Was das Konzept RU2030 bewirken möchte
Die Fachstelle Religionspädagogik der katholischen Landeskirche Thurgau ist dabei, ein Konzept zu entwickeln, das den Religionsunterricht an der Volksschule langfristig stärken soll. Daniel Ritter, Leiter der Fachstelle, ist überzeugt, dass dies am besten in ökumenischer Zusammenarbeit gelingen kann.
Vor etwa einem Jahr wurde mit der Erstellung des Konzeptes Religionsunterricht 2030 (RU2030) begonnen. «Dahinter steht die Überzeugung, dass der Religionsunterricht fortlaufend weiterentwickelt werden muss», so Daniel Ritter. Aus den Pfarreien höre er immer wieder von Herausforderungen wie z. B. von fehlenden Räumlichkeiten in der Schule, auf die die Verantwortlichen zum Teil mit schnellen Lösungen reagieren würden. Diese Reaktionen würden ohne Rückbindung an ein Konzept erfolgen und damit die Gefahr bergen, dass der Religionsunterricht an Profil verliere.
Mit dem RU2030 soll nun ein Konzept entstehen, das Orientierung bietet und als Grundlage für Beratungen dient, die die Fachstelle künftig verstärkt anbieten möchte. Im Konzept wird das zentrale Anliegen vertreten, dass der Religionsunterricht am Lernort Schule bleiben soll. Nach einem ersten Hearing mit den Leitungen Katechese der Pastoralräume soll der RU2030 nun mit den Verantwortlichen der evangelischen Seite weiterentwickelt werden.
Mehr Schüler*innen
Als Ausgangslage wird im RU2030 aufgezeigt, dass in den letzten Jahren – vor allem nach der Einführung des Lehrplanes 21 – der Religionsunterricht im Thurgau immer weniger in Schulräumlichkeiten stattgefunden hat. Diesem Trend scheinen die Kirchgemeinden und Pfarreien wenig entgegenzusetzen. Die Landeskirche ist laut RU2030 bemüht, das Personalangebot im Bereich Religionsunterricht und Katechese stabil zu halten. Laut Prognosen sei ausserdem davon auszugehen, dass die Schüler*innen-Zahlen in den nächsten Jahren weiter steigen werden. Schliesslich wird darauf hingewiesen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz des kirchlichen Unterrichts an den Schulen zunehmend hinterfragt wird.
Ein Beitrag zur ganzheitlichen Bildung
Angesicht dieser Entwicklungen soll der Religionsunterricht am Lernort Schule gestärkt werden. «Die Kirche hat sich schon immer für eine ganzheitliche Bildung des Menschen eingesetzt. An der Schule kann sie diesen Auftrag im Zusammenspiel mit den anderen Fächern weiterhin erfüllen», sagt Daniel Ritter. Würde sie sich von der Schule zurückziehen, würden beide verlieren: «Die Kirche, weil sie nicht mehr zu einer ganzheitlichen Bildung beiträgt, und die Schule, weil sie diesen Beitrag mit den wenigen Lektionen des Faches Ethik, Religion, Gemeinschaft (ERG) kaum selbst erbringen kann.»
Daniel Ritter ist überzeugt, dass ein ökumenischer Religionsunterricht die kirchliche Position in der Schule stärken würde. Zum einen seien mit dem ökumenischen Lehrplan die Voraussetzungen dafür geschaffen. Zum anderen wäre es für die Schule einfacher, wenn Anliegen nicht mit zwei konfessionellen Vertreter*innen, sondern mit nur einem Ansprechpartner geklärt werden könnten. «Ausserdem würde bei Ausfällen von Lehrpersonen ein grösserer Pool für Vertretungen zur Verfügung stehen», argumentiert Daniel Ritter. Der ökumenische Religionsunterricht bietet den Kirchen somit eine grössere Flexibilität.
Katechese in der Pfarrei
Ein weiteres Anliegen des Grundsatzpapieres ist es, den Religionsunterricht und die Katechese in gegenseitiger Abgrenzung zu profilieren. «Der Religionsunterricht soll in der Schule stattfinden, denn er vermittelt den Schüler*innen Kompetenzen, die ihnen wie andere Schulfächer helfen, ihr Leben zu bewältigen. Die Katechese – in Form einer Hinführung zu den Sakramenten, einer Kinderbibelwoche oder von Projekttagen – soll in der Pfarrei ihren Platz haben. Dort macht sie kirchliche Gemeinschaft erfahrbar, bietet Beheimatung», sagt Daniel Ritter.
Wenn der Religionsunterricht mehrheitlich in ökumenischer Form angeboten wird, setzt das nach Meinung des Theologen auch personelle Ressourcen für die Katechese in den Pfarreien frei. Die Profilierung von Religionsunterricht und Katechese bietet auch die Chance, die Attraktivität des Berufes der*des Katechet*in zu erhöhen. Zudem ermöglicht sie Katechet*innen einen grösseren Stellenumfang, da sie zu den wenigen Randstunden in der Schule zusätzlich Projekte in der Pfarrei übernehmen können.
Detlef Kissner, forumKirche, 16.11.2022
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