KirchenWege: Zu Fuss von Diessenhofen bis Altparadies
Los geht es von der S-Bahnhaltestelle St. Katharinental hinab zum ehemaligen Kloster. Seine 600-jährige Blütezeit hat hier Spuren in imposanten Gebäuden hinterlassen. Die weisse Kirche ist von aussen tatsächlich unscheinbar. Drinnen eröffnet sich mir ein barockes Ambiente, das ich nur durch ein langes schmiede - eisernes Gitter erspähen kann.
Schade, ich kann von hier aus gerade mal einen kleinen Ausschnitt von einer der drei Kuppelmalereien erhaschen. Enttäuscht, ein bedeutendes Beispiel des süddeutschen Barocks nicht bestaunen zu können, verlasse ich diesen spirituellen Raum der einstigen Dominikanerinnen. Draussen begegnen mir Klinikmitarbeiter*innen mit Mundschutz. Ich befinde mich auf dem heutigen Reha- und Pflege-Klinikareal. Auf der Terrasse der Cafeteria bekomme ich einen ersten Eindruck der Flusslandschaft und den Blick auf die überdachte Holzbrücke von Diessenhofen geschenkt.
Entlang des Flusses
Mein Wanderweg nach Altparadies verläuft grösstenteils entlang des Rheins. Büsche und Bäume verwehren mir manchmal die Sicht zu ihm. Unverhofft öffnet sich mir wieder ein Pfad zum Kiesufer, wo jemand einen Damm aus Steinen gebaut hat. Als Renaturierungsmassnahme erblicke ich junge Weiden, die gegen Betonplatten ausgetauscht wurden. Bis zu ihrer Durchwurzelung der Böschung werden Biber, die ihre jungen Triebe lieben, durch eine Umzäunung abgehalten. Leider sind mir keine Biber begegnet, aber ihre Spuren an ab - genagten und gestürzten Stämmen nehme ich wahr. Es lohnt sich, zu verweilen: Da – ein brütendes Blässhuhn in seinem Nest im Wasser. Plötzlich bemerke ich einen schwimmenden Haubentaucher mit vier Küken auf seinem Rücken. Oh, jetzt verschwindet diese Ente unter Wasser und die Küken schwimmen wie verrückt Rheinaufwärts. Aber schon taucht ihre Mutter wie ein U-Boot vor ihnen auf und kann die Kinderschar wieder an Bord nehmen. Was für eindrückliche Erlebnisse!
Schaarenwald und Schaarenwies
Auf Tafeln im Wald erfahre ich viel über das Reservat Schaarenwald mit seinen Altholzinseln, Flora und Fauna. Auch auf Archäologisch-Historisches werde ich hingewiesen. Aber die Fülle der Informationen erschlagen mich. Etwas abseits höre ich das Quaken eines Frosches. In einer Lichtung erspähe ich einen Tümpel, aber im Schilf kann ich die Amphibie nicht ausfindig machen. Auf der sonnigen Schaarenwies rieche ich den betörenden Duft des Mädesüss. Ich bin begeistert vom orangen Grossen Perlmuttfalter auf der Blüte eines Storchenschnabels. Schnell die Kamera darauf scharf stellen. Und schon kommen Libellen an mir vorbeigesaust. Endlich landet eine neben einer gelben Wasser-Schwertlilie. Blaumetallisch schimmert der Körper der gebänderten Prachtlibelle. Ich bin fasziniert von den Blüteninseln von Schwertlilien, einem leuchtend violetten Knabenkraut und einem Gemeinen Beinwell mit Hummelbesuch. Eine tolle Offenbarung der Schöpfung!
Altparadies und Fähre
Meine Route führt mich weiter an Tümpeln mit grünen Wasserlinsen vorbei. Nach dem Überqueren des kleinen, rauschenden Petribaches erreiche ich Altparadies, wo das ehemalige Klarissenkloster steht. Heute gehört es der Georg Fischer AG. Die ehemalige Klosterkirche St. Michael ist Pfarrkirche und «ein Juwel unter den Thurgauer Kirchenräumen», so lese ich es im Flyer der KirchenWege. So ein Pech, die Kirchentür ist verschlossen. Nein, die uralte Tür hätte ich kräftig aufstossen müssen. «Für den Eintritt ins Paradies braucht man Kraft!», erzählt mir später die Mesmerin mit einem Augenzwinkern. Eine Woche danach bekomme ich von ihr eine Privatführung inklusive eines Blickes auf die Gründungsurkunden und andere Kostbarkeiten. Die kleine Kirche strahlt trotz der spannenden Geschichten und Schicksale der Klarissinnen viel Ruhe auf mich aus. Anstatt mit dem ÖV nach Diessenhofen zurückzukehren, finde ich neben dem Restaurant Paradies die Anlegestelle der Fähre zwischen Altparadies und Büsingen. Ich läute an der Glocke und schon kommt der Fährmann zu seinem motorisierten Weidling. Eine kurze Rheinschifffahrt, doch sehr praktisch bei müden Füssen! Ich gehe Richtung Schaffhausen, aber es zieht sich hin. Zwischendurch werde ich noch von einem Fledermaus-Horchposten mit verschiedenen Fledermaus-Lauten belohnt. Hätte ich den Bus direkt nach Schaffhausen oder Büsingen genommen, wäre eine Rückreise per Schiff nach Diessenhofen zeitlich machbar. Der Blick vom Schiff auf das Rheinufer und das Wiedererkennen meiner Wanderstrecke wäre bestimmt ein schöner Abschluss des Ausflugs gewesen.
Judith Keller (23.6.20)
Fotoshooting einer Sibirischen Schwertlilie
Es braucht schon Kraft, um die Türe zum Paradies (Kirche St. Michael) aufzudrücken.
Mit einer Fähre kommt man von Altparadies über den Rhein nach Büsingen.
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