Stellungnahme zu muslimischen Grabfeldern in Weinfelden

Im Mai stimmt Weinfelden über das neue Friedhofsreglement ab. Darin ist ein islamisches Grabfeld vorgesehen. Der Leiter der katholischen Kirchgemeinde, Armin Ruf, unterstützt den Beschluss des Stadt­parlamentes. Dieser folgt dem Antrag der örtlichen Friedhofs­kommission. Mit einer Petition, die schweizweit Schlagzeilen machte, soll das islamische Grabfeld verhindert werden. In einem Text fasst Jörg Niederer, Pfarrer der evangelisch-methodistischen Kirche und für Weinfelden zuständig, seine Gedanken zum Thema zusammen. 

Zu einer Zeit, als sich in der Schweiz die Religionslandschaft noch weitgehend christlich zeigte – abgesehen von den damals ungeliebten schweizerischen Juden – verliefen weit heftigere Bruchlinien zwischen den Konfessionen, als dies heute der Fall ist. So war es undenkbar, dass Katholiken auf protestantischen Friedhöfen bestattet wurden oder anders herum. Damals entstanden erste Methodistengemeinden. Ihren Pfarrern wurde es verboten, Abdankungen auf protestantischen Friedhöfen zu halten. Gläubige dieser damals neu aufblühenden Kirche in der Schweiz mussten sich für eine christliche Bestattung an den reformierten Pfarrer wenden.

Der war den Methodisten oft ablehnend gesinnt. Aus diesem Grund kaufte etwa die Methodistengemeinde von Rheineck ein Stück Land, um dort ihre Toten « methodistisch » beisetzen zu können. Bevor es aber so weit war, kam eine neue Bundesverfassung, und damit wurde das Bestattungswesen verstaatlicht, nicht zur Freude vieler evangelischer und katholischer Christen. Damals wollten Katholiken und Protestanten noch nicht nebeneinander in Gräbern liegen, doch genau das brachte das staatliche Bestattungswesen mit sich. Ein Bundesgerichtsurteil bestätigte diese « Ungeheuerlichkeit » und hielt fest, dass im Tod alle gleich seinen, egal aus welchem Stand oder welcher Konfession.

Heute kräht kein Hahn mehr nach getrennten Friedhöfen. Und die Bestattungsarten sind vielfältiger geworden als früher. Zur Erdbestattung ist die Kremation und Beisetzung in Urnengräbern oder Gemeinschaftsgräbern gekommen, wobei Urnen auch auf privatem Grund bestattet werden dürfen. Geschichtlich bedingt gibt es bis heute auch Friedhöfe, in denen ausschliesslich jüdische Menschen bestattet werden. Neuere Friedhöfe sehen für jüdische Gräber auch eigene Abteilungen in ihren Friedhofsanlagen vor. Gemeinsam auf einem Friedhof, aber in unterschiedlichen Bereichen, das gibt es auch für Muslime, etwa auf dem Waldfriedhof Meisenhard in Olten.

Genau dieser Wunsch von Muslimen nach einem eigenen Grabfeld auf dem gemeinsamen Friedhof gibt nun in Weinfelden heftig zu reden. Dabei wird, was einst ein wichtiger Schritt auf dem Weg der Gleichbehandlung von verstorbenen Christen war, nun dazu verwendet, diesen Wunsch der Muslime zu kritisieren. Ein vor 150 Jahren integrierendes Gesetz wird heute für die Rückweisung der Ansprüche einer Religionsgemeinschaft verwendet, die es damals bei uns gar noch nicht gab.

Darf es auf einem Friedhof ausgewiesene Bereiche geben ? Keine Frage, die gibt es schon : Urnennischen etwa. Erdgräber von Erwachsenen. In Winterthur auf dem Friedhof kann man sich Urnengräber unter Bäumen aussuchen. Für Kindergräber ausgewiesene Bereiche gibt es auch auf fast allen Friedhöfen der Deutschschweiz. Heisst das, dass Kinder nicht so wichtig sind wie Erwachsene ? Doch sicher nicht. Im Gegenteil, man will ihnen besonders gerecht werden.

Rechtlich gesehen könnte ich als Erwachsener nun verlangen, dass ich auch im Bereich der Kindergräber bestattet werde. Denn Grabfelder dürfen nicht ausschliesslich für eine bestimmte Gruppe von Menschen verwendet werden. Das würde auch so sein bei einem islamischen Grabfeld auf dem Friedhof Weinfelden. Auch dort könnten sich Menschen anderer Religion oder Konfession bestatten lassen. Ob sie das wollen ? Ich vermute, dass dies überraschend oft geschehen wird, besonders bei religionsgemischten Paaren.

Ich habe grosse Sympathie für den Wunsch der Muslime auf ein eigenes Grabfeld innerhalb des gemeinsamen Friedhofs. Denn genau das drückt doch aus, dass alle dazugehören dürfen, verstorbene Kinder in ihrem Bereich, Erdbestattete in ihrem Bereich, Feuerbestattete in ihrem Bereich, unter Bäumen Bestattete in ihrem Bereich, jüdische Menschen in ihrem Bereich und auch muslimische Menschen in ihrem Bereich. Denn wenn es zu einer Bestattung kommen muss, dann will man doch nicht streiten, sondern Frieden finden.

Red., 12.2.25

Friedhof Weinfelden
Quelle: Béatrice Eigenmann
Unruhe um die letzte Ruhestätte auf dem Friedhof Weinfelden

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