Gegenpositionen zu Luthers Lehre

Was zu Beginn des 16. Jahrhunderts als innerkirchliche Kritik beginnt, endet in der Spaltung der Westkirche, hervorgerufen durch Luthers Reformation und die katholische Antwort darauf.

Kulturgeschichtlich war das 16. Jahrhundert geprägt durch die Renaissance, die Wiederentdeckung oder Wiedergeburt der Antike. Dieses Interesse hatte südlich der Alpen bereits um 1400 eingesetzt und erfasste nun auch das restliche Europa. In Kunst und Wissenschaft herrschte Aufbruchstimmung. Der Homo Universalis, also der vielseitig Gebildete, der aufgeschlossen und schöpferisch tätig ist, wird zum Idealbild des Menschen und zum Vorbild vermögender Zeitgenossen. Einher mit diesem neuen Bildungsbewusstsein geht der Wunsch, die Welt von den Quellen – insbesondere den antiken – her zu betrachten, und zwar auch die kirchlichen Dogmen. Mit dem neuen Bewusstsein ist auch eine Individualisierung verbunden, die den Menschen – als Ebenbild Gottes – ins Zentrum der Erkenntnis stellt. Ausdruck dafür war, laut Markus Ries, Professor für Kirchengeschichte in Luzern, eine Sorge um die «letzten Dinge», welche weite Teile der Bevölkerung erfasste. «Man wurde sich bewusst, dass jeder für sich alleine sterben muss.» Anleitungen in der «Kunst des richtigen Sterbens» sollten den Gläubigen dabei Hilfestellung leisten.

Luthers Reformbestrebungen

Die Sorge um das eigene Seelenheil trieb auch Martin Luther an. 1517 brachte der Augustinermönch 95 Thesen in Umlauf, in denen er den Ablasshandel anprangerte. Der Doktor der Theologie wollte damit eine Diskussion über die herrschende Praxis auslösen. Das Geschäft mit dem Seelenheil, so Luther, sei ein Betrug. Er berief sich auf die Heilige Schrift und argumentierte: Sündenvergebung kann nicht durch den Erwerb eines Ablassbriefes, sondern allein durch Gnade und den Kreuzestod Christi erlangt werden.

Tatsächlich hatten Renaissance-Päpste wie Alexander VI. oder Julius der II. sich v. a. als Kunstmäzene und Kriegsführer, durch Vetternwirtschaft und Dekadenz hervorgetan. «Man kann bereits zu Ende des 15. Jahrhunderts von einer geistlichen Krise des Papsttums sprechen», so Markus Ries. Das Grosse Schisma (die Herrschaft von Papst und Gegenpäpsten) war zwar überwunden, aber bereits öffnete sich ein Graben zwischen dem Norden und Süden Europas. Die Gelehrten Italiens empfanden alles was nördlich der Alpen geschah als barbarisch. «Das war mit ein Grund, weshalb man Luthers Kritik nicht ernst nahm.» Zudem hatte die katholische Kirche auch schon früher Kritik erlebt und bewältigt. Womit man nicht gerechnet hatte: Dank der Erfindung des Buchdrucks erlangten Luthers Schriften weite Verbreitung und erzielten einen breiten Rückhalt in der Gesellschaft.

Gründung des Jesuitenordens

Die erste Antwort auf die Reformation seitens der katholischen Kirche war die Gründung des Jesuitenordens 1540. Markus Ries hält fest: «Der Jesuitenorden war das Hauptinstrument gegen die Reformation und für die Durchsetzung einer neuen Geschlossenheit.» Hauptpfeiler ihrer Offensive war die Bildung. Denn man hatte in den eigenen Reihen ein Defizit festgestellt, was etwa die Latein- und Bibelkenntnisse von Priestern betraf. «Im 16. Jahrhundert wurden zwischen Portugal und Ostpreussen [heute Polen bzw. Russland, Anm. Red.] über 200 Schulen gegründet», so Ries. Darunter gab es auch Eliteschulen, insbesondere das 1552 geschaffene Collegium Germanicum in Rom. Dieses hatte Adelssöhne zur Zielgruppe, welche – durch die Jesuiten geschult – später Bischöfe werden sollten.

Das Tridentinische Konzil

Die zweite Antwort auf die Herausforderungen der Reformation gab schliesslich das Konzil von Trient. Nachdem bereits von der reformatorischen Bewegung in Deutschland ein Reformkonzil gefordert worden war, hatte 1529 auch Kaiser Karl V. auf die Einberufung eines solchen gedrängt. Er wollte angesichts der Bedrohung durch das Osmanische Reich – die Türken belagerten 1529 Wien – die politischen Kräfte sammeln. Auf Druck des Kaisers wurde das Konzil dann 1536 zwar durch Papst Paul III. einberufen, musste aber wegen kriegerischer Auseinandersetzungen mehrmals verschoben werden. Es fand zwischen 1545 und 1563 in drei Sitzungsperioden statt.

Während man anfangs noch davon ausgegangen war, die abtrünnigen Evangelischen wieder zur Raison zu bringen, erwies sich dieses Ziel bald als unrealistisch. Es ging nun darum, in Abgrenzung zu Luthers Lehre die katholische Position zu formulieren. So beharrte sie darauf, dass allein im lateinischen Bibeltext die volle Wahrheit zu finden sei. Damit stellte sie sich in Opposition zu Luthers Forderung des Bibelstudiums auf der Grundlage des hebräischen und griechischen Textes sowie der deutschen Übersetzung. Die Auslegung des Evangeliums – so die katholische Überzeugung – musste in Übereinstimmung mit der kirchlichen Tradition erfolgen.

Grundlage zur definitiven Spaltung

Unterschiede gab es auch bei den Sakramenten: sieben bei den Katholiken, zwei bei den Reformierten (Taufe und Abendmahl) oder beim Zölibat. Handlungsbedarf sah die katholische Kirche zudem beim Ablasshandel, beim Reliquienkult, der Heiligenverehrung, der Vergabe kirchlicher Stellen oder der Aufsicht über den Klerus. Nicht zur Sprache kam die umstrittene Rolle der Päpste. Markus Ries fasst die Ergebnisse des Konzils zusammen: «Es schuf die ideelle und dogmatische Grundlage, die man dann in der folgenden Generation umsetzte und damit auch die Grundlage zur definitiven Spaltung der Westkirche.»

Für den einfachen Gläubigen wurden die Unterschiede zwischen den zwei Konfessionen am deutlichsten in den Gotteshäusern sichtbar: Der Prachtentfaltung in katholischen stand die Nüchternheit der reformierten Kirchen gegenüber. Spürbar wurde die Spaltung aber auch in zahlreichen Kriegen, die durch Glaubenskonflikte beschleunigt wurden. Das 16. Jahrhundert, so Markus Ries, könne uns deshalb lehren, dass eine intolerante Haltung ein grosses Konfliktpotential birgt.

Sibylle Zambon (20.8.19)

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Deckenfresko von Johann Lucas Kracker, das das Konzil von Trient zeigt (Lyzeum zu Erlau, 1777).

Bild:Wikimedia Commons

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