Eine spirituelle Reise nach Malta
Die Osterprozessionen auf Malta sind ein fester Bestandteil des katholischen Glaubens und eine der eindrucksvollsten religiösen Zeremonien weltweit. Sie bieten ein bewegendes Spektakel und sind Zeugnis des reichen kulturellen Erbes der Inselgruppe. Jedes Jahr strömen Tausende von Gläubigen aus der ganzen Welt nach Malta, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen und die einzigartige Atmosphäre zu erleben. Kirche ohne Grenzen war dabei.
Es wird angenommen, dass Apostel Paulus durch einen Schiffbruch das Christentum nach Malta gebracht hat. Heute ist der Heilige Paulus ein starkes nationales Symbol. Sein 12 Meter hohes Monument auf einer Miniinsel in der St. Paul’s Bay zieht viele Tourist*innen an. Ausserdem gibt es auf Malta und Gozo, den bewohnten Inseln der Inselgruppe, mehr als 365 Kirchen – also mindestens eine Kirche für jeden Tag des Jahres. Die katholischen Kirchenkuppeln sind überall entlang des Horizonts zu sehen. Ein Bauer von der Westküste sagt: «Manche Menschen gehen täglich in die Kirche wie meine Frau. Für mich ist der Gottesdienst eher wie die Kirsche auf der Torte. Doch die vielen Schichten darunter sind ebenso wichtig: Sie bestehen aus Nächstenliebe und guten Taten im Alltag.» Die Pfarrei ist der architektonische, geografische und soziale Mittelpunkt jeder maltesischen Ortschaft und die wichtigste Quelle des Bürgerstolzes. Der liturgische Kalender wird denn auch mit grosser Begeisterung und Pracht zelebriert. Aufwendige und reich geschmückte Prozessionen im Freien sind Teil vieler Feste. Seit Jahrhunderten sind sie die Hauptunterhaltung der Bevölkerung. Jede Gemeinde feiert jährlich den eigenen Schutzpatron mit Marschkapellen, religiösen Prozessionen, besonderen Messen, Feuerwerk und anderen Festivitäten.
Farbenfrohe Statuen
Die bekanntesten Rituale finden jedoch in der Karwoche statt. Die aufwendigen Prozessionen beginnen am Palmsonntag. Kennzeichnend sind die reich gestalteten Statuen, die verschiedene Szenen aus der Passion Christi darstellen. Sie sind oft mehrere Meter hoch, enorm schwer und mit komplizierten Details und farbenfrohen Verzierungen geschmückt. Jede Statue wird von einer Gruppe von Männern getragen. «Manche dieser Männer erfüllen auf diese Weise ein persönliches Gelübde», erklärt Anabel Borg, die im Südosten von Malta aufgewachsen ist. «Nach der Fusswaschung am Gründonnerstag bis zum nächsten Mittag besuchen wir sieben Kirchen, um dort jeweils eine entsprechende Bibelstelle zu lesen und ein Gebet zu sprechen», sagt Jonathan Borg, der dafür von Marsaskala nach Mdina gefahren ist.
Platz in Prozession vererbt
Am Karfreitag erreichen die Prozessionen ihren Höhepunkt. Neben den Statuen stellen am Umzug Dutzende verkleideter Schauspieler mit kunstvoll vorbereiteten Darstellungen biblische Passagen dar. «Es ist eine grosse Ehre, die verschiedenen Figuren – auch alttestamentliche – darzustellen. Oft wird der Anspruch auf einen Platz in den Prozessionen innerhalb der Familie von Generation zu Generation weitergegeben», erzählt Anabel Borg. Am Ostersonntag wird jeweils nur eine Statue der Auferstehung durch die Strassen getragen, begleitet von fröhlicher Blasmusik. Es herrscht eine freudige Stimmung, und es gibt natürlich auch besondere Bräuche. Beispielsweise herrscht ein Konkurrenzkampf zwischen den beiden nebeneinanderliegenden Dörfern Birgu und Bormla. Dabei geht es darum, wer die schönere Prozession hat und welche Männer mit der schweren Statue die Kirche schneller erreicht haben. Ein einheimischer Priester erklärt lachend: «Es bedeutet, dass Gott an vielen Orten gleichzeitig sein kann. Die Männer mit Christus auf den Schultern versuchen es zu beweisen. Sie sind extrem schnell.» Auf den Strassen versammeln sich wieder alle Bewohner*innen, um zusammen zu essen und sich zu unterhalten. Für Besuchende sind die Prozessionen eine Gelegenheit, in die lokale Kultur einzutauchen, für die Einheimischen ist es eine Zeit des Gemeinschaftssinns. Vielen Menschen hilft diese Erfahrung, ihre Beziehung zu Gott zu vertiefen und ihre Hingabe zu stärken. Die Osterprozessionen zu besuchen, ist ein unvergessliches Erlebnis, das einen Einblick in das Herz und die Seele dieser wunderschönen Inselgruppe gibt.
Text und Übersetzung: Monika Freund Schoch, 25.04.2023
Small nation – great tradition
A spiritual journey to Malta
Easter processions in Malta are one of the most impressive religious ceremonies worldwide. They offer a moving spectacle and are testimony to the island's rich cultural heritage. Every year thousands of people from all over the world go to the island to take part in the festivities and experience the unique atmosphere. Kirche ohne Grenzen was also there.
The processions begin on Palm Sunday. Typical are the richly designed statues portraying scenes from the Passion of Christ. They are often several meters high, enormously heavy. Each statue is carried by a group of men. «Some of these men are fulfilling a personal vow in this way,» explains Anabel Borg, who grew up in southeastern Malta. «After the washing of the feet on Maundy Thursday until noon the next day, we visit seven churches to read a relevant Bible passage and say a prayer,» continues Jonathan Borg.
On Good Friday, the processions reach their culmination. In addition to the statues, the procession features dozens of actors with artfully prepared costumes. «It is a great honor to portray the various characters (including Old Testament ones). Often, the claim to a role in the processions is passed down from generation to generation within the family,» says Anabel Borg. On Easter Sunday, only the statue of the Resurrected Christ is carried through the streets, accompanied by joyful music. For visitors, the processions are an opportunity to immerse themselves in the local culture, and for locals, it's a time for a sense of community. This experience helps many people to deepen their relationship with God and strengthen their devotion. Attending the Easter processions is a truly unforgettable experience that offers a glimpse into the heart and soul of this beautiful island.
Kommentare