Über die synodale Versammlung des Bistums Basel
82 kirchliche Expertinnen und Experten haben an der synodalen Versammlung vom 20. bis 22. Januar in Basel die Eingabe des Bistums Basel zum synodalen Prozess der Weltkirche formuliert. Ihr Schlussdokument nimmt die von den Dialoggruppen an der Basis geäusserten Anliegen auf.
Am 20. Januar wurde in München das Gutachten vorgestellt, das allen Erzbischöfen von München und Freising der vergangenen 75 Jahre, auch dem späteren Papst Benedikt XVI., schwere Vorwürfe zu ihrem Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch in ihrem Erzbistum macht. Am Abend des gleichen Tages begann in Basel die synodale Versammlung des Bistums Basel. Das zeitliche Zusammenfallen zeigt: Aus dem Schatten des jahrzehntelang verschwiegenen Missbrauchs kann sich zurzeit keine Auseinandersetzung in und mit der Kirche lösen.
Eine Versammlung von kirchlicher Fachkompetenz
Es war keine «revolutionäre» Versammlung, die in Basel zusammentrat. Und auch kein gewähltes «Kirchenparlament». Von ihrer Zusammensetzung her war die synodale Versammlung eher ein grosses Expert*innen-Gremium. Ein enormes Mass an Fachkompetenz und unterschiedlichen Erfahrungen im kirchlichen Dienst, aus allen zehn Kantonen des grössten Bistums der Schweiz, war drei Tage lang im gleichen Saal vereint.
Die personelle Zusammensetzung war von der Bistumsleitung bestimmt. Sie spiegelte eine grosse Breite an kirchenpolitischen Haltungen wider, Reformerinnen waren ebenso dabei wie Bewahrer. Zahlenmässig waren es ein paar Männer mehr, doch in den Diskussionen waren die Frauen stark präsent. Altersmässig dominierte das «Mittelalter», die Sicht der Jungen brachten die 30- bis 40-Jährigen ein. Die Jurassier äusserten sich manchmal auf Französisch, aber die Versammlungssprache war Deutsch. Mit etwa 16 Prozent klar in der Minderheit fanden sich die Priester. Wohl nahezu alle Anwesenden waren beruflich für die oder mit der Kirche beschäftigt. Was fehlte, waren die Freiwilligen, die gemäss dem Ergebnis der Basisbefragung das Pfarreileben am meisten gestalten.
gfs-Studie als verbindliche Grundlage
Revolutionär war die Stimmung schon darum nicht, weil die Versammelten die Verfassung der Kirche nicht nach ihren eigenen Überzeugungen neu entwerfen konnten. Vielmehr hatte die Beratung einen verbindlichen Ausgangspunkt: Die Studie des Instituts gfs.bern mit den Ergebnissen der Dialoggruppen vom vergangenen Oktober/November. Urs Bieri, Cloé Jans und Adriana Pepe von gfs.bern, die ihre Studie zu Beginn persönlich präsentierten, stellten klar, dass es sich nicht um eine repräsentative Umfrage handelte. Sie verglichen das Vorgehen mit einer Vernehmlassung, für die es erhebliche Hürden (Bildung von Gruppen, komplexe Fragestellungen, Zeitaufwand) zu überwinden galt. Insofern sei die Beteiligung von 800 Gruppen mit 5´399 Einzelpersonen als sehr gut bewerten. Die Antworten stammen in der Regel von Personen, die ein sehr hohes Interesse an der Kirche haben.
Diese Aussagen der Basis zu respektieren, war die Vorgabe für die Versammlung. Die in der gfs-Studie aufbereiteten Ergebnisse richtig zu deuten, sie zu gewichten und ohne Verfälschung in wenige Kernaussagen für jedes der zehn Themenfelder zu bündeln, war der Auftrag. Darüber herrschte – nach Einschätzung des Beobachters – unter den Teilnehmenden Konsens.
