Leserbrief zum Artikel «Beziehungsqualität wichtig» in der Ausgabe 18/2021.
Seit Jahrzehnten engagiere ich mich in verschiedensten Funktionen ehrenamtlich in der katholischen Kirche. Ob in der Jugendarbeit, als Präsident der katholischen Kirchgemeinde Weinfelden oder auch in der Synode: Ich engagiere mich für eine menschen- und lebensfreundliche Kirche, für eine Kirche, die Heimat schenkt – für eine Kirche, die die Liebe Gottes in dieser Welt sichtbar und erfahrbar machen will.
Genau vor diesem Hintergrund ist klar für mich, dass ich Ja sage zur «Ehe für alle», über die wir Ende September abstimmen werden. Dieser Schritt, gleichgeschlechtliche Partnerschaften als gleichberechtigt wahrzunehmen, ist für mich längst überfällig. Leider wird die Vorlage gerade mit religiösen Argumenten bekämpft. Für mein Glaubensverständnis ist allerdings klar: Es gibt keine Liebe zweiter Klasse. Jesus von Nazareth selbst stellte die Liebe zum Nächsten an die höchste Stelle, über alle andern Gebote. Seine Grundhaltung war: „Das Gesetz ist für den Menschen da und nicht der Mensch für das Gesetz.“ Wenn ein Gesetz den Menschen und der Gemeinschaft also nicht dient, so ist das Gesetz zu ändern. – Und genau das können wir in dieser Abstimmung. Wir können gleichgeschlechtliche Paare endlich auch als vollwertig und als gleichberechtigt anerkennen.
Ein Kritikpunkt bei der Vorlage ist teilweise, dass gleichgeschlechtliche Paare auch Kinder haben, beispielsweise adoptieren dürfen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen indes längst, dass Kinder auch bei gleichgeschlechtlichen Elternpaaren genauso glücklich werden können. Selbstverständlich ist es wichtig, dass Kinder Bezugspersonen beider Geschlechter brauchen – aber das können auch Paten, Nachbarn, Lehrpersonen, Freunde der Eltern, Grosseltern, Tanten oder Onkel usw. sein. Kinder brauchen Liebe, Geborgenheit, brauchen für ihre Entwicklung lebendige Gegenüber – all das können gleichgeschlechtliche Elternpaare genauso gut bieten.
Thomas Merz, lic. theol., Weinfelden; alt Kantonsrat CVP