Redewendungen aus der Bibel

Mit dem Wort «Tohuwabohu» werden eine äussere Unordnung in einem Zimmer, einer Wohnung oder auf einem Platz beschrieben, aber auch chaotische und ungeklärte Zustände in Beziehungen von Menschen. 

«Wirkmächtig», nannte mein Lehrer Gerhard Lohfink den Satz: «Ich erkläre hiermit die Olympischen Spiele von…für eröffnet.» Nach diesem Satz des Staatspräsidenten des austragenden Landes wird die olympische Hymne gespielt, während die olympische Flagge ins Stadion getragen wird. Dann wird der olympische Eid gesprochen und das Feuer entzündet. Vorher haben etliche gesprochen, getanzt, gesungen, Mannschaften sind eingezogen. Es wurde applaudiert und durch die Fernsehstationen aller Welt übertragen. Aber auf diesen einen Satz hin können die Spiele beginnen. 

Einen solch wirkmächtigen Satz wünschen sich Mütter oder Väter, die vor dem täglichen Chaos im Kinderzimmer verzweifeln. «Nie wieder Krieg», war die starke Mahnung zehn Jahre nach Ausbruch des Ersten und 15 Jahre vor dem Zweiten Weltkrieg. Das wirkmächtig kraftvoll ausgesprochene Wort verebbt häufig wirkungslos. Das menschliche Wort ist kein Magnet, den man ansetzt und nach dem sich das Chaos wie Metallnadeln ordnet. 

«Nichts kann existieren ohne Ordnung. Nichts entstehen ohne Chaos», schrieb Albert Einstein, nicht zum Trost der Eltern, die vor dem Tohuwabohu des Kinderzimmers verzweifeln, noch zum Widerspruch der Hoffnung auf Frieden, sondern aus naturwissenschaftlicher Erkenntnis.

Am Anfang steht laut Schöpfungsbericht (Gn 1,2) das Tohuwabohu, oft mit «wüst und leer» übersetzt. Zumindest was das «leer» betrifft, war offenbar das Gegenteil zutreffend. Unvorstellbar dicht muss der Anfang gewesen sein, und auch unvorstellbar heiss, konzentriert auf einen Punkt, kleiner als ein Atom. Die ersten 380‘000 Jahre war es dunkel im Universum, weil die Materie so dicht war, dass die Photonen keine Chance hatten, zu entkommen. Aber nach dieser Zeitspanne wurde es Licht. Als der Schöpfungshymnus in nachexilischer Zeit (5. bis 3. Jahrhundert v. Chr., ein später alttestamentlicher Text) geschrieben wurde, offenbarte sich Gott in der Natur. Das war neu. Zuerst hat er sich in der Befreiungsgeschichte erwiesen, dann im Wort der Propheten. Die Offenbarung in der Schöpfung ist nicht an Sprache und Zeit gebunden. Sie ist universal. Der Mensch aber wird in seiner Widersprüchlichkeit beschrieben und dass er alles, was er hat und ist, sich nicht selbst verdankt. Das ist der Anfang. 

Kinder haben sich diesen Anfang bewahrt. Sie kommen nicht als leere Blätter auf die Welt. Sie lieben Umwege. Und sie lernen durch Fehler und Widersprüche. Wenn wir das doch für uns Erwachsene auch behaupten könnten! 

Christine Rammensee, Theologin

Ausgabe Nr. 22/2018

Bild: Sarah Stutte

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