Alternativprojekte in schwierigen Zeiten

Neben vielen anderen Einschränkungen in der Gemeindearbeit sind auch Proben und Gottesdiensteinsätze von Chören derzeit nicht möglich. Da viele Mitglieder der zahlreichen Kirchenchöre im Thurgau und in Schaffhausen unter dem Singverbot leiden, haben sich einige Dirigenten und Kirchenmusiker aus der Region Ersatzangebote überlegt.

So unter anderem Kirchenmusiker Christoph Honegger, der in Schaffhausen den St. Peterchor und den Kirchenchor St. Maria/St. Konrad leitet. «Ich hatte ein Chormitglied am Telefon, das mich unter Tränen fragte, ob nicht trotzdem irgendein musikalisches Angebot möglich sei. Das hat mich dazu motiviert, etwas auf die Beine zu stellen», erklärt er. Im November des letzten Jahres, als noch Veranstaltungen bis 50 Personen möglich waren, führte er deshalb musikalische Kulturabende mit alternierenden Themen und Gästen in der Kirche St. Konrad durch.

Kultur per Livestream

So beschäftigte sich der erste Kulturabend «Leo der Grosse und das 5. Jahrhundert n. Chr.» mit dem Leben und Wirken des römischen Bischofs und der Zeit, in der er lebte. «Dazu habe ich ein Gespräch mit dem Theologen Eduard Ludigs geführt. Musikalisch wurde der Anlass mit Violine und Klavierklängen umrahmt», so der Kirchenmusiker. An einem weiteren Kulturabend las die Schaffhauser Schriftstellerin Adèle Lukácsi aus ihrem neuen Lyrikband vor, während Christoph Honegger die Texte mit verschiedenen Instrumenten dramaturgisch vertonte. Angebote zum Advent und ein Referat des Jugendseelsorgers Benjamin Spang über christliche Sozialethik in der Finanzwirtschaft rundeten das abwechslungsreiche Programm ab. Der letzte musikalische Abend Mitte Dezember konnte aufgrund der neuen Massnahmenregelung nur noch als YouTube-Livestream stattfinden. «Technisch klappte das einwandfrei, das Publikum hat mir aber schon sehr gefehlt», sagt Christoph Honegger.

Für Körper, Geist und Seele

Parallel dazu bot der Schaffhauser Kirchenmusiker jeweils donnerstags im Pfarreisaal St. Peter gemeinsame Musizierabende an. «Daran haben 8 bis 12 Personen teilgenommen, mit Panflöten, Blockflöten, Gitarren, Perkussion und einem Xylophon. Alle haben mit grosser Lust und Freude mitgemacht », berichtet Honegger. Auch das sei ab Mitte Dezember nicht mehr möglich gewesen. Momentan biete er als Musiklehrer noch Stimmbildungs-Einzelunterricht für Chorsänger*innen, sowie Theorielektionen in der Kleingruppe oder Perkussion-Workshops zu zweit an. «Falls es zu Lockerungen kommt, würde ich meine Angebote im Rahmen des Erlaubten gerne wieder ausbauen », sagt er. Als Vorstandsmitglied des Schweizerischen Katholischen Kirchenmusikverbands versucht Christoph Honegger zudem auf politischem Weg und mittels der eingereichten Petition «Chorsingen in Zeiten von Corona» auf die seiner Meinung nach unrechtmässige Stigmatisierung des Singens Einfluss zu nehmen. Auf die Frage, warum Singen so wichtig sei, antwortet der Schaffhauser Chorleiter: «Singen und Musizieren ist für Körper, Geist und Seele wohltuend. Auch der soziale Aspekt hat ein starkes Gewicht. Singen im Chor tut einfach gut und lohnt, ausprobiert zu werden».

Musikalische Zuversicht

Auch Nicolas Borner, Kirchenmusiker der Pfarrei St. Stefan in Kreuzlingen, vermisst den Chorgesang sehr. «Ich liebe es einfach, mit den Mitgliedern aus der Gemeinde Projekte zu erarbeiten und Musik einzustudieren », sagt er. Da Borner schon vor der Pandemie seinen YouTube-Kanal regelmässig mit Videos bespielte, in denen er beispielsweise Stücke von Bach an der Orgel interpretierte, nutzt er die Plattform nun vermehrt für Alternativprojekte. «Schon während des ersten Lockdowns ist ein Musikvideo entstanden, bei dem alle mitsingen konnten. Dazu haben sich die Teilnehmer* innen zu Hause mit dem Handy beim Singen gefilmt, mir ihr Video zu - geschickt und ich habe es dann so zusammengeschnitten, dass man alle – wie in einem echten Gottesdienst – sah und hörte. Das biete ich nun nochmals an», erklärt Borner. Zudem gebe er den Musikbegeisterten Noten zum Üben für zu Hause, «um sie bei der Stange zu halten». Das finde Anklang in der Bevölkerung. «Die Menschen freuen sich sehr, dass es solche Angebote gibt. Dadurch bekommen sie viel Zuversicht und melden sich schon für kommende Projekte an, obwohl noch gar nicht sicher ist, ob diese überhaupt stattfinden können», erklärt Nicolas Borner.

Grosses Sommerprojekt

Für das laufende Jahr hat er sich viel vorgenommen. «Ich finde es falsch, sich jetzt zurückzuziehen und auf Corona auszuruhen. Man gewöhnt sich sehr schnell an einen solchen Zustand und umso schwerer wird es, später wieder durchzustarten», sagt er. Und ergänzt: «Im Sommer wird es deshalb ein grosses Projekt zum Thema ‹Musik von Gregorianik bis Frühbarock – Die Entwicklung der Mehrstimmigkeit› geben. Dabei werde ich mit interessierten und erfahrenen Sänger*innen tolle und wunderschöne Musik aus über 800 Jahren Kirchenmusikgeschichte erarbeiten und in zwei Konzerten aufführen». Auch die Orgel Z'Nacht solle bald wieder starten. «Singen befreit und schafft Zusammenhalt. Ein gemeinsam eingeschlagener Weg und das zusammen Erreichte geben Kraft und Motivation. Hoffen wir, dass wir bald wieder gemeinsam Singen können», so Nicolas Borner.

Sarah Stutte, forumKirche, 2.3.21


Links und Infos:
• Musikalischer Kulturabend «Advent»: www.youtube.com/watch?v=nQZ7Iin-dXU
•Mitsingvideo von Nicolas Borner: www.youtube.com/watch?v=lncMtVtZvT8
• Kreuzlinger Sommermusikprojekt: Kulturabend www.kath-kreuzlingen.ch


 

Hans Hug
Quelle: ©Hans Hug, Screenshot
Christoph Honegger, hier im Bild mit der Violinistin Flor Stammer, an einem musikalischen 

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