Gespräch mit einem Pfarrer und Imker
Am 20. Mai ist Weltbienentag. Darüber freut sich der evangelische Pfarrer und Kirchenrat Lukas Weinhold aus Wängi. Er ist schon seit seiner Kindheit begeistert und fasziniert von den fleissigen Honigproduzentinnen und hat seine Völker immer an seine Pfarrstellen mitgenommen. Was wir von den Bienen lernen können und wo er theologische Anknüpfungspunkte zu ihnen erkennt, verrät er im Interview.
Wie sind Sie auf die Biene gekommen?
Ich bin in einer Familie mit sechs Geschwistern aufgewachsen. Jedes von uns Kindern hatte ein anderes Hobby. Wir wohnten am Stadtrand von St. Gallen in einem Haus mit grossem Garten und unser Nachbar war Imker. Meine ältere Schwester hat von diesem einen Bienenschwarm bekommen, weil sie sich dafür interessiert hat. Mein Vater kaufte daraufhin Bienenkästen und baute ein kleines Bienenhaus. Das war der Anfang der Imkerei bei uns. Dann zog meine Schwester aus und die Bienen blieben da. Daraufhin habe ich ihr Hobby übernommen und es hat mich nicht mehr losgelassen.
Was fasziniert Sie an den Tieren?
Dass der Organismus Bienenvolk überhaupt existiert. Das ist ein unglaublich komplexes System. Eine einzelne Biene wäre verloren. Die Tiere müssen sich als Massenstaat organisieren. Wespen oder Hornissen überwintern, indem sich ihre Königin zurückzieht und im Frühling anfängt, langsam einen Staat aufzubauen. Bienen überwintern mit 5'000-10'000 anderen Artgenossen und wärmen sich gegenseitig. Im Frühling haben sie schon – wie die Ameisen – eine gewisse Volksstärke, deshalb sind sie für die Bestäubung von Bedeutung. Mich fasziniert das Zusammenleben in diesem Staat und die Kommunikation zwischen den Bienen, die so funktioniert, dass jede einzelne Biene instinktiv durch Hormone oder Duftstoffe weiss, was sie zu tun hat. Auch die Metamorphose von einer Made zur fertigen Biene mit Flügeln ist unglaublich. Die Natur und die Bienen sind so gut aufeinander abgestimmt. Ich staune jedes Mal aufs Neue darüber. Ausserdem gibt es noch so viele Rätsel über Bienen, die nur darauf warten, entschlüsselt zu werden.
Welche Erfahrungen haben Sie mit der Bienenzucht gemacht? Worauf kommt es dort an?
Die moderne Imkerei besteht seit Anfang des 19. Jahrhunderts. Der deutsche Zoologe Ludwig A. Armbruster brachte 1919 ein bahnbrechendes wissenschaftliches Buch über Bienen heraus. Es behandelte die genetische Vererbung bei Honigbienen und deren praktische Anwendung in der Bienenzucht. Armbruster war ein katholischer Priester. Unter diesen gab es immer hervorragende Imker. Bienen sind sehr anfällig auf Inzuchtschäden. Der englische Benediktinermönch Bruder Adam aus dem Kloster Buckfast kreuzte in den 30er-Jahren italienische und englische Bienenrassen. Er hatte beobachtet, dass die Nachkommen dieser Züchtung eine Ansteckung durch die Tracheen-Milbe überlebten. Daraus entstand seine Buckfastbiene. Eines der wichtigsten Ziele in der Bienenzucht ist heute, dass man naturgemäss und robust-bienengesund züchtet. Das ist bei allen Bienenrassen möglich.
Sind Sie schon einmal gestochen worden?
Ich werde immer wieder gestochen. Meistens trage ich einen Schlupf-Schleier. Nach dem Schweizer Arzt Paracelsus bestimmt die Menge das Gift. Mir macht das nichts, ich bin immun. Aber ich will die Zahl der Stiche nicht unnötig in die Höhe treiben. Bienen stechen nur, wenn sie sich bedroht fühlen. Sie verteidigen ihre Jungen und ihre Honig-Vorräte. Auch bei Gewitter sollte man sich einem Stock nicht unbedingt nähern. Doch es ist immer noch eine Frage der Zucht, ob ein Volk aggressiv oder sanftmütig ist.
