Katholische Kirche lässt Segnung homosexueller Paare zu

Homosexuelle Paare können jetzt auch in der katholischen Kirche einen Segen erhalten. An der kirchlichen Sexuallehre ändert sich aber nichts. Dennoch ist es ein Fortschritt – im Einklang mit der Linie des Papstes.

Katholische Priester dürfen ab sofort homosexuelle Paare segnen. Die vatikanische Glaubensbehörde veröffentlichte am 18. Dezember ein entsprechendes Dokument mit ausdrücklicher Genehmigung von Papst Franziskus. Der Schritt riecht nach Revolution. Der Vatikan hatte noch 2021 eine Segnung von homosexuellen Beziehungen klar ausgeschlossen. Die Erklärung Fiducia supplicans (deutsch: Das flehende Vertrauen) bedeutet aber keineswegs eine 180-Grad-Wende. Sehr genau unterscheidet der Leiter der Glaubensbehörde, Kardinal Victor Fernandez, in dem Dokument zwischen dem Sakrament der Ehe und einer Segnung von Menschen, die sich lieben. Sex ist laut Kirchenlehre nur in der Ehe zwischen Mann und Frau erlaubt; ausschliesslich heterosexuelle Paare dürfen kirchlich heiraten.

Keine Verwechslung mit Hochzeit
An dieser Haltung ändert auch Fiducia supplicans nichts, wie Fernandez betont. Priester, die ein homosexuelles Paar segnen, müssten daher unbedingt vermeiden, dass der Akt wie eine Eheschliessung – also wie ein Sakrament – aussieht. Der Segen darf deshalb nicht in Zusammenhang mit einer standesamtlichen Feier oder der Eintragung einer Lebenspartnerschaft erteilt werden. Das Paar darf nicht in Hochzeitskleidung erscheinen, auch typische Gesten sind tabu, etwa das Austauschen von Ringen. Der Geistliche darf die beiden Männer oder Frauen auch nicht während eines Gottesdienstes segnen. Dieser besondere Rahmen ist laut Fernandez in der katholischen Kirche Verbindungen vorbehalten, die den Plänen Gottes in der Schöpfung entsprächen. Hier zeigt sich, dass der Glaubenspräfekt mitnichten an der grundsätzlichen Haltung der Kirche zu Homosexualität rüttelt, nämlich dass gleichgeschlechtliche intime Handlungen «in sich nicht in Ordnung» seien. So steht es im Katechismus, einer Art Handbuch für Katholiken.

Trotzdem Fortschritt
Ist das Dokument also eine Mogelpackung? Auch diese Einordnung wäre zu hart. Mit der Zulassung von Segensfeiern für Homosexuelle schafft Fernandez einen echten Fortschritt – im Einklang mit der Linie des Papstes. Franziskus wird nicht müde, immer wieder zu einer Kirche für «alle, alle, alle» aufzurufen. Mit Fiducia supplicans gelingt ihm und seinem Vertrauten Fernandez das Kunststück, die seelsorgerliche Praxis an der Basis tatsächlich zu verändern, ohne an der theologischen Substanz zu rütteln. In der Erklärung geht es weniger um Sexualmoral als um die Frage nach offenen Pfarrgemeinden, in denen sich auch homosexuelle Menschen willkommen fühlen sollen.

Offener Kommunikationsstil
Bemerkenswert ist der Schritt auch deshalb, weil das Glaubensdikasterium noch im Februar 2021 die Segnung von gleichgeschlechtlichen Paaren ausgeschlossen hatte. Auf eine entsprechende Anfrage – ein «dubium» – antwortete der damalige Präfekt, Kardinal Luis Ladaria (79), die Kirche habe nicht die Vollmacht, homosexuelle Verbindungen zu segnen. Im Juli dieses Jahres ernannte Franziskus seinen früheren Ghostwriter Fernandez zum Nachfolger von Ladaria. Seit der Amtsübernahme hat der 61-Jährige mehrfach für Wirbel gesorgt. Neu ist vor allem der relativ offene Kommunikationsstil und das Einstellen von Dokumenten auf der Behörden-Homepage.

Coup des Präfekten
Anfang Oktober gelang dem Präfekten ein Coup, als er das Antwortschreiben des Papstes auf die «dubia» von fünf konservativen Kardinälen veröffentlichte. Die Kirchenmänner hatten unter anderem an der Legitimität der Weltsynode gezweifelt. Der Papst erteilte ihnen eine Abfuhr und Fernandez nahm ihren Argumenten durch die Veröffentlichung den Wind aus den Segeln. Im aktuellen Schreiben erklärt der Präfekt, das Dokument von 2021 aus seinem Dikasterium zum Thema Segnungen sei nun weiterentwickelt worden. Überhaupt habe die Kirche ihr Verständnis von dem, was ein Segen ist, im Lichte der seelsorgerlichen Ideale von Papst Franziskus erweitert und angereichert.

Positives Echo
In Deutschland stiess diese Weiterentwicklung am Montag auf ein positives Echo. Zuletzt hatten die deutschen Bischöfe angesichts ihrer Reformbemühungen mehrfach Stoppschilder aus dem Vatikan erhalten, auch was Segensfeiern für Homosexuelle angeht. Fiducia supplicans ist zur Abwechslung ein positives Signal aus Rom – selbst wenn die Sexualmoral unangetastet bleibt. 

Anita Hirschbeck/Red., 27.12.2023
 

Segnung eines homosexuellen Paares
Quelle: Rudolf Wichert/KNA-Bild
Segnung eines homosexuellen Paares während eines Segnungsgottesdienstes am 6. Mai 2021 in Geldern (D)

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