Pfarrer von Tobel wird abgewählt, möchte aber bleiben
Alle vier Jahre müssen sich neuerdings im Kanton Thurgau Pfarrer und Gemeindeleiter*innen einer Wahl stellen. Pfarrer Leo Schenker fiel am Sonntag, 13. Februar durch. «Das Resultat zeigt klar: Die Mehrheit unserer Kirchbürger will den Pfarrer nicht mehr», sagt der Kirchgemeinderat.
Leo Schenker ist kein pflegeleichter Pfarrer. Das hat vor 13 Jahren schon der damalige Bischof von Basel mitbekommen, Kurt Koch. Er wollte einen Pastoralraum einführen – und bekam es mit Leo Schenker zu tun. Der wehrte sich gegen den Pastoralraum, schrieb sogar nach Rom. Die Pfarrei Tobel TG ist bis heute nicht Teil eines Pastoralraums.
Kindern an den Ohren gezogen?
Doch auch sonst rumort es schon länger in der Kirchgemeinde Tobel. Vor Jahren protestierten Eltern dagegen, dass Leo Schenker Religionsunterricht gibt. Ein Vorwurf damals lautete: Er ziehe Kinder an den Ohren. «Das war damals neckisch gemeint und ist lange her», sagt Leo Schenker zu kath.ch. «Ich gebe schon länger keinen Religionsunterricht mehr, wie dies auch andere Pfarrer und Gemeindeleiterinnen und Gemeindeleiter tun.»
Seit 1999 wirkt Leo Schenker in Tobel TG, seit 2002 ist er gewählter Pfarrer. Und seit dem 13. Februar abgewählter Pfarrer. «76 Stimmberechtigte schrieben seinen Namen auf den Wahlzettel, 108 legten leer ein», berichtet die Thurgauer Zeitung.
Abwahl statt Denkzettel
In der Landeskirche Thurgau gilt ein neues Wahlrecht. Leere Stimmen werden ebenfalls gezählt. An der Urne hat Leo Schenker keine Mehrheit erhalten. Er kommentiert das Wahlergebnis wie folgt: «Etwas speziell. Ja oder nein schreiben wäre klarer gewesen. Dann hat niemand etwas zufällig vergessen oder übersehen, sondern bewusst das Votum gesetzt.»
Zu einer anderen Einschätzung kommt der Kirchgemeinderat. «Das Resultat zeigt klar: Die Mehrheit unserer Kirchbürger will den Pfarrer nicht mehr», sagt Kirchenpräsident Norbert Weber der Thurgauer Zeitung. «Ich habe damit gerechnet, dass die Kirchbürger unserem Pfarrer einen Denkzettel verpassen. Dass sie ihn aber gleich abwählen, habe ich nicht gedacht.»
Am liebsten Rekurs eingereicht
Norbert Weber beschreibt Leo Schenker als intelligenten Menschen, der «fachlich top» sei. «Aber zwischenmenschlich klappt es bei ihm einfach nicht», sagt Weber der Thurgauer Zeitung. «Aber natürlich hat auch er Anhänger in den Reihen unserer Kirchbürger*innen.» Zu Vorwürfen, er habe keine Sozialkompetenz, sagt Leo Schenker zu kath.ch: «Das stimmt hinten und vorne nicht. Mit mir kann man über alles reden.» Am liebsten hätte er einen Rekurs gegen die Wahl vom Sonntag eingereicht. «Doch das ist alles knapp und letzten Endes nur kontraproduktiv.»
«Ich habe kein Problem mit den Leuten»
Für das Bistum Basel steht fest: «Es werden Gespräche stattfinden in der Hoffnung auf eine einvernehmliche Lösung», sagt Sprecher Hansruedi Huber zu kath.ch. Bleibt die Frage, warum ein Priester so lange in derselben Pfarrei blieb, wenn es immer wieder rumorte. «Mir gefällt es hier sehr gut», sagt Leo Schenker. «Ich habe kein Problem mit den Leuten. Und ich finde es schwierig, dass jetzt alle von der Wahl am Sonntag sprechen. Wir sind im katholischen Kontext. Da gilt es Landeskirche und Weltkirche miteinander zu verbinden.»
«Zusammenarbeit mit dem Betroffenen teilweise schwierig»
Bistumssprecher Hansruedi Huber sagt: «Im dualen System obliegt die Personalverantwortung bei der Kirchgemeinde als Anstellungsbehörde sowie beim Bistum für die kirchliche Beauftragung. Obschon sich die Zusammenarbeit mit dem Betroffenen teilweise als schwierig erwies, hofften die Beteiligten auf eine günstige Entwicklung.»
Es gebe im Bistum Basel Möglichkeiten der Personalentwicklung: «Die Kompetenzen der Mitarbeitenden werden gezielt gefördert, zum Beispiel durch Weiterbildung, Personalcoaching und Supervision.»
Pfarrer Leo Schenker sagt zu kath.ch: «Ich bin mit 58 Jahren in einem kritischen Alter. Ich fühle mich zu jung für die Pensionierung und zu alt für eine Versetzung. Ich möchte hier Pfarrer bleiben oder an einen anderen schönen Ort ziehen, zum Beispiel in eine Kaplanei aufs Land.»
Raphael Rauch/Red, 16.02.2022
Was sagt die Landeskirche?
«Der Grund für die Nichtwiederwahl ist aus meiner Sicht nicht in einem besonderen Ereignis zu suchen, sondern in der Eigenart des Seelsorgers. Im sozialen Kontakt eckt er immer wieder an», sagt der Generalsekretär der Thurgauer Landeskirche, Urs Brosi, der «Thurgauer Zeitung». «Persönlich komme ich gut mit ihm aus. Aber ich sehe, dass die Irritationen, die er in Begegnungen ungewollt auslöst, seine Tätigkeit als Seelsorger erschweren.»
Die Abwahl sei durch eine neue Rechtsgrundlage möglich geworden: «Zuvor hätten mindestens 20 Prozent aller stimmberechtigten Kirchbürger einer Gemeinde mit ihrer Unterschrift eine Wahl an der Urne fordern müssen, ansonsten wurde ein Pfarrer einfach immer in stiller Wahl im Amt bestätigt», sagt Brosi der «Thurgauer Zeitung». «Neu müssen sich auch Pfarrer und Gemeindeleiterinnen und -leiter alle vier Jahre den Gesamterneuerungswahlen stellen. Am Sonntag war das erstmals der Fall.» (rr)
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