Intensive Meinungsfindung in Gruppen
Kontroverse, hitzige Plenumsdebatten gab es an dieser Versammlung keine. Das hing mit der von den beiden Moderatoren – Eugen Trost und Julian Miotk vom RPI Luzern – gewählten Methode zusammen. Sie war auf ein Maximum an Austausch ausgerichtet: Der grösste Teil der rund 17 Stunden Arbeitszeit bestand aus Gruppenarbeit zu den einzelnen Themen. Wobei jeweils eine andere Gruppe das Ergebnis der Vorgänger weiterbearbeitete und wenn nötig eine andere Version erstellte.
Nach dem langen Arbeitstag vom Freitag war verbreitete Unzufriedenheit mit den bis dahin erarbeiteten Texten zu spüren. Eine Verunsicherung auch, ob die Versammlung ihr Ziel überhaupt erreichen würde. Nach einer konzentrierten Anstrengung am Samstagvormittag waren dann viele überrascht, dass am Schluss doch noch konsistente Formulierungen vorlagen. Eigentliche Schlussabstimmungen der Gesamtversammlung gab es nicht, doch bestand jederzeit die Möglichkeit, Einwände und abweichende Meinungen festzuhalten und mitzugeben. Die Schlussredaktion des Gesamtdokuments – das als Eingabe des Bistums Basel zum synodalen Prozess der Weltkirche an die Schweizer Bischofskonferenz geht – wurde in die Hände einer kleinen Redaktionskommission gelegt.
«Themenspeicher» für das eigene Bistum
Die Eingabe an Rom, zuhanden der für Oktober 2023 angekündigten Welt-Bischofssynode, ist nicht das einzige Ergebnis der synodalen Versammlung. Viele Teilnehmende hielten es für ebenso wichtig, dass auch Anliegen für einen «Themenspeicher» festgehalten wurden, die vom Bistum Basel in seiner eigenen Zuständigkeit weiterverfolgt werden sollen.
Bischof für «Anliegen» statt «Forderungen»
Bischof Felix Gmür, Generalvikar Markus Thürig und die weiteren Mitglieder des Bischofsrates nahmen gleichberechtigt an den Gruppendiskussionen teil. Im Plenum gab es einen einzigen Moment, an dem der Bischof sanften Druck ausübte: Er stiess sich am Wort «Forderungen» im Schlussdokument. Das komme an den «römischen Schreibtischen» schlecht an, und es passe auch nicht zum synodalen Prozess, der auf das «Zuhören» setze. Die Teilnehmer*innen respektierten diesen Wunsch des Bischofs stillschweigend, in der Eingabe ist nun von «Anliegen» die Rede.
Das ist vielleicht bezeichnend für diese synodale Versammlung, die darum bemüht war, kritische Aussagen und Reformanliegen der Dialoggruppen in einer Weise aufzunehmen, die den realen Rahmenbedingungen in der katholischen Kirche Rechnung trägt. Also nicht ein weiteres utopisches Idealprogramm aufzustellen, sondern möglich scheinende Reformschritte zu unterstützen, um die Realität der Kirche den von den Dialoggruppen an der Basis geäusserten Hoffnungen anzunähern.
An der synodalen Versammlung in Basel wurde nicht nur gestritten und geschrieben, sondern auch regelmässig gebetet, gesungen und gefeiert. Für die drei Tage hatte das Projektteam ein Gebetsheft vorbereitet. Am Freitagabend zelebrierte Bischof Felix Gmür mit mehreren Teilnehmern/innen eine Liturgie in der Kirche St. Anton, wo er einst als Seelsorger gewirkt hatte. Es passte zum synodalen Geist der Versammlung, dass der Bischof am folgenden Morgen kritische Rückmeldungen aufnahm, wonach die liturgische Gestaltung im Chorraum den synodalen Charakter zu wenig abgebildet habe.
