Sternmarsch mit Blick auf die Behindertenrechtskonvention
Am 15. September findet in Weinfelden ein Sternmarsch statt, der zum Ziel hat, die Behindertenrechtskonvention (BRK) der UNO bekannter und auf die Ressourcen von Menschen mit Beeinträchtigung aufmerksam zu machen. Er wird von INSOS Thurgau, dem Branchenverband der Dienstleister für Menschen mit Behinderung, veranstaltet.
«Die BRK hat fundamentale Auswirkung auf alle Menschen mit Unterstützungsbedarf», sagt Thomas Schweiker. Er ist Gesamtleiter von andante Steckborn und mitverantwortlich für die Organisation des Sternmarsches. In der Schweiz habe sich nach der Ratifizierung der BRK im Jahr 2014 einiges geändert. Menschen mit Beeinträchtigung würden mehr wahrgenommen. In den Gemeinden gebe es vermehrt Beauftragte, die Abläufe aus der Perspektive der Betroffenen beurteilen und deren Anliegen vertreten würden. Als grossen Fortschritt wertet Schweiker das Selbstbestimmungsgesetz im Kanton Zürich. Für ihn stellt der Kanton Zürich in der Schweiz eine Art Vorreiter dar.
Dennoch sieht er weiterhin grossen Nachholbedarf. «Die BRK deckt viele Lebensbereiche ab, in denen noch Anpassungen vorgenommen werden müssten», sagt Thomas Schweiker. Als Fachperson für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung ist es ihm vor allem ein Anliegen, dass jede Person – egal, wie beeinträchtig sie ist – frei entscheiden kann, wie sie wohnen möchte, und dass der Zugang zum Arbeitsmarkt niederschwelliger wird. «Es ist ein grosser Unterschied, ob jemand in einem geschützten Rahmen arbeitet oder in einer Firma, wo sie*er einen normalen Arbeitsalltag mit Kolleg*innen erlebt. Das stärkt das Selbstwertgefühl.» Die freie Wohnungswahl ist auch ein wichtiges Anliegen der Inklusions-Initiative (siehe Kasten).
Offen für alle
2024 ist die BRK in der Schweiz zehn Jahre in Kraft. Dieses Jubiläum nahm die Arbeitsgruppe BRK, der Andreas Schweiker angehört, zum Anlass, noch 2023 eine Kick-off-Veranstaltung zu planen. Es entstand die Idee, einen Sternmarsch anzubieten, zu dem alle Thurgauer Einrichtungen, die für Menschen mit Beeinträchtigung da sind, schriftlich eingeladen wurden. «Es sind natürlich alle willkommen, die das Thema interessiert», sagt Thomas Schweiker. Ziel der Veranstaltung sei es, eine breite Öffentlichkeit auf die BRK hinzuweisen. «Vielen ist die BRK nicht bekannt. Das gilt selbst für Betroffene», sagt Thomas Schweiker. Ausserdem wolle man auf die vielfältigen Ressourcen aufmerksam machen, mit denen Menschen mit Beeinträchtigung die Gesellschaft bereichern können.
Der Sternmarsch mit dem Motto «Zusammen sind wir mehr» beginnt am 15. September um 14 Uhr an verschiedenen Punkten in Weinfelden und führt die Teilnehmenden schliesslich auf dem Marktplatz zusammen. Dort folgen Redebeiträge von Vertreter*innen von INSOS Thurgau und Pro Infirmis Thurgau und Schaffhausen, von Nationalrat Christian Lohr und zwei Selbstvertretern.
Bäume mit Wünschen
Ein wichtiger Programmpunkt ist die Einweihung der Inklusionsbäume. Im Vorfeld wurden nämlich 300 bunte Täfelchen an die einzelnen Institutionen geschickt, auf denen Betroffene und Mitarbeitende ihre Erfahrungen, Wünsche und Träume notieren können. Diese werden dann an die Inklusionsbäume gehängt. «Dadurch soll zum Ausdruck kommen, wie vielfältig die Menschen und ihre Bedürfnisse sind», so Thomas Schweiker. Diese Bäume werden nach dem Anlass bei den grösseren Institutionen für Menschen mit Beeinträchtigung aufgestellt, wo sie an die Aktion und deren Anliegen erinnern. Ausserdem sollen die Täfelchen ausgewertet werden und der Arbeitsgruppe BRK als Grundlage für die Planung weiterer Aktionen dienen. Der Kanton Thurgau, so Schweiker, habe zudem angekündigt, zum Jubiläum der BRK Aktionstage durchzuführen.
Detlef Kissner, forumKirche, 30.08.2023
BRK und Initiative
Die Behindertenrechtskonvention (BRK) wurde 2006 von der Generalversammlung der UNO verabschiedet. Ihr gehören 175 Vertragsstaaten an. In der Schweiz ist die BRK am 15. Mai 2014 in Kraft getreten. Mit ihrem Beitritt zum Übereinkommen verpflichtet sich die Schweiz, Hindernisse zu beheben, mit denen Menschen mit Behinderungen konfrontiert sind, diese Menschen gegen Diskriminierungen zu schützen und ihre Inklusion und Gleichstellung in der Gesellschaft zu fördern.
Die Inklusions-Initiative, für die seit April Unterschriften gesammelt werden, fordert, dass auch Menschen mit Behinderung das Recht haben, ihre Wohnform und den Ort, an dem sie wohnen, frei zu wählen, und dass sie im Rahmen der Verhältnismässigkeit Anspruch auf die dafür erforderlichen Unterstützungs- und Anpassungsmassnahmen haben.
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