Eine Gemeinschaft, die sich für Notleidende einsetzt

Sant’Egidio ist in der Schweiz ein Nischenprodukt. Dabei engagiert sich die Gemeinschaft weltweit seit 50 Jahren für Menschen am Rande der Gesellschaft. 

Für das Elend der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer hat Sant’Egidio handfeste Lösungen entwickelt. Die Gemeinschaft hat zusammen mit der Union der evangelischen Kirchen in Italien, den Waldensern und der Regierung humanitäre Korridore eingerichtet und die Verantwortung inklusive der Kosten übernommen. Freiwillige reisen direkt zu den Flüchtlingen. Eine Liste besonders Betroffener (Kinder, Kranke, Behinderte und alte Menschen) wird dann den italienischen Behörden vorgelegt, welche humanitäre Visa erteilen. Nach der Reise per Flugzeug können die Flüchtlinge in Italien ihren Asylantrag stellen. Seit 2016 sind um die 2000 Kriegs-Flüchtlinge angekommen, erklärt Cesare Zucconi, Generalsekretär von Sant’Egidio. «Es ist ein erfolgreicher Weg, der nicht nur Menschenleben rettet, sondern durch die Zusammenarbeit der Zivilgesellschaft eine gute Integration ermöglicht.» In Frankreich hat die Organisation 2017 ein vergleichbares Abkommen geschlossen. 

Gebet und Einsatz 

Andrea Riccardi gründete 1968 mit 18 Jahren Sant’Egidio in Rom als Laienbewegung von Schülern und Studenten. Als Mitglieder gehören heute etwa 60'000 Männer und Frauen aus 70 Ländern und verschiedenen Kirchen zur Gemeinschaft; dazu kommen Sympathisanten. Sie arbeiten unentgeltlich und kommen aus allen Altersgruppen, Kontinenten sowie sozialen Schichten. Das Durchschnittsalter beträgt 35 Jahre. Zentrale Punkte sind das Hören auf das Wort Gottes, das Gebet, die Freundschaft mit den Armen, die Ökumene, der interreligiöse Dialog, sowie der Einsatz für Frieden und Menschenrechte. Einen guten Querschnitt der Arbeit bietet Sant’Egidio Antwerpen. Hier wurden in einem aufgehobenen Kloster Sanitäranlagen für wohnungslose Menschen eingerichtet; Ärzte behandeln diese Menschen gratis. Bedürftige können am Tisch in Würde essen. Dazu kommen Beratung, Aufgabenhilfe für Kinder sowie ein kleines Altersheim. Vereinsamte werden zu Hause oder im Heim besucht. 

Auch in der Migrationsarbeit ist Sant’Egidio tätig: Die Schule für Sprache und Kultur bietet in unterschiedlichen Ländern kostenlose Sprachkurse und eine Einführung in die Kultur des Gastlandes an. Flüchtlinge und Migranten haben zudem 1999 die Bewegung «Menschen des Friedens» ins Leben gerufen, für Integration, Begegnung der Kulturen, Religionen, Austausch und Friedensarbeit. Treffen, Konferenzen, Gottesdienste und Andachten gehören immer mit dazu bei Sant’Egidio. Wobei nicht alle Engagierten der Kirche nahestehen. 

Hilfe bei Aids 

Ein weiterer Schwerpunkt ist HIV/Aids im Drug Resource Enhancement against AIDS and Malnutrition DREAM-Programm in Afrika. Zur Therapie, Vorbeugung der Mutter-Kind-Übertragung von HIV, Behandlung von Infektionen kommen Aufklärung, Aufbau von Selbsthilfegruppen, Fortbildung oder Lebensmittelhilfen. Ziel ist dabei ein europäischer Standard; die Patienten werden kostenlos behandelt. DREAM betreibt in zehn afrikanischen Ländern 38 Tageskliniken, die in die nationalen Aids-Programme integriert sind. Seit 2002 wurden mehr als 150’000 Patienten und 21’000 Kinder HIV-positiver Mütter behandelt, die HIV-Übertragungsrate auf Neugeborene von etwa 30 auf zwei Prozent gesenkt. Sant’Egidio engagiert sich ebenfalls in der Forschung. Dazu leistet es anerkannte Friedensarbeit. Die Gemeinschaft war an erfolgreichen Friedensverhandlungen beteiligt, etwa für Guatemala, den Kosovo, die Elfenbeinküste, den Südsudan und Mindanao (Philippinen). Ihr grösster Erfolg war die Mitarbeit an der Vermittlung des Friedensvertrags für Mosambik 1992, der den 16-jährigen Bürgerkrieg beendete.

Nicht müde werden 

«Heute müssen wir Widerstand leisten, dürfen aber nicht pessimistisch werden. Christen müssen sich besonders am Rand engagieren, wo das Leid und die Schwierigkeiten grösser sind. Von dort kann die Veränderung beginnen. Aber sie fängt im Herzen jeder Person an. Unser Kompass sind die Bibel, die Freundschaft zu den Armen und die Überzeugung, dass alles, was in der Welt passiert, uns angeht», so Cesare Zucconi. In der Deutschschweiz und im Tessin gibt es keine Gemeinschaft aktiver Mitglieder, wie Claudia Antonini, Vorstand des Vereins Sant’Egidio Schweiz, berichtet. «In Lausanne hat sich eine Gemeinschaft mit einem Dutzend Mitgliedern sowie den dazugehörigen Kindern und Jugendlichen gebildet, die sich für betagte Menschen, Flüchtlinge und Roma engagiert. Dazu kommt ein Weihnachtsessen für Menschen am Rand.» Herzlichen Glückwunsch zu 50 Jahren guter Arbeit! 

Christiane Faschon 



Nähere Infos: www.santegidio.org


 

Die Mitarbeitenden eines DREAM-Gesundheitszentrums in Mosambik.

Bild: zVg

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