Christian von Arx,
Chefredaktor «Kirche heute», römisch-katholisches Pfarrblatt der Nordwestschweiz, Basel
Zum Schlussbericht
Zur Zusammenfassung des Schlussberichtes
Stimmen von Teilnehmer*innen
Murielle Egloff, 1980,
Leiterin der Fachstelle Kinder und Jugend der katholischen Landeskirche Thurgau
«Die Zusammenarbeit bei der Versammlung ist für mich überraschend sehr gut gewesen. Ich bin eher davon ausgegangen, dass man nicht gleicher Meinung ist. Aber es war positiv und erschreckend, wie wir gleich getickt haben. Die Ergebnisse der Umfrage sind sehr gut diskutiert worden, man ist darauf eingegangen, die Rückmeldungen wurden sehr ernst genommen. Ich hatte das Gefühl, dass man die Realität wahrgenommen hat. Wir haben gut miteinander gearbeitet. Der Dialog war sehr gut. Man konnte die Tische ja auch immer wieder wechseln, konnte sich überall gut einbringen, Aussagen wurden wohlwollend aufgenommen. Ich fand auch gut, dass die Meinungen von Minderheiten aufgenommen wurden und dass sie trotzdem nicht zu sehr gewichtet wurden.
Ich hatte den Eindruck, dass die Versammlung sich einig war, dass es Veränderungen braucht, dass damit auch durchaus beginnen könnte. Es stand die Frage im Raum, warum machen wir es dann nicht? Es gab Themen, die beim Bistum blieben. Die sind mir fast wichtiger als die, die in den Schlussbericht kommen, bei denen es um die Weltkirche geht. Entscheidend ist, was wir vor Ort machen können, wenn wir schon gleicher Meinung sind? Diese Themen werden Anfang Februar im Bischofsrat besprochen. Ich erhoffe mir, dass die Ergebnisse auch transparent gemacht werden und nicht unter Tisch fallen.» (dk)
Jean-Pierre Sitzler, 1986,
Leiter der Fachstelle Kirchlichen Erwachsenenbildung der katholischen Landeskirche Thurgau
«Der Prozess war deutlich strukturiert, war auch sehr anspruchsvoll vom Zeitrahmen her, was aber auch geholfen hat, fokussiert zu bleiben und voranzukommen. Es erschien uns sehr stressig: schnelle Gruppenwechsel, schnelle Gesprächsgruppen. Aber das hat auch geholfen, dass wir in der vorgegebenen Zeit durchgekommen sind und am Ende ein Ergebnis dastand. Ich bin mit der Hoffnung zur Versammlung gefahren, auch ein paar Menschen kennen zu lernen. Das war nur sehr eingeschränkt möglich. Das Arbeiten in den Gruppen war sehr anstrengend. Am Freitag haben wir um 8 Uhr begonnen und waren dann bis 21.30 Uhr beschäftigt.
Wir haben mehrfach die Gesprächsgruppen gewechselt. So kam es zu einem guten Austausch. Wir waren in zehn Gruppen in den einzelnen Themenfeldern unterwegs. Die Ergebnisse der Befragung sind in das Abschlussdokument eingeflossen. Ergänzend dazu haben wir im Blick auf die Rückmeldungen konkrete Anliegen formuliert, die ebenfalls aufgenommen wurden, mit dem Fokus: Was folgt aus den Rückmeldungen für das Bistum Basel, die Schweizer Bischofskonferenz und den Vatikan? Die Texte entstanden dann mit dem Fachwissen derjenigen, die sich mit dem jeweiligen Thema befasst haben, wobei alle Teilnehmenden am Ende nochmals alle Texte lesen konnten, bevor sie in die Endredaktion kamen.
Das Schlussdokument spiegelt die Umfrageergebnisse gut wider. Aufgabe war es vor allem zu fragen, was folgt denn jetzt aus den Rückmeldungen? Was verbirgt sich hinter den Statistiken? Wo sind Möglichkeiten weiterzuarbeiten? Ich fand es stark, dass in den Diskussionsprozessen die Meinungen relativ eindeutig waren und alle in die Richtung gingen, dass etwas verändert werden muss. Wie das aussieht muss man noch diskutieren. Aber auch da sind Vorschläge eingeflossen.» (dk)
Daniel Ritter, 1971,
Leiter der Fachstelle Religionspädagogik der katholischen Landeskirche Thurgau
«Die Zusammenarbeit habe ich sehr gut und konstruktiv erlebt, mit einigen Herausforderungen, mit vielen wechselnden Gruppen, mit vielen Fragezeichen im Verlauf dieser Arbeit. Ich war schlussendlich überrascht, wie gut und austariert die Schlussdokumente der einzelnen Themenfelder waren. Von daher bin ich sehr positiv gestimmt. Es hat sich extrem gelohnt. Es waren Mitglieder ganz unterschiedlicher Räte und Kommissionen anwesend, die auch ganz unterschiedliche Perspektiven auf Dialogführung, Liturgie und Feiern usw. eingebracht haben. Das fand ich sehr wertvoll.
