirchen in der Schweiz engagieren sich in vielfältiger Weise für Menschen in Not. Diese Hilfe wird vor allem durch Kollekten in Gottesdiensten, Sammelaktionen und Einzelspenden ermöglicht. Wie haben sich diese Finanzierungsquellen während der Pandemie und ihrer Einschränkungen entwickelt? Können die Hilfen aufrechterhalten werden? forumKirche fragte bei der Pfarrei Weinfelden und verschiedenen katholischen Hilfswerken nach.

Von Mitte März bis Ende Mai wurden Gemeindegottesdienste in den Kirchen untersagt, danach konnten sie nur mit einer eingeschränkten Zahl an Gläubigen gefeiert werden. Diese Massnahmen dürften auch die sonntäglichen Kollekten geschmälert haben, mit deren Erträgen soziale Hilfen und Projekte finanziert werden – sollte man meinen. Die Pfarrei Weinfelden scheint davon nur in einem geringen Masse betroffen zu sein. «Die Kollekteneinnahmen sind im Vergleich zum Vorjahr nur moderat zurückgegangen », sagt Gemeindeleiter Armin Ruf, «dafür sind aber die Spenden in der Antoniuskasse und das Kerzengeld gestiegen.» Ausserdem haben sich die Vereine der Pfarrei wie die Katholische Arbeiterbewegung (KAB), Kolping oder der Vinzenzverein sehr grosszügig gezeigt, wenn es darum ging, Not zu lindern. Am deutlichsten schrumpfte die Kollekte für Fastenopfer, nämlich um ein Drittel. Dafür nahmen aber die privaten Spenden aus dem Pfarreigebiet deutlich zu, was dem Hilfswerk unter dem Strich ein Plus von etwa 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr einbrachte. Dass die Pfarrei Weinfelden hier eine positive Ausnahme darstellt, zeigt der Einblick in die Entwicklungen bei Fastenopfer.

Einbussen trotz grosser Solidarität

Fastenzeit ohne Ökumenische Kampagne ist kaum denkbar. Sie prägt mit ihren Aktionen vielerorts das Pfarreileben und endet mit der Kollekte des Fastenopfer-Säcklis in der Karwoche. Doch dieses Jahr kam es anders: Am dritten Fastensonntag fuhr der Lockdown dazwischen. «Die Suppentage, grosse Sammelaktionen und die Rosenaktion mussten überall abgesagt werden» berichtet Matthias Dörnenburg, Leiter Bereich Kommunikation von Fastenopfer. Die Rosen, die schon unterwegs waren, wurden verschenkt – gut für die PR, aber schlecht für den Ertrag.
Die Pfarreien riefen daraufhin ihre Gläubigen auf, per Einzahlung zu spenden. «Wir haben grosse Solidarität erlebt. Das hat uns sehr gefreut», sagt Dörnenburg. Aber das Spendenergebnis der Vorjahre konnte damit nicht erreicht werden. Man produzierte noch einen Kurzfilm mit dem Kampagnengast, der im Internet etwa 1200 Mal angeschaut wurde. Der konnte jedoch die unmittelbare Kommunikation vor Ort, mit der Projekte vorgestellt und Emotionen angesprochen werden können, nicht ersetzen. Auch zusätzliche Solidaritätsbeiträge einzelner Kirchgemeinden stopften das entstandene Loch nicht. «Bis Ende Jahr werden bei den Pfarreikollekten gegenüber dem Budget etwa zwei Millionen Franken fehlen», schätzt Dörnenburg. 

