Zum Tod des Ägyptologen Jan Assmann

Der berühmte Kulturwissenschaftler Jan Assmann erforschte, wie das Alte Ägypten bis heute Einfluss hat auf unsere Vorstellungen von Zeit und Tod. Für die Weltreligionen hielt er auch unbequeme Wahrheiten bereit. Nun ist der Forscher im Alter von 85 Jahren in Konstanz gestorben.

Er hat sich ein Leben lang mit dem Alten Ägypten beschäftigt. Eine Jahrtausende zurückliegende Epoche, die nur noch durch Pyramiden und Mumien in die heutige Zeit ragt? Jan Assmann hat das Gegenteil bewiesen und gezeigt, wie gross der Einfluss der ägyptischen Religion auf die europäische Geistesgeschichte noch heute ist. Die alten Sprachen, insbesondere die Keilschrift und die Hieroglyphen, besaßen für Jan Assmann eine magische Anziehungskraft. Gegen den Wunsch der Eltern entschied der Architektensohn sich für das Studium des «Orchideenfachs» in Heidelberg. Mit großem Erfolg: Zu den Höhepunkten seiner ägyptologischen Karriere gehört die Entdeckung einer Grabstätte im Tal der Könige.

Der «Preis des Monotheismus»
Mit der «Mosaischen Unterscheidung», der Unterscheidung zwischen den falschen Göttern der Antike und dem einen, wahren Gott Israels, ist nach seiner Deutung die Gewalt im Namen der Religion in die Welt gekommen. Eine Sichtweise, die durch den weltweit virulenten islamistischen Terror noch an Einfluss gewann. Die Entwicklung des absoluten Wahrheitsbegriffs habe das vielfältige Nebeneinander der Religionen in der Antike verunmöglicht. Auch für heute forderte er die dringende Notwendigkeit, mehr Verständnis für die Kulturen aufzubringen, die nicht dem Monotheismus anhängen. Gleichwohl schätzte er die befreiende und durchaus demokratische Kraft der Religion und verwies auf die Erzählung vom Exodus, dem Auszug des Volkes Israel aus der Sklaverei in Ägypten. Er erkannte darin eine der prägenden Freiheitserzählungen der Menschheitsgeschichte. Ob es Moses oder den im Alten Testament berichteten Auszug des Volkes Israel wirklich gegeben hat? Diese Frage hielt Jan Assmann für zweitrangig: Der Exodus-Mythos machte Geschichte. Und er stiftete einen neuen Begriff von Religion: Gott und sein Volk gehen einen Vertrag ein, Religion wird mit Verheissung und Zukunft aufgeladen.

Ein Forscher-Ehepaar im Dialog
Das Lebenswerk des Ägyptologen ist ohne die Zusammenarbeit mit seiner Frau Aleida Assmann und die gegenseitige Inspiration über Jahrzehnte hinweg nicht denkbar. Die beiden Forscher heirateten 1968 und bekamen fünf Kinder. Auch Aleida machte Karriere als Professorin für Anglistik und allgemeine Literaturwissenschaft in Konstanz. Gemeinsam entwickelte das Ehepaar die Theorie vom «kollektiven Gedächtnis». Über das individuelle Erinnern hinaus gebe es gemeinsame – nationale und kulturelle - Erzählungen, die für das Selbstverständnis heutiger Gesellschaften zentral seien: «Weil sie uns helfen, besser zu verstehen, wer wir sind – und wer wir, als Gesellschaft, sein könnten. Im Positiven wie im Negativen.» Seine Vielseitigkeit unterstrich der Kulturwissenschaftler und Musikliebhaber dann auch noch mit einem sehr erfolgreichen Buch über Mozarts «Zauberflöte».

Christoph Arens/Red., 27.02.2024

Jan Assmann
Quelle: Raphael Rauch
Er brachte das antike Ägypten zum Sprechen – Jan Assmann.

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