Was können wir von den Bienen lernen?
Sehr viel. Gott hat uns zwei Bücher geschenkt: die Heilige Schrift und die Natur. Beide sind wichtig, denn beide führen uns zu Gott. Sie bestärken uns in unserem Glauben und helfen uns, dass Gottes Kraft unter uns wirksam ist. In einer Bienen-Gemeinschaft gibt es so viele verschiedene Dienste. Die Königin legt im Frühling bis zu 2'000 Eier am Tag. Das übersteigt ihr eigenes Körpergewicht. Es gibt Putzbienen, die Brutzellen reinigen, Ammenbienen, die Junge füttern, und es gibt den Waben-Bautrupp. Daneben bewachen Wächterbienen den Stock und die Sammlerinnen bringen Pollen und Nektar oder Wasser zur Klimatisierung. Eine Biene ist durch und durch sozial und aufopferungsvoll. Wenn sie sticht, riskiert sie ihr Leben. Häufig kann sie den Stachel, der noch feine Widerhaken hat, nicht mehr aus der menschlichen Haut ziehen, was letztendlich ihren Hinterleib schwer verletzt.
Was haben Sie durch die Bienen mitgenommen in Bezug auf Ihren Glauben und unter dem Schöpfungsaspekt?
Bienen erinnern mich an ein Gleichnis im Römerbrief (Röm 12, 4-5). Dort vergleicht Paulus die christliche Gemeinschaft mit einem menschlichen Körper. So wie bei Paulus jeder Körperteil seine wichtige Aufgabe hat, ist auch jedes Gemeindeglied wichtig und auch jede Biene. Es braucht alle, um zu überleben. Wir Menschen sind im Vergleich zur Natur bescheidene Kreationen. Das löst in mir Ehrfurcht vor etwas viel Grösserem aus, das ich nicht durchschauen kann. Die Biene ist für mich deshalb ein wertvolles Mitgeschöpf, dem ich mit Respekt begegne.
Inwiefern fliesst Ihr Wissen über Bienen in Ihre tägliche seelsorgerliche Arbeit mit ein?
Das ist häufig ein Thema. Für mich bedeutet die Beschäftigung mit den Bienen Erholung und Entspannung, ich bin dann gleich in einer anderen Welt. Oft funktioniert das auch als Brücke. So komme ich über die Bienen auch ins Gespräch mit Menschen, die vielleicht nicht direkt mit der Kirche in Kontakt stehen.
Haben Sie schon die Bienen als Motiv in Ihren Predigten aufgenommen?
Ja, schon zweimal anlässlich von Erntedank-Gottesdiensten. Das kam sehr gut an. Dazu habe ich Imker*innen aus der Region eingeladen und diese zu ihrer Arbeit befragt. Aus Amriswil war Johanna Seiterle da, eine der besten Imkerinnen im Thurgau. Ich selbst bin nicht so ein guter Imker. (lacht)
Wie geht es den einheimischen Bienen? Wie wirken sich der Klimawandel oder invasive, aggressive Arten auf das Bienensterben aus?
Momentan ist die Varroa-Milbe die grösste Bedrohung. Sie ist aus dem asiatischen Raum eingewandert, befällt die Bienen-Brut und schleppt zudem Viren und Bakterien in den Bienenstock ein. Imker behandeln ihre Stöcke deshalb beispielsweise mit Oxalsäure, die sie tröpfeln oder verdampfen lassen. Den Bienen geschieht dadurch praktisch nichts, aber für die Milben ist das hochgiftig. Der Klimawandel wirkt sich dagegen eher positiv auf die Bienenvölker aus, weil diese Wärme mögen. Generell ist deren Anpassungsfähigkeit sehr gross.