Mit dem Ergebnis bin ich sehr zufrieden. Es spiegelt die einzelnen Standpunkte wider – zusammen mit den dezidierten Voten, was in verschiedene Richtungen verändert werden müsste. Ich erwarte nicht, dass die Bischofssynode die ganze Kirche umkrempelt, aber dass im Bistum Basel damit etwas gemacht wird. Die Umfrage in den Pfarreien haben mehrere Bistümer durchgeführt, aber eine solche ´Vorsynode´ fand nur im Bistum Basel statt. Das ist ein guter Hinweis zu zeigen, dass wir im Dialog sein müssen, es das Gespräch miteinander braucht, es weitergehen soll. In unserer Gruppe zum Themafeld ´Dialog´ waren wir der Meinung, dass in regelmässigen Abständen eine ähnliche Veranstaltung wie diese stattfinden soll, damit man das löst, was man vor Ort lösen kann, und es nicht an die Weltkirche delegiert. Papst Franziskus strebt meiner Meinung nach eine Stärkung der Regionen an, von kontinentalen und regionalen Lösungen, die Förderung des Subsidiaritätsprinzips… Deshalb muss man vor Ort Dinge angehen - bottom up.» (dk)
Simone Curau-Aepli, 1961, Marketingfachfrau, Mutter und Grossmutter, Weinfelden TG, Präsidentin Schweizerischer Katholischer Frauenbund (SKF), Mitglied Allianz Gleichwürdig Katholisch
«Ich kam mit der Erwartung, dass die Erkenntnisse aus der Befragung ernst genommen werden und im Sinn derjenigen, die sich dort geäussert haben, in den Abschlusstext der Versammlung einfliessen. Und dass die Versammlungsteilnehmer/innen bereit sind, mit ihren Erfahrungen und Kompetenzen an einem grossen Ganzen aktiv mitzuwirken. Das hat sich erfüllt. Die Ernsthaftigkeit war spürbar, das aktive Mitwirken auf einem hohen Niveau. Es bestand ein Konsens, die wesentlichen Anliegen nicht zu verwässern und nicht im Allgemeinen stecken zu bleiben, sondern konkret zu werden. Es war eine Offenheit da, nicht nur den eigenen Fokus und Erfahrungshintergrund einzubringen, sondern aufeinander zu hören und voneinander zu lernen. Ein synodales Zusammenwirken haben wir in hohem Mass gelebt. Auch das gemeinsame Feiern war sorgfältig vorbereitet und wurde in unterschiedlichen Formen gepflegt. Die Vielfalt der Lieder und Texte und der Rhythmus dieser Elemente des Feierns gefielen mir fast uneingeschränkt gut. Dass wir im Bistum Basel in vielerlei Hinsicht eine liberale Kultur leben, konnte uns nicht darüber hinweg täuschen, dass auch in unseren Reihen Ausgrenzung und Klerikalismus herrscht. Die Bereitschaft hinzuschauen und zu lernen ist aber gross, was mich versöhnlich stimmt.» (Ch. von Arx)
Bischof Felix Gmür, 1966, Solothurn
Diözesanbischof des Bistums Basel, Präsident der Schweizer Bischofskonferenz
«Meine Erwartung war, dass die synodale Versammlung Texte des Bistums Basel für die Schweizer Bischofskonferenz formuliert, und dass sie eine konkrete Erfahrung ist, was synodale Kirche heisst. Beides hat sie erfüllt. Es herrschte eine Aufbruchstimmung. Die Ambiance war gut, auch wenn es zwischendurch mal ‹geklöpft› hat – das ist ja normal.» (Ch. von Arx)
Kommentare
27.01.2022, 8:28
17.02.2022, 19:32