Ausgaben angepasst 

Trotz dieses Einbruchs möchte Fastenopfer im Moment alle laufenden Entwicklungsprogramme aufrechterhalten. Zum einen greift das Hilfswerk behutsam auf Reserven zurück, zum anderen hat es Mitte des Jahres die budgetierten Ausgaben bei Projekten und Kommunikationsmassnahmen um ca. eine Million Franken reduziert. Spenden sind allerdings nur ein Standbein bei der Finanzierung der Programme von Fastenopfer. Ebenso wichtig sind die Bei - träge der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA). Neu ist dabei die enge Zusammenarbeit in einer Allianz verschiedener Organisationen mit dem Schwerpunkt «Recht auf Nahrung». Das Hilfswerk rechnet fest mit diesen Mitteln, deren offizielle Bewilligung steht allerdings noch aus. Ausserdem versucht Fastenopfer, sich neue Quellen zu erschliessen. Zum einen möchte es sich die eigene Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit z. B. zu den Themen «Klimawandel» und «nachhaltiger Lebensstil» durch Sponsoren finanzieren lassen. Zum anderen sollen die bestehenden Fundraising-Instrumente überprüft und optimiert werden.

Ausbau der Webseite

Da die Pandemie mit ihren Folgen noch nicht ausgestanden ist, machen sich die Verantwortlichen von Fastenopfer schon Gedanken zur nächsten Ökumenischen Kampagne. «Es geht darum, wie wir Menschen auf anderen Wegen erreichen können als über das traditionelle Fasten-Säckli», sagt Matthias Dörnenburg, «Wir werden eine Austauschplattform für gute Ideen auf der Website einführen und generell zusätzliche digitale Möglichkeiten anbieten.» Auch wenn die Pandemie das Hilfswerk dieses Jahr sehr herausgefordert hat, kann Matthias Dörnenburg auch Lichtblicke entdecken: «Die von uns in den Projektländern aufgebauten Solidaritätsgruppen haben sehr gut funktioniert. Sie haben verhindert, dass viele Menschen, die durch die Corona-Einschränkungen ihren Lebensunterhalt verloren hatten, noch tiefer in die Armut abgerutscht sind.» Er hofft, dass Fastenopfer seine Programme in vollem Umfang fortsetzen kann und dafür von vielen engagierten Pfarreien und deren Mitgliedern Unterstützung erfährt – gerade jetzt in der Adventszeit.

Sternsinger zeigen sich kreativ

Die jährliche Sternsingeraktion ist wohl das bekannteste Projekt von Missio, dem internationalen Missionswerk. In der Schweiz gewann diese Aktion zunehmend an Bedeutung, was sich auch in den stetig steigenden Sammelergebnissen zeigte. Die Mädchen und Jungen, die als Sternsinger von Haus zu Haus zogen, sammelten 2020 die Rekordsumme von 1,65 Mio. Franken, die 40 Kinderprojekten im Libanon und weiteren in der ganzen Welt zugutekommt. Für Martin Brunner-Artho, Direktor von Missio Schweiz, zählt allerdings nicht nur das finanzielle Ergebnis: «Wichtig ist auch, dass sich da Kinder und Jugendliche für Gleichaltrige engagieren und mit ihren Besuchen vielen Menschen eine Freude bereiten.» Im Blick auf die Sternsingeraktion im kommenden Januar wagt er keine Prognose. Man sei mit den Verantwortlichen vor Ort über Telefon und Zoom-Konferenzen in Kontakt und habe viele Ideen zusammengetragen, wie man die Aktion unter Einhaltung aller Schutzmassnahmen dennoch durchführen könne, z. B. indem man die Lieder über eine Musikbox abspielt oder nur Gedichte aufsagt, indem man kleinere Gruppen mit Kindern aus einer Klasse oder einer Familie zusammenstellt. Er hofft, dass die Aktion trotz Einschränkungen an vielen Orten stattfindet: «Jetzt ist gerade Solidarität gefragt.» Ausserdem würde das die Weiterführung dieser Tradition im nächsten Jahr erheblich erleichtern.

Mehr Online-Spenden

Etwa 55 Prozent der Spenden für Missio kommen aus Kollekten, die in den Schweizer Pfarreien durchgeführt werden. Eine wichtige Kollekte im Kirchenjahr ist die im Oktober, dem Monat der Weltmission. Aufgrund der limitierten Zahl an Gottesdienstbesucher* innen wird sie dieses Mal das Niveau der Vorjahre nicht erreichen. «Erste Zahlen lassen vermuten, dass das Ergebnis um etwa 25 Prozent geringer ausfällt als sonst», sagt Martin Brunner. Der Rücklauf auf Sammelbriefe sei hingegen nahezu unverändert gewesen. Die Spendenmöglichkeit über die Webseite sei seit dem Frühjahr sogar deutlich mehr genutzt worden als bisher.

