Flüchtlingscafés in Weinfelden und Neuhausen
Der UNHCR schätzt, dass es Mitte 2022 bereits mehr als 100 Millionen Flüchtlinge weltweit geben wird. Dieser Negativrekord stellt die Weltgemeinschaft vor grosse Herausforderungen. Am Weltflüchtlingstag, 20. Juni, richtet sich der Blick auf diese notleidenden Menschen. Anlässlich dieses Aktionstages sollen hier exemplarisch zwei Projekte vorgestellt werden, die Geflüchteten das Ankommen in der Schweiz erleichtern.
Als im Zuge der grossen Flüchtlingswelle im Jahr 2015 auch in der Schweiz mehr Menschen Asyl beantragten, sahen sich die fünf Kirchen von Weinfelden in der Verantwortung, gemeinsam etwas für die Ankommenden zu tun. Vertreter*innen der Freien Christengemeinde, der Chrischona, der Evangelisch-methodistischen Kirche sowie der evangelischen und katholischen Kirchgemeinde riefen das Asylcafé COME IN ins Leben, das wöchentlich für zwei Stunden öffnete. Veronika Portmann, die mit einem kleinen Team heute das COME IN leitet, war von Anfang an dabei: «Ich hatte das Bedürfnis, etwas für diese Menschen zu tun.» Die Möglichkeit, dabei mit Christen anderer Konfessionen zusammenarbeiten, fand sie sehr reizvoll. Als das Café im Frühjahr 2016 startete, besuchten es vor allem junge Männer aus Eritrea. Später waren es vermehrt Familien aus Syrien und Afghanistan. «Das Angebot war und ist zum Teil noch heute auf Integration ausgerichtet», erklärt Veronika Portmann. Der Austausch und gemeinsame Unternehmungen wie Kochen, Ausflüge oder Sportanlässe hätten dazu beigetragen, dass Flüchtlinge und Helfer*innen gegenseitig mehr von ihrer Kultur kennenlernen würden. Im Café seien auch Deutsch gelernt und Hausaufgaben besprochen worden. Schliesslich habe es sich ebenfalls zur Anlaufstelle für Alltagsfragen entwickelt z. B. bei Arztbesuchen oder der Erledigung von Formalitäten.
Zwei Flüchtlingsgruppen
Mit dem Rückgang der Flüchtlingszahlen schrumpfte auch die Zahl der Gäste im COME IN. Während der Corona-Zeit hatte es bis auf eine kurze Phase ganz geschlossen. Diese Entwicklungen machten einen Neustart nötig. So kamen Anfang des Jahres die Verantwortlichen zusammen, um sich über die Zukunft des Cafés zu beraten. Nach Beginn des Ukraine-Krieges war klar, dass es das COME IN weiterhin braucht. Zum ersten Treffen wurden nur ukrainische Flüchtlinge eingeladen. Der katholische Pfarrer von Weinfelden feierte mit den mehrheitlich orthodoxen Christ*innen ein einfaches Osterritual. «Die Feier hat die Anwesenden sehr berührt. Es war für sie eine Gelegenheit, an ihre Angehörigen zu denken», sagt Veronika Portmann. In der nächsten Woche waren die Flüchtlinge aus dem Durchgangsheim, die überwiegend dem muslimischen Glauben angehören, zu einem Nachtessen eingeladen. Beim dritten Treffen wagten die Verantwortlichen den Versuch, das Café für beide Gruppen zu öffnen. Das Angebot wurde gut angenommen, die Gruppen blieben allerdings je für sich. «Vielleicht mischt es sich irgendwann. Aber das muss nicht sein. Jede Gruppe hat ihre eigenen Themen», so Portmann. Inzwischen organisierte das Leitungsteam zwei Sprachkurse für ukrainische Flüchtlinge, die bisher keinen Platz bei den vom HEKS angebotenen Kursen ergattern konnten. Für die Durchführung des Cafés ist das Team weiterhin auf der Suche nach Helfer*innen und Kinderbetreuer*innen.
Begegnungstreff eröffnet
Im Pastoralraum Neuhausen-Hallau war die Ausgangssituation eine andere. Dort überlegten die Verantwortlichen zu Beginn des Ukraine-Krieges, wie man geflüchteten Menschen am besten helfen könne und was man ihnen hier zu bieten habe. «Uns war klar, das sind unsere Räumlichkeiten», sagt Pfarreiseelsorgerin Andrea Honegger. Die Pfarrei ist unter anderem Eigentümerin eines Cafés, das den Pfarreiangehörigen zur Begegnung offensteht. «Wir wollten die Menschen aus der Ukraine in einer gemütlichen Umgebung willkommen heissen», so Honegger.
Nach einer kurzen Vorbereitungsphase öffnete der Begegnungstreff Mitte April. Es kamen über 40 Ukrainer*innen, vorwiegend Erwachsene. Beim zweiten Treff, vierzehn Tage später, waren etwas weniger und zum Teil ganz andere Personen anwesend, dafür aber mehr Kinder. Dieser Trend setzte sich beim dritten Treffen fort. Ein kleines Grüppchen ist regelmässig dabei. «Die Anwesenden nutzen die Gelegenheit, Kontaktdaten untereinander auszutauschen, um sich weiterhin privat zu treffen. Der Treff dient der Vernetzung und erfüllt damit seinen Sinn», sagt Andrea Honegger.
Begegnung in Eigenverantwortung
Ziel des Begegnungstreffs war von Anfang an, dass die Gäste im Laufe der Zeit selbst Verantwortung übernehmen und die Organisation in ihre Hände übergeht. «Die meisten wollen gar nicht bedient werden, sondern selber die Ärmel hochkrempeln», weiss Andrea Honegger. Deshalb wurden beim vierten Treffen Listen für die Kuchenspenden ausgelegt, in die sich auch die Gäste eintragen konnten.
Wie es mit dem Begegnungstreff weitergeht, möchte das Leitungsteam vor dem letzten geplanten Treffen Mitte Juni entscheiden. Nach der Auswertung soll geschaut werden, ob er fortgeführt wird oder nicht. Unabhängig davon zieht Andrea Honegger ein positives Resümee: «Es ist wichtig, dass die Pfarrei ein Zeichen des Willkommens gesetzt hat.»
Detlef Kissner, forumKirche, 08.06.2022
Flüchtlingssonntag
In Anlehnung an den Weltflüchtlingstag finden in der Schweiz die Flüchtlingstage statt. Diese werden immer am dritten Wochenende im Juni in über 200 Schweizer Städten und Gemeinden gemeinsam mit den Flüchtlingen begangen. Zu den Flüchtlingstagen gehört auch der Flüchtlingssonntag der christlichen Kirchen. Er ist jenen Menschen gewidmet, die aus Not ihre Heimat verlassen haben und Schutz in der Schweiz suchen.
Kommentare