Denken Sie, uns ist genug bewusst, wie wichtig die Bienen für unser aller Leben sind?
Ich habe allgemein den Eindruck, dass das Interesse sowohl an Honig- wie auch an Wildbienen in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Jahrelang erwies sich die Suche nach neuen Mitgliedern für die Vereine als schwierig. Nun finden sie viel eher Nachwuchs. In vielen Grünflächen von Häusern und Wohnanlagen werden jetzt Bienenwohnungen aufgestellt und es wird vermehrt auf pflanzliche Vielfalt geachtet, damit genügend Bienenweiden vorhanden sind. Überhaupt sind wilde Gärten und Nisthilfen gut für Wildbienen. Das Bewusstsein in der Bevölkerung ist gewachsen, dass der Rückgang der Insekten einen grossen Verlust für die Diversität unserer Natur bedeutet.
Interview: Sarah Stutte, forumKirche, 12.05.2022
Bienen und Kirche
Honig und Bienen werden in der Bibel an mehreren Stellen erwähnt. Im Alten Testament etwa heisst es: «Die Rechte des Herrn sind wahrhaftig, allesamt gerecht, sie sind köstlicher denn Gold; sie sind süsser denn Honig und Honigseim» (Ps 19,10f). Im Buch Jesus Sirach steht: «Du sollst niemand rühmen um seines grossen Ansehens willen, noch jemand verachten um seines geringen Ansehens willen. Denn die Biene ist ein kleines Vögelein und gibt doch die allerbeste Frucht (Sir, 11,3). Auch in Kirchenliedern wie «Geh' aus mein Herz und suche Freud» von Paul Gerhardt finden die Bienen Erwähnung. Zudem gibt es zwei Bienen-Heilige in der katholischen Kirche. Eine Legende sagt Ambrosius von Mailand nach, dass ihm ein Bienenschwarm über seiner Kinderwiege Honig in den Mund geträufelt hätte. Häufig wird er mit einem Bienenkorb dargestellt, der Fleiss und Gelehrsamkeit symbolisiert. Er gilt als Patron der Imker*innen. Genauso wie der Zisterzienser-Mönch Bernhard von Clairveaux, der aufgrund seiner Redegabe auch «honigfliessender Gelehrter» genannt wurde. (sas)
Wildbienenprojekt Ermatingen
Die Naturanlagen rund um das katholische Pfarrhaus in Ermatingen bieten viel Raum für Wildbienen. Einerseits durch die langjährige Blumenwiese, die nur einmal im Jahr gemäht wird und mit einem hohen Anteil an Wiesensalbei eine gute Nahrungsquelle für die Insekten ist. Andererseits wurde im Zuge einer Terrainanpassung durch die Erstellung neuer Parkplätze durch ein Sandarium Wohnraum für Sandbienen geschaffen. Daneben wird ein neues Wildbienen- und Insektenhotel erstellt. Rundherum wurden spezielle Wildblumen angepflanzt, damit sich hier auch seltenere Bienenarten ansiedeln können. (sas)
Lukas Weinhold hat mehrere Bienenstöcke im Garten des Pfarreihauses.
Hier zeigt der evangelische Pfarrer und Kirchenrat ein Jungvolk.
Die Bienen bei der Arbeit.
Ein Bienenvolk erreicht je nach Bienenrasse und Bienenbeute eine Grösse von ca. 70'000 Bienen.
Lukas Weinhold untersucht die einzelnen Waben.
Vorsichtig "versorgt" der Pfarrer und Imker seine Bienen wieder im Stock.
Die Redaktorin wurde für den Blick in die Stöcke gut eingepackt.
Lukas Weinhold mit dem Smoker. Der Rauch veranlasst die Bienen, so viel Honigproviant in ihrem Magen aufzunehmen wie nur irgendwie möglich. Den entspannten Zustand von satten Bienen macht der Imker sich zunutze, um in aller Ruhe die Völker durchzusehen.
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