Eine Tänzerin kämpft gegen Rassismus und Nazis
Josephine Baker (1906–1975) war eine der grossen Unterhaltungsstars des 20. Jahrhunderts. Abseits des Scheinwerferlichts engagierte sich die Amerikanerin, die französische Staatsbürgerin wurde, politisch wie sozial und kämpfte zeitlebens gegen rassistische Vorurteile an.
Josphine Baker wird 1906 unter dem Namen Freda Josephine McDonald in St. Louis, Missouri geboren, als uneheliche Tochter einer afroamerikanischen Wäscherin und eines spanischen Theater-Schlagzeugers. Sie wächst in ärmlichen Verhältnissen auf und arbeitet deshalb schon im Kindesalter als Hausangestellte für weisse Familien. Mit 11 Jahren erlebt sie ein Pogrom im Osten der Stadt mit (gewaltsame Ausschreitung gegen Minderheiten, Anm. d. Red.), bei dem bis zu hundert Menschen, vor allem Afroamerikaner, ermordet werden. Dieses Ereignis traumatisiert sie stark und nährt ihren Hunger nach einem selbstbestimmten Leben. Als sie im Alter von 13 Jahren von ihrer Mutter mit einem viel älteren Mann verheiratet wird, flüchtet sie nach nur wenigen Wochen aus dieser Beziehung und auf die Theaterbühne, um ihren Traum in die Tat umzusetzen.
Französische FreiheitVon Auftritten als Komparsin in St. Louis gelangt sie schliesslich nach New York und tourt 1919 mit einer afroamerikanischen Truppe, die mit der damals populären revueartigen Theaterform «Vaudeville» auftritt, durch die USA. Schnell spricht sich ihr Talent herum, denn die junge Frau kann ebenso gut singen wie tanzen, besitzt aber auch ein besonderes Faible für komische Momente. Ein Star wird sie aber erst in Frankreich. Als sie 1925 im Alter von 19 Jahren nach Paris reist, stellt sie fest, dass es hier keine Rassentrennung wie in den Staaten gibt. Sie darf vor einem gemischten Publikum auftreten und sich frei bewegen, denn auch Hotels, Restaurants sowie Kinos unterscheiden sich nicht in weisse und schwarze Bereiche. In mehreren Revuen – unter anderem des berühmten Varietétheaters «Folies Bergère» – tanzt sie sich, nur bekleidet mit einem heute sicherlich kontrovers zu beurteilenden Bananenröckchen, in den folgenden Jahren an die Spitze des Pariser Nachtlebens. Ihr erotischer und exotischer Tanzstil wird zur Marke und Josephine Baker zur erfolgreichsten US-amerikanischen Unterhalterin in Frankreich.
Pilotin und AktivistinDoch Josephine Baker ist nicht nur auf der Bühne erfolgreich. Als erste afroamerikanische Frau überhaupt spielt sie in einem internationalen Film die Hauptrolle (La Sirène de Tropiques, 1927) und eröffnet 1926 in Paris ihren eigenen Nachtclub «Chez Josephine». In ihrer Verbundenheit zu Frankreich gibt sie 1937 die amerikanische Staatsbürgerschaft auf, um die französische zu erlangen. Im Zweiten Weltkrieg tritt sie als Pilotin dem Korps fliegender Krankenschwestern bei und arbeitet nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Paris ab 1940 für die Résistance und den Geheimdienst, indem sie Nachrichten über den Standort der Nazi-Truppen in ihren Notenblättern versteckt. Im Mai 1944 geht Baker zur französischen Luftwaffe und wird später als Offizierin der Ehrenlegion aus - gezeichnet. Sie kämpft aber nicht nur für Frankreich, sondern setzt sich auf der anderen Seite des Atlantiks engagiert für die Bürgerrechtsbewegung ein. So kehrt sie 1963 für den Marsch nach Washington in die USA zurück, wo sie zusammen mit Martin Luther King Jr. eine Rede hält. In Anerkennung ihrer Arbeit und ihres Aktivismus im Laufe der Jahre erklärt die National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) den 20. Mai später zum offiziellen Josephine Baker-Tag.
Mutter hoch zwölfAuch in Bezug auf ihr persönliches Leben bleibt Josephine Baker ein Freigeist. Die Entertainerin heiratet insgesamt fünfmal und unterhält Beziehungen zu Männern und Frauen. Unter anderem auch als Zeichen ihres Protests gegen Ungleichbehandlung und Rassismus adoptiert sie nach dem Zweiten Weltkrieg zwölf Waisenkinder – zehn Jungen und zwei Mädchen – unterschiedlichster Hautfarben und Nationalitäten. Baker bezeichnet sie als ihre «Regenbogenfamilie » und lebt mit dieser fortan auf einem Schloss in Südfrankreich, das als offener Ort der Rassen- und Religionstoleranz gelten soll. 1956 kündigt sie ihren Rückzug von der Bühne an, feiert aber 1961 ihr Comeback und tritt 1973 erfolgreich in der New Yorker Carnegie Hall auf. Schon früh sagt sie einmal: «Ich werde mein ganzes Leben lang tanzen. Ich bin zum Tanzen geboren, nur dazu. Leben ist Tanz. Und auch sterben möchte ich am liebsten völlig erschöpft und ausser Atem am Ende eines Tanzes». Ihr Wunsch bewahrheitet sich. Sie stirbt wenige Tage nach einer Galavorstellung in einem Pariser Theater am 12. April 1975 an den Folgen einer Gehirnblutung. Geblieben ist die Erinnerung an ihren Freiheitsdrang, ihr Selbstbewusstsein und ihre Vorstellung eines Lebens, in dem die Rechte jedes Menschen unantastbar sind.
Sarah Stutte, forumKirche, 27.4.21
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