Ein Interview mit Peter Kirchschläger
Der Bundesrat hat den Luzerner Ethiker Peter Kirchschläger (44) als neues Mitglied in die Eidgenössische Ethikkommission für Tiere und Pflanzen berufen. Er werde die christliche Position klar zur Sprache bringen, sagt der Theologe.
Was bedeutet diese Ernennung für Sie?Es ist für mich eine besondere Ehre und Freude – und ich bin sehr dankbar für das Vertrauen des Bundesrats. Es entspricht auch meinem Verständnis als Ethiker, mich in einem solchem Gremium zu engagieren und die Behörden aus ethischer Sicht zu beraten.
Welchen ethischen Standpunkt werden Sie in der Kommission vertreten: einen persönlichen oder einen theologisch-ethischen?Ich bin vom Bundesrat als theologischer Ethiker und Leiter des Instituts für Sozialethik (ISE) in die Eidgenössische Ethikkommission für die Biotechnologie im Ausserhumanbereich (EKAH) gewählt worden und werde mich auch so einbringen. Selbstverständlich werde ich dabei in besonderem Masse auf die argumentative Anschlussfähigkeit an die philosophische Ethik achten.
Die «Biotechnologie im Ausserhumanbereich» tangiert ethische Fragen mit Blick auf Tiere und Pflanzen. Gibt es auch Berührungspunkte zum Bereich der Humanmedizin?Es gibt Berührungspunkte – unter anderem bei der Xenotransplantation, das heisst bei der Übertragung von funktionstüchtigen Zellen, Geweben, Organen oder Körperteilen von einer Art auf eine andere – also beispielsweise von einem Tier auf den Menschen. Eine Mehrheit hatte sich in einer Stellungnahme für ein Moratorium bezüglich der Xenotransplantation ausgesprochen.
Bezüglich Abtreibung, Sterbehilfe, Leihmutterschaft oder embryonale Stammzellen für den medizinischen Gebrauch hat die katholische Kirche Positionen, die zum Teil diametral zum Mainstream stehen. Wie sieht es in Ihrem Bereich aus?Nicht alle politischen und ökonomischen Partikularinteressen im Bereich der Biotechnologie im Ausserhumanbereich dienen der Achtung der Menschenwürde aller Menschen, globaler und intergenerationeller Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und der Bewahrung der Schöpfung. Das sind Prinzipien, für die sich die christlichen Kirchen klar positionieren.
Die christlichen Kirchen engagieren sich ethisch begründet und nehmen dabei auch die Möglichkeit des Widerspruchs gegen den Mainstream in Kauf. Sie setzen sich für Menschenrechte, Nachhaltigkeit und Bewahrung der Schöpfung politisch ein, weil dies ihrer Glaubensüberzeugung entspricht. Für die Kirchen gilt, bei Ungerechtigkeiten, Unrecht und Umweltzerstörung nicht weg-, sondern hinzuschauen und für die Schöpfung die Stimme zu erheben sowie Worten Taten folgen zu lassen.
Wenn alles eindeutig und klar oder Konsens wäre, bräuchte es wahrscheinlich diese Kommission nicht. Ich hoffe, dass es zu angeregten, kritisch-konstruktiven Diskussionen kommen wird, und wir als Kommission zur ethischen Orientierung angesichts von komplexen Fragestellungen beitragen können. Ich freue mich sehr auf diese neue Aufgabe und auf die Zusammenarbeit in der Kommission!
Georges Scherrer, kath.ch/ Red. forumKirche 22.6.21
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