Leserbrief zum Artikel «Das Leben kann sie dir nicht nehmen» in der Ausgabe 17/2023
Luise B. hat sich, bevor sie an Krebs erkrankt ist, zur Analytischen Psychologin nach C. G. Jung ausbilden lassen. Als sie wegen ihrer Erkrankung massiv zu leiden begann, wandte sie sich an eine Ordensfrau, um selbst psychotherapeutisch begleitet zu werden. Dass sie in der jungschen Psychologie keine wirksame Hilfe gefunden hat, kann ich verstehen. C. G. Jung, der Begründer der Analytischen Psychologie führt jede Erkrankung der Psyche auf ein Leiden der Seele zurück, die ihren Lebenssinn, glauben an einen Gott, sei das Atman, Tao, Buddha oder Jesus, nicht gefunden hat. Jung selbst hat nicht an Jesus nicht geglaubt. Er sagte:: «Mir war die Geschichte mit dem ‘hér Jesus’ immer verdächtig vorgekommen und ich habe sie nie wirklich geglaubt» (Siehe hierzu meine Dissertation zu Jungs Persönlichkeitspsychologie, EOS, 2001). Vor diesem Hintergrund ist verständlich, wenn Luise B. bei einer Ordensfrau Hilfe gesucht hat. Doch bei ihr geriet sie in eine psychische und sexuelle Abhängigkeit.
Als Religionspsycholigin habe ich in meiner Praxis in Zürich nicht wenige Ordensleute, Nonnen und Priester während zwanzig Jahren beraten. In der Tat, es stimmt was Luise B. sagt. Die innere Not dieser Menschen besteht in ihrer «absoluten» Sehnsucht nach Nähe, nach Geborgenheit und Liebe. Werden diese Bedürfnisse unterdrückt, so meine Erfahrung, können sie in Macht und Missbrauch umschlagen. Was nun? Die effizienste Lösung wäre nach meiner Ansicht, wenn man die Einladung der Heiligen Schrift, nach Heiligkeit zu streben, immer wieder neu überdenken könnte. Im Streben nach Heiligkeit werden Kräfte generiert, so meine Überzeugung, die von jeder ungesunden Abhängigkeit schützen. Ist nicht einfach. Man muss aber dran bleiben …
Dr. phil. Martha von Jesensky, Matzingen