Eine Diözese definiert sich neu
Als die Erzdiözese Freiburg (D) mit ihrer Raumplanung im Rahmen des Projekts Kirchenentwicklung 2030 im März an die Öffentlichkeit ging, stiess sie damit auf ein grosses mediales Interesse. Vor allem die Ankündigung, dass die Zahl der Pfarreien von derzeit 1057 auf 36 reduziert werden soll, liess viele aufhorchen. Ziel soll sein, die kirchliche Gemeinschaft möglichst langfristig an vielen Orten lebendig zu halten. Dies erfordert nach Ansicht der Initiatoren einen «Kulturentwicklungsprozess».
Der Startschuss fiel bereits 2019. Damals war in der Diözesanen Pastoralkonferenz der Entschluss gereift, einen Prozess an - zustossen, der die Kirche zukunftsfähig macht. Hintergrund dieses Aufbruchs sind die zurückgehenden Zahlen von Priestern und anderen pastoralen Mitarbeiter*innen. «Auf der anderen Seite sinkt auch die Zahl der Kirchenmitglieder, die Bindungen zur Kirche werden lockerer», fügt Michael Hertl, Leiter der Stabstelle Kommunikation, hinzu. Was kann und soll die Kirche angesichts dieser Entwicklungen noch anbieten? Und wie muss sie sich organisieren, um auch in 10 bis 20 Jahren noch zu funktionieren? Diese Grundfragen sollen im Projekt Kirchenentwicklung 2030 geklärt werden.
Seelsorger*innen entlastenDem Projekt liegt die strukturelle Vorgabe zugrunde, die Zahl der Pfarreien deutlich zu reduzieren. Bereits in den letzten 20 Jahren hatte die Erzdiözese damit begonnen, die 1057 Pfarreien zu 224 Seelsorgeeinheiten (entspricht den Pastoralräumen im Bistum Basel) zum Zwecke der Kooperation zusammenzuführen. Nun möchte man einen weiteren Schritt machen: Die kleinen Pfarreien mit ihren Seelsorgeeinheiten sollen aufgelöst und stattdessen 36 Grosspfarreien geschaffen werden, die etwa die Grösse der jetzigen Dekanate haben. Die grösste dieser Pfarreien wird ca. 114’000 Katholik*innen umfassen. Damit ändert sich auch das Verständnis von Pfarrei: weg von der «Pfarrfamilie» hin zu einem «geografischen Raum, in dessen Gebiet Pastoral und Verwaltung koordiniert und organisiert werden» («Einführung in das Projekt Pastoral 2030»). Durch diese Konzentration sollen Verwaltungsvorgänge optimiert werden. «Somit bleibt mehr Luft für die Seelsorge», erklärt Michael Hertl. Mit der Einführung von Pfarreigeschäftsführer*innen will man zur weiteren Entlastung des Seelsorgepersonals von administrativen Aufgaben (Personal, Finanzen usw.) beitragen. Deren Einsatz wird bereits in Pilotprojekten getestet.
Neue Aufgaben für den PfarrerUnd was wird sich durch diese Strukturreform vor Ort ändern? Michael Hertl bekräftigt, dass es vor allem im Blick auf die Seelsorge «keinen Rückzug aus der Fläche geben wird»: «Kirchen, kirchliche Kindergärten, Caritas-Stellen sollen weiterhin bestehen wie bisher und für Seelsorge und Glaubensvermittlung werden neue Konzepte entwickelt.» Die Gottesdienstdichte werde aufgrund der Personalsituation abnehmen. Auch die Rolle des Pfarrers, der eine solche Grosspfarrei leitet, wird einen Wandel erfahren. «Er wird nicht mehr alle Pfarreimitglieder kennen, was aber heute schon so ist», so Hertl. Seine Hauptaufgabe ist es, zusammen mit seinem Team die Seelsorge in der Pfarrei sicherzustellen. «Damit wird er zum Seelsorger der Seelsorger* innen, zum Organisator und Trainer», erklärt der Kommunikationsfachmann. Offen ist auch noch die Frage, wie Leitung vor Ort konkret wahrgenommen werden soll. In der «Einführung» heisst es, dass es um «die Entwicklung einer ‹Pastoral der Ermächtigung›» geht, die auf die Selbstführung und Selbstorganisation derer, die sich engagieren, ausgerichtet ist». Bedeutet dies, dass Laien und Ehrenamtliche mehr Kompetenzen erhalten? Die Gemeindeteams, die sich aus Seelsorger*innen und Ehrenamtlichen zusammensetzen und bisher das Leben an der Basis gestaltet haben, sollten nach Ansicht von Michael Hertl auf jeden Fall weiterbestehen und gestärkt werden.
Zügige UmsetzungDie grossen Strukturen sind klar, nun gilt es, sie mit Leben zu füllen. Dafür soll bis 2022 ein Konzept erarbeitet werden, in das Meinungen und Bedürfnisse möglichst vieler Gläubigen einfliessen. «Die Entscheidungsoptionen werden in einem demokratischen Prozess entwickelt», so Hertl. Auf dieser Grundlage wird die Diözesane Pastoralkonferenz Empfehlungen abgeben, die der Erzbischof dann umsetzt. Danach beginnt der Transformationsprozess, der bis 2025 abgeschlossen sein soll. «Da stehen die nächsten Pfarrgemeinderatswahlen an», sagt Michael Hertl, «mit den neuen Pfarrgemeinderät*innen soll das Leben in den Pfarreien neu starten können.»
Detlef Kissner, forumKirche, 27.4.21
Weitere Infos: www.kirchenentwicklung2030.de
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