Gericht geht nicht auf Beschwerden ein
Einige Vertreter*innen der Jungfreisinnigen hatten beim Bundesgericht eine Beschwerde eingereicht gegen das Engagement kirchlicher Institutionen bei der Abstimmung zur Konzernverantwortungsinitiative. Das Gericht beurteilte im Blick auf den Ausgang der Abstimmung die Beschwerde nun als gegenstandslos.
Es war eine konzertierte Aktion: In fünf Kantonen (Aargau, Bern, St. Gallen, Thurgau und Zürich) wandten sich Vertreter*innen der Jungfreisinnigen mit einer Abstimmungsbeschwerde an die jeweiligen Regierungen. Sie forderten, die Kirchen dazu zu verpflichten, sich bei Abstimmungen in der Öffentlichkeit vollständig zurückzuhalten, sogar in Predigten. Nachdem die Regierungen sich in Bezug auf die Beschwerde wegen «über - kantonaler Auswirkungen» nicht zuständig sahen, bzw. die Forderungen nach Einschränkung der Kirchen abgewiesen hatten, zogen die Beschwerdeführer*innen mit ihrem Anliegen vor das Bundesgericht. Dieses entschied am 23. März, die Beschwerden «als gegenstandslos geworden abzuschreiben », weil durch den Ausgang der Abstimmung das aktuelle Interesse an den Beschwerden hinfällig sei. Ebenso lehnte es eine grundsätzliche Klärung dieser Frage ab. Es stellte allerdings in Aussicht, «in einem ähnlich gelagerten Fall» die Beschwerden zu überprüfen.
Auf den Stil kommt es anUrs Brosi, Generalsekretär der katholischen Landeskirche Thurgau, versteht einerseits das Interesse an einer grundsätzlichen Klärung dieser Frage, wie sie unter anderem die Bundeskanzlei gefordert hatte. Unter Umständen wäre diese sogar positiv für die Kirchen ausgefallen. Auf der anderen Seite ist er «nicht traurig, dass es keine inhaltliche Entscheidung gab, dass diese Frage in der Schwebe bleibt.» Denn aus seiner Sicht ist das Spannungsverhältnis, in dem sich die Kirchen befinden, juristisch nicht einfach zu aufzulösen. Sie sind zwar öffentlich-rechtliche Körperschaften, haben aber im Vergleich zur öffentlichen Verwaltung keine Hoheitsrechte, die bei Abstimmungen zur unrechtmässigen Einflussnahme missbraucht werden könnten. Damit kann ihnen nicht die gleiche Zurückhaltung auferlegt werden. Der Kirchenrechtler hält es deshalb für den besseren Weg, wenn die Kirchen selbst nach einer angemessenen Antwort suchen. Die weitgehenden Forderungen der Beschwerdeführer* innen weist er entschieden zurück: «Die Kirche soll nicht nur die Wunden der Menschen pflegen, die unter die Räder der Macht gekommen sind, sondern soll diesen Rädern auch in die Speichen greifen. Da ist die katholische Soziallehre eindeutig.» Aus seiner Sicht kommt es aber auf den Stil an: «Oberflächliche Parolen nützen nichts. Wir müssen sachlich argumentieren und in die Tiefe gehen.» Auf gar keinen Fall dürfe dem, der eine andere Meinung vertritt, das Christsein abgesprochen werden.
PerspektivenUnd was bedeutet der Entscheid für künftige Abstimmungen mit ähnlichen Themen? Urs Brosi hält es durchaus für möglich, dass weitere Beschwerden gegenüber den Kirchen eingereicht werden. Da die Landeskirche in einem solchen Fall innerhalb der kurzen Frist von drei Tagen Stellung beziehen muss, erwägt er, für diesen Fall vorab schon eine detaillierte Stellungnahme auszuarbeiten.
Detlef Kissner, forumKirche, 13.4.21
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