Mehr Mittel für In- und Ausland

Für Caritas Schweiz war es ein gutes Spendenjahr. «Es zeichnet sich ab, dass das Ergebnis höher ausfällt als im Vorjahr», sagt Stefan Gribi, Leiter der Abteilung Kommunikation. Es seien sowohl für nationale als auch internationale Projekte mehr Zuwendungen eingegangen als sonst. Diese wurden vor allem für Menschen gegeben, die von der Corona-Krise besonders betroffen sind, sowie für Notleidende im Bürgerkriegsland Syrien oder die Bewohner*innen von Beirut nach der grossen Bombenexplosion im August. Ursache für die höhere Freigiebigkeit könnten nach Stefan Gribi die momentane Pandemie und ihre Folgen sein: «Krisen schärfen das Bewusstsein dafür, dass es andere Menschen gibt, denen es wesentlich schlechter geht. Das erhöht auch die grundsätzliche Bereitschaft, sich mit Spenden zu engagieren, selbst dann, wenn die wirtschaftlichen Perspektiven ungewiss sind.»
Rückläufig waren die Mittel aus den Kollekten der Pfarreien. Diese machen allerdings nur etwa 5 bis 10 Prozent des gesamten Spendenaufkommens von Caritas Schweiz aus. Im Gegenzug konnten mehr Spenden über die Webseite der Caritas verzeichnet werden.

Grosse Solidarität

Auch auf regionaler Ebene konnte eine grosse Hilfsbereitschaft festgestellt werden. Caritas Thurgau erhielt von Bäckereien, Supermärkten und den Tafelorganisationen Lebensmittel, die sie von April bis Juli an Bedürftige weitergeben konnten (forumKirche berichtete darüber in Heft 11/20). Für unbürokratische, finanzielle Soforthilfen in der Corona-Zeit standen Mittel der Glückskette, welche über die Caritas Schweiz verteilt wurden, Spenden von Kirchgemeinden und von Einzelpersonen zur Verfügung. Ausserdem konnten über Caritas St. Gallen Gesuche beim Verein Ostschweizer helfen Ostschweizern eingereicht werden. «Damit konnten wir Menschen helfen, die durch die Einschränkungen in eine Notlage gekommen waren oder deren Armut sich dadurch noch verschärft hat», sagt Judith Meier Inhelder, Leiterin der Caritas Thurgau. Von den Corona-Spenden seien nun mehr als die Hälfte ausgegeben worden, der Rest werde in den nächsten Monaten sicherlich noch benötigt.
Darüber hinaus kann Caritas Thurgau nach dem dritten Quartal auch einen Zuwachs bei den Einzelspenden ohne Zweckbindung (etwa plus 20 Prozent) und bei den Kollektengeldern aus den Thurgauer Pfarreien (etwa plus 30 Prozent) im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verzeichnen. Judith Meier freut sich, dass sie durch diese grosse Solidarität Möglichkeiten bekommt, Menschen in unterschiedlichen Notlagen zu unterstützen.

Detlef Kissner, forumKirche, 1.12.20
 

Die von Fastenopfer initiierten Solidaritätsgruppen in Senegal unterstützen Menschen mit Seife und Javelwasser.
Quelle: © Fastenopfer
Die von Fastenopfer initiierten Solidaritätsgruppen in Senegal unterstützen Menschen mit Seife und Javelwasser.

 

 

 

 

Nach der grossen Explosion in Beirut unterstützt Caritas Menschen dabei, ihre Unterkünfte vor dem Wintereinbruch zu reparieren.
Quelle: © Carmen Yahchouchi/Fairpicture/Caritas
Nach der grossen Explosion in Beirut unterstützt Caritas Menschen dabei, ihre Unterkünfte vor dem Wintereinbruch zu reparieren.

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