Ermutigung zu mehr ökumenischer Zusammenarbeit
«Mehr Ökumene wagen» - mit diesem Thema setzten sich die Seelsorgenden der Thurgauer Pfarreien in der Pastoralkonferenz auseinander. Begleitet wurden sie dabei von Nicola Ottiger, die seit 2021 das Ökumenische Institut Luzern leitet. Aus ihrer Sicht gibt es in der Praxis noch viele ungenutzte Spielräume für Ökumene.
Nicola Ottiger, Dozentin am Religionspädagogischen Institut Luzern, Honorarprofessorin für Ökumenische Theologie und Leiterin des Ökumenischen Instituts Luzern, spiegelte zu Beginn Stimmungen in Bezug auf Ökumene wider: Braucht es diese überhaupt? Sollte man nicht gleich auf interreligiösen Dialog setzen? In der Ökumene bewegt sich ja nichts. - Dem hielt die in Romanshorn aufgewachsene Theologin entgegen, dass die kirchliche Einheit ein Kernanliegen ist: «Ich bin überzeugt, dass sie dem Auferstehungsgeist Christi entspricht.»
Ihre Standortbestimmung begann Ottiger mit einem geschichtlichen Überblick. Während sich bereits 1948 der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK) bildete, dem die römisch-katholische Kirche bis heute nicht angehört, war diese lange davon überzeugt, dass sie die einzig wahre Kirche sei und alle anderen Kirchen zu ihr zurückkehren müssten. Erst mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab man dieses exklusive Heilsverständnis auf. Es vollzog sich eine echte Öffnung. «Ökumene wurde als gemeinsamer Weg der christlichen Kirchen zu einer noch zu findenden Einheit verstanden», so Ottiger.
Für die Schweiz sei dies ein grosser Segen gewesen. Die drei Landeskirchen hätten sofort begonnen, an den grundsätzlichen Fragen wie z. B. der gegenseitigen Taufanerkennung zu arbeiten, und hätten 1979 gemeinsam eine Handreichung zum ökumenischen Gottesdienst veröffentlicht.
Vision für das dritte Jahrtausend
Als «grossen Meilenstein» sieht Nicola Ottiger die 2001 von den Kirchen Europas veröffentlichte Charta Oecumenica, die sich aus der 2. Ökumenischen Versammlung in Graz (1997) heraus entwickelte. «Man wollte nicht ohne Vision ins dritte Jahrtausend gehen», so Ottiger. In der Charta werden bezüglich verschiedener Handlungsfelder «Selbstverpflichtungen» formuliert, die das ökumenische Miteinander fördern sollen.
Ein ähnliches Ziel verfolgte die Schweizer Bischofskonferenz (SBK) mit der Veröffentlichung der Handreichung «Ökumene in der Schweiz». In dieser hätten die Bischöfe ausdrücklich die innerkatholischen und ökumenischen Irritationen der letzten Jahre bedauert, hob die Theologin hervor. Damit war die vatikanische Erklärung «Dominus Iesus» (2000) gemeint, in der den anderen Kirchen ihr Kirchesein abgesprochen worden war. Auch die gemeinsame Feier des Reformationsjubiläums 2017 wertete Nicola Ottiger als einen wichtigen Beitrag zur Ökumene. Der gemeinsame Festgottesdienst in Zug sei vorbildlich gewesen. «Dass dort gesegnetes Brot geteilt wurde, war ein bedeutsames Zeichen.»
Mehr ökumenische Theologie
In einem zweiten Schritt lenkte die Referentin den Blick auf die verschiedenen Ebenen der Umsetzung. Auf der Leitungsebene seien bisher grosse Erfolge zu verzeichnen. «Ich habe fünf dicke Bücher mit Konsenstexten von 1931 bis 2019», hob Ottiger hervor. Als einen Höhepunkt führte sie die «Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre» 1999 in Augsburg an. Damit sei ein zentraler trennender Faktor überwunden worden. Zugleich bedauerte sie, dass sich kaum praktische Konsequenzen aus den Übereinkünften ergeben hätten. «Stattdessen verweist man auf die noch bestehenden Differenzen, die es noch auszuräumen gilt.» Im Bereich der Lehre vermisst Ottiger eine eigene ökumenische Theologie, die konkrete Modelle von Einheit aufzeigt und damit die pastorale Praxis unterstützt. Ebenso sollte das Thema Ökumene im theologischen Studium und in Weiterbildungen einen grösseren Raum einnehmen.
Mut zu ökumenischer Katechese
Nachdem die Anwesenden sich ausgetauscht hatten, wie sie Ökumene in ihrem Arbeitsumfeld wahrnehmen, ging es um konkrete Formen von Ökumene in der Praxis. Nicola Ottiger regte unter anderem an, Gottesdienste für Kirchenferne ökumenisch zu feiern oder das Taufgedächtnis mehr in die Liturgie zu integrieren - in Form eines Elementes oder als eigener Wortgottesdienst. «Denn die Taufe ist ja das, was uns alle miteinander verbindet.» In Anlehnung an den Satz «Katechese ist ökumenisch angelegt», der in einem Leitbild für Katechese steht, ermutigte sie die Seelsorgenden, auch die Vorbereitung auf die Firmung bzw. Konfirmation teilweise ökumenisch zu gestalten. Sie plädierte grundsätzlich für einen Vorrang der Ökumene in der pastoralen Arbeit: «Die Frage lautet nicht: Sollen wir das ökumenisch machen? Sondern: Warum sollten wir es nicht ökumenisch machen?»
Detlef Kissner, forumKirche, 07.06.2023
Zum Vorstand der Pastoralkonferenz Thurgau gehören:
• Karin Flury, Pfarrei St. Anna Frauenfeld, Co-Präsidium
• Lukas Schönenberger, Pfarrei St. Anna Frauenfeld, Co-Präsidium
• Andrea Bissegger, Pastoralraum Nollen-Lauchetal-Thur
• Benjamin Spang, Delegierter Fachstellen Landeskirche, Bildungsverantwortlicher
• Brigitte Glur-Schüpfer, Regionalverantwortliche, Vertretung Bischofsvikariat
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