Statements zur Missbrauchskrise in der Kirche
Es brodelt in der römisch-katholischen Kirche. Um die Befindlichkeit zu fühlen, lässt forumKirche sechs Menschen zu Wort kommen, die haupt- oder ehrenamtlich für die Kirche tätig sind.
Die Erkenntnisse der Missbrauchsstudie beschäftigen mich sehr. Obwohl vieles nicht unerwartet kam, ist es dennoch schwer zu ertragen, dass die Kirche, die sich dem Schutz der Schwächsten verschrieben hat, so versagte. Trotz des Leids und der Belastung, die die Aufarbeitung auslöst, ist es gut, dass das Geschehene nun ans Licht kommt und für die Betroffenen hoffentlich ein Heilungsprozess möglich ist. Die Massnahmen zur Vermeidung weiterer Übergriffe müssen jetzt konsequent umgesetzt und alle Archive geöffnet werden. Damit sich aber wirklich etwas ändert und die Kirche eine glaubwürdige Zukunft hat, muss ein tiefgreifender Kulturwandel stattfinden. Ich wünsche mir, dass dies gelingt.
Andreas Textor,
Präsident des Synodalrats der Römisch-katholischen Landeskirche des Kantons Schaffhausen
Es wirkt auf mich, als ob sich die, die dem Evangelium am nächsten sein sollten, sich am meisten davon entfernt haben. Gottes Haus wurde zu einer Institution, die ihre eigenen Gesetze nur mit den Strukturen der Macht, des Schweigens und der Vertuschung noch aufrechterhalten konnte. Als Jugendseelsorgerin hoffe ich, dass die junge Generation einen Weg finden wird, um den persönlichen Glauben weiterhin im Herzen zu behalten, und dagegen ankämpft, dass diese stützende Lebenskraft von den Strukturen der Kirche zerstört wird. Vielleicht müssen wir uns mit allen Mitchrist*innen auf den Weg machen, um die Botschaft von Jesus gemeinsam zu lesen, um zu verstehen, was er uns eigentlich lehren wollte.
Elfride Zefi,
Jugendseelsorgerin, Romanshorn
Missbrauch im kirchlichen Umfeld wird seit 20 Jahren regelmässig thematisiert. Die Pilotstudie zeigt aber ein erstes Mal systematisch das ganze Ausmass auf. Und den Umgang damit, der von Bagatellisierung und Vertuschung geprägt war. Der Bericht hat mich sehr betroffen gemacht. Menschen sind ausgenutzt und tief verletzt worden. Kirche hat leider versagt und Vertrauen verspielt. Das macht etwas mit mir. Ich wünsche, dass aus dem Ergebnis besonnen Schlüsse gezogen und die Massnahmen weiterentwickelt werden. Und Mut und viel Geist, sich den tieferen Ursachen zu stellen. Manches in der Kirche hat ein Update nötig.
Roland Häfliger,
Pfarrer, Frauenfeld
Missbrauchsvorwürfe haben sich bestätigt. Viele Taten und lebenslange Leidensgeschichten hätten verhindert werden können, wenn die Kirche ihre Verantwortung wahrgenommen und in ihrem Dienst stehende Täter*innen zur Rechenschaft gezogen hätte, wenn sie Ehrlichkeit nicht nur predigen, sondern leben würde.
Dank mutigen, hartnäckigen, lauten Menschen geraten die Taten nicht in Vergessenheit.
Von einer zeitgemässen Kirche erwarte ich jetzt, dass sie menschenfreundliche Strukturen schafft, Probleme angeht, Konsequenzen zieht und die Würde des Menschen achtet.
Die Zukunft wird zeigen, ob die katholische Kirche mutig diesen Teil ihrer Geschichte aufarbeiten will.
Roswitha Merz-Kurer,
Aktuarin der Frauengemeinschaft St. Konrad, Schaffhausen
Dieses Pilotprojekt und die genaue Analyse des sexuellen Missbrauchs im Umfeld der römisch-katholischen Kirche ist aus persönlicher Sicht überfällig. Darin sehe ich den ersten Schritt, um Betroffene besser zu unterstützen und zu schützen. Ebenso denke ich, dass die Untersuchungen eine bessere Ausgangslage schaffen, um zukünftig solche Fälle hoffentlich auf die Zahl 0 zu reduzieren. Ich erwarte weiterführende Studien und schnellstmögliche Massnahmen gegen die Täterschaft.
Der Umgang mit sexuellem Missbrauch wird im Haltungspapier «Grenzverletzungen und sexuelle Ausbeutung» des Verbandes Jungwacht Blauring Schweiz klar definiert und wird von allen Mitgliedern aktiv gelebt.
Danny Hehli,
Präsidium Jungwacht Blauring Thurgau
Der Bericht der Missbrauchsstudie hat mich nicht überrascht, aber erneut erschüttert. Ich sag es ehrlich: In solchen Momenten würde ich am liebsten davonlaufen …
Und doch ist diese Kirche auch meine Heimat, für die ich arbeite und die ich vor Ort sehr gerne mitgestalte. Was mich hoffnungsvoll stimmt, ist die Tatsache, dass die Dinge nun endlich auf den Tisch kommen. Ich denke, wir stehen an einem Scheidepunkt – es ist vermutlich die letzte Chance für die Verantwortlichen, tatsächlich gründlich und systematisch aufzuräumen, den Worten Taten folgen zu lassen und den Weg frei zu machen für eine glaubwürdige und lebensnahe Kirche.
Andrea Honegger,
Pfarreiseelsorgerin, Pastoralraum Neuhausen-Hallau
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