Wofür Kirchensteuern verwendet werden

Jede*r Katholik*in bezahlt sie, doch kaum jemand weiss, wohin sie genau fliessen. Die Rede ist von Kirchensteuern. forumKirche möchte in Begegnungen mit fünf Personen herausfinden, wie diese Mittel konkret eingesetzt werden und wem sie zugutekommen. Die Ergebnisse erscheinen in einer Serie auf Seite 7. Eckdaten und eine Einordnung durch Kirchenratspräsident Cyrill Bischof sollen im Folgenden einen Einstieg in das komplexe Thema ermöglichen.

In den meisten Schweizer Kantonen werden die Kirchensteuern von den Kirchgemeinden eingezogen. Im Thurgau nahmen die katholischen Kirchgemeinden 2019 nach allen Abzügen etwa 37 Millionen Franken ein, von denen etwa 80 Prozent von den Kirchenmitgliedern und etwa 17 Prozent von natürlichen Personen (Unternehmen) kamen. Die Kirchgemeinden wiederum geben einen Teil ihrer Steuereinahmen in Form einer Zentralsteuer an die Landeskirche ab. Dies geschieht nach einem von der Synode festgelegten Steuerfuss von derzeit 4.15 Prozent und einem Verfahren, das die Steuerkraft der einzelnen Gemeinden vom Vorjahr berücksichtigt. Welche Auswirkungen die 2020 in Kraft getretene Unternehmenssteuerreform auf die Kirchensteuern hat, wird sich erst noch zeigen. «Erste Zeichen deuten darauf hin, dass es keinen grösseren Einbruch geben wird», so Cyrill Bischof. Im Kanton Schaffhausen erhält die Landeskirche neben dieser Zentralsteuer einen vertraglich geregelten Staatsbeitrag von der Kantonsverwaltung und Quellensteuereinnahmen von der kantonalen Steuerverwaltung. 

Ausgaben der Kirchgemeinden

Was geschieht nun mit den Steuereinkünften? Der grösste Teil verbleibt in den Kirchgemeinden, im Jahr 2019 waren es im Thurgau über 84 Prozent (vgl. Grafik). Die Kirchgemeinden setzen das Geld vor allem für Personal ein – für den Pfarrer bzw. die*den Gemeindeleiter*in bis hin zur*zum Sakristan*in oder in der Verwaltung die*den Sekretär*in – gefolgt von den Ausgaben für die Liegenschaften wie Kirche oder Pfarreizentrum. Wenn die Steuereinnahmen sinken würden, müssten auch die Ausgaben entsprechend reduziert werden. Cyrill Bischof würde zuletzt am Personal sparen: «Glaube lebt von Menschen und Beziehungen.» In den grösseren Gemeinden habe man damit begonnen, Stellen im Bereich Diakonie zu schaffen, welcher stark an Bedeutung gewonnen hätte. «Es würde mich reuen, wenn man solche Stellen wieder abbauen würde», so Bischof.

Ausgaben der Landeskirche

Auch auf landeskirchlicher Ebene wird an erster Stelle in Personal investiert. «Die Fachstellen sollen die Kirchgemeinden in ihrer Arbeit unterstützen bei der Kinder- und Jugendarbeit, der Katechese, der Erwachsenenbildung und der Kommunikation», sagt Cyrill Bischof. 
Erste Priorität sei es, einzelnen und verschiedenen Gruppen nahe zu sein. So habe man in den letzten fünf Jahren versucht als Gegengewicht zu den zunehmenden Vakanzen in den Kirchgemeinden Personal auszubauen, z. B. in der Erwachsenenbildung, der Flüchtlingsseelsorge oder bei der Begleitung von Menschen mit Beeinträchtigung. «Das Problem ist dabei nicht die Finanzierung, sondern der zunehmende Mangel an geeigneten Personal», gibt der Kirchenratspräsident zu Bedenken. Ziel sei es, mit den vorhandenen Steuermitteln gutes Personal zu gewinnen und die vorhandenen Liegenschaften zu sanieren. 

Wenn die Mittel zurückgehen

Dass sich grössere Veränderungen anzeigen, ist Cyrill Bischof bewusst: «In zehn Jahren wird eine Minderheit der Thurgauer Bevölkerung einer Landeskirche angehören.» Damit werden auch die Kirchensteuermittel deutlich sinken. Dann wird sich unweigerlich die Frage stellen, wie viele Liegenschaften die Kirchgemeinden für ihren Auftrag benötigen und auf welche sie verzichten müssen. Auf der anderen Seite müsste auch überlegt werden, inwieweit andere Institutionen wie z. B. der Kanton die Kirchengebäude mitfinanzieren. «Denn diese dienen ja nicht nur den Religionsgemeinschaften, sondern bringen durch ihre soziale, kulturhistorische und touristische Bedeutung der ganzen Gesellschaft einen Nutzen», sagt Cyrill Bischof. Kirchliches Leben könnte dann auch mehr durch freiwillige Beiträge bzw. Erträge aus Immobilien finanziert werden, wie das heute schon in der Westschweiz der Fall ist. 
Beim Ausbau der Freiwilligenarbeit sieht Bischof weniger Spielraum: «Das entspricht nicht dem Schweizer System. Es braucht Arbeiten, die vergütet werden, und für die jemand Verantwortung übernimmt.»

Detlef Kissner, forumKirche, 23.6.21

Cyrill Bischof, Präsident des Kirchenrats
Quelle: Detlef Kissner
Cyrill Bischof, Präsident des Kirchenrats

 

 

 

*
Quelle: Jahresbericht 2019/Grafik: adur-werbung.ch

Kommentare

+

Neuen Kommentar hinzufügen

Der Inhalt dieses Feldes wird nicht öffentlich zugänglich angezeigt.

Klartext

  • Keine HTML-Tags erlaubt.
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.