Redewendungen aus der Bibel
Wenn einem eine Person «nicht ganz koscher» vorkommt, hat man ihr gegenüber gewisse Vorbehalte. Aber auch persönliche Beziehungen, Abmachungen oder Aussagen können einem «nicht koscher», d. h. merkwürdig und suspekt, erscheinen, wenn man annimmt, dass unlautere Machenschaften oder Unwahrheiten mit im Spiel sind.
«Der kommt mir jetzt gar nicht koscher vor», sagt meine Mutter immer dann zu mir, wenn sie von jemandem spricht, dessen Verhalten sie nicht so recht einordnen kann oder bei ihr Misstrauen erregt. Schon als Kind verstand ich, was sie mit dem Wort «koscher» meinte. Das Wort ist in meinen Wortschatz integriert. Es ist Teil meiner Muttersprache. Erst viel später realisierte ich, dass es sich um ein jiddisches Wort – der Sprache der mittel- und osteuropäischen Juden – handelt, das ganz selbst - verständlich zum Wiener Dialekt meiner Mutter gehört.
Im Alten Testament werden mit koscher («tauglich») jene Speisen bezeichnet, die nach den Speisevorschriften der Juden als unbedenklich, als rein gelten. Als rein werden Tiere angesehen, die Gott geopfert werden können. Unreine Tiere sind vom Kult ausgeschlossen. Levitikus 11 gibt eine Liste der als rein und unrein bezeichneten Tiere wieder. So wird das Fleisch von Kühen, Schafen und Ziegen – also wiederkäuenden Paarhufern – als koscher angesehen, ebenso darf Huhn, Ente und Gans gegessen werden. Der Verzehr von Raubvögeln ist verboten, weil sie sich von Aas ernähren. Fische, die Flossen und Schuppen haben, gelten ebenfalls als verzehrbar. Der Mensch soll sich nicht mit dem, was er zu sich nimmt, verunreinigen (vgl. Lev 11,43ff). Jesus wehrte sich gegen die starren Vorschriften und sagte den Leuten: «Nichts, was von aussen in den Menschen hineinkommt, kann ihn unrein machen, sondern was aus dem Menschen herauskommt, das macht ihn unrein» (Mk 7,15). Das, was in den Menschen hineinkommt, gelangt nicht in sein Herz, sondern in den Magen und wird wieder ausgeschieden. «Damit erklärte Jesus alle Speisen für rein» (Mk 7,19).
Jesus beurteilt nicht die Reinheit der Speisen, sondern bezieht «rein und unrein» auf den Menschen selbst. Was aus dem Menschen herauskommt, kommt aus seinem Herzen. Es sind böse Gedanken, Hinterlist, Hochmut und vieles mehr, das aus dem Inneren der Menschen kommt und ihn unrein macht (Mk 7,23). Der Mensch hat es selbst in der Hand, ob er rein oder unrein ist, denn er ist für sein Tun verantwortlich.
So verstand ich als Kind das Wort «koscher» immer im Zusammenhang mit dem Verhalten eines Menschen und nicht in erster Linie in Bezug auf jüdische Speisevorschriften, von denen ich nichts wusste. Für meine Mutter ist auch heute noch ein Mensch, dem sie nicht ganz trauen kann, einfach «nicht ganz koscher».
Andrea Moresino-Zipper, Theologin und Journalistin
Ausgabe Nr. 18/2018
Bild: Alina Martin
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