Anders Stokholm plädiert für eine vielfältige Gesellschaft

Anders Stokholm, Sie sind 100 Tage im Amt als Präsident der Schweizerischen Gemeinnützigen Gesellschaft (SGG). Bei Ihrem Amtsantritt sagten Sie, Sie wollten sich gegen die Spaltung und Polarisierung in der Gesell­schaft einsetzen. Konnten Sie den Hebel schon ansetzen ?
Ich durfte die 1.-August-Rede auf dem Rütli halten. Ich habe auf den Bund, die Verbindung und auf die Verbündung hingewiesen mit all den Vereinen und Gemeinschaften, die wir in der Schweiz haben. Das ist ein gutes Modell und so können wir weiter zusammenarbeiten. Es ist nicht so, dass das in der Vergangenheit anders gewesen wäre. Es war vielleicht ein bisschen unter Druck geraten mit einigen polarisierenden Strömungen, die wir in der Gesellschaft haben.

Sie sprechen die turbulenten Zeiten an, welche die SGG hinter sich hat. In einem NZZ-Artikel wurde, vor Ihrem Amtsantritt, von «nordkoreanischen Verhältnissen» gesprochen. Wo steht die SGG heute ?
Wir stehen gut da. An der Versammlung im Juni wurde vieles auf den Weg gebracht. Die Statuten sind überarbeitet worden. Wir haben auch die einzelnen Gremien nochmals unter die Lupe genommen und die entsprechenden Entscheide gefällt, beispielsweise bezüglich Mitgliedschaft. Jetzt sind wir an einem guten Punkt und wir haben ein neues Spesenreglement. Alle Sachen, die kritisch moniert worden sind, die sind jetzt geregelt. Darauf können wir aufbauen und sind auf einem guten Weg in ruhigere Gewässer.

Als Präsident der SGG sind Sie sozusagen Besitzer der Rütliwiese und hielten in diesem Jahr die 1.-August-Rede. Was war Ihre wichtigste Botschaft ?
… dass die Vielfalt der Schweiz eine Stärke ist, die wir nutzen sollten, und wir die Instrumente, um diese zu nutzen, auch schon haben. Wir haben viele Gemeinschaften, Verbindungen und Vereine, bei denen im Vordergrund steht, dass man sich gegenseitig ergänzt und miteinander etwas Gutes, Schönes, Grosses erreicht. Auf dieser Tradition wollen wir weiter aufbauen.

Sie sagen, etwas Grosses erreichen. Aber die Wichtigkeit liegt doch gerade in den kleinen Zellen unserer Gesellschaft, den Vereinen und freiwilligen Organisationen. Müssen wir alles globalisieren oder in Ihrem Fall helvetisieren ?
Nein! In der Abfolge habe ich Gutes, Schönes und Grosses gesagt. Das ist nicht im Sinne von gegenseitigem Potenzieren gemeint. Entweder-oder kann es auch sein oder etwas im Kleinen für einen selbst. Damit lässt sich dann wieder Grosses bewirken, Stichwort « think local, act global ». Ich glaube, da gibt es ganz viele Möglichkeiten. 

Sie haben gesagt, Sie wollen sich – intern und extern – für Zusammenhalt einsetzen. Was braucht es dazu konkret ?
Wir sind ein Verein mit unterschiedlichen Menschen. Wir haben einige Mitglieds­anträge, die wir behandeln müssen, die sind teilweise schon länger pendent und müssen beantwortet werden. Dort haben wir selbst etwas zu tun, aber auch in der Gesellschaft gibt es einiges. Wir haben Projekte und Programme, mit welchen die SGG arbeitet, die dem Zusammenhalt dienen. Ich bin überzeugt, diese braucht es auch. Da wäre ich dann beim Bedarf der Gesellschaft. Ich habe nicht den Eindruck, dass wir es nicht nötig hätten, uns für den Zusammenhalt einzusetzen. Gerade jüngst ist eine Studie erschienen über die « Bubbles », in denen man sich bewegt, eine Erfahrung, die wir alle machen. Jetzt ist es sogar wissenschaftlich belegt. Die Fakten  bestätigen das eigene Gespür und zeigt auf: Wir dürfen gerne raus aus unserem gewohnten Umfeld und über den Tellerrand hinaus­schauen und uns mit jemandem an den Tisch setzen, der völlig anders tickt. Solche Programme hat die SGG.

Sie haben Ihren Rücktritt als Stadtpräsident von Frauenfeld angekündigt. In neun Monaten ist es so weit. Wohin geht Ihre berufliche Reise ? Zurück in die Kirche? Sie haben Theologie studiert.
Es tut sich etwas, das ist klar. Es wird eine Kombination sein aus Festanstellung, aber auch freiberuflichem Engagement, Selbständigkeit oder Mandaten, wie die SGG eines ist. Ich hätte gerne noch andere. Ich bin gerade in einer CAS-Ausbildung in Verwaltungsrecht an der Uni St. Gallen. Eine Kombination daraus wird eine spannende Herausforderung ergeben.

Interview: Ralph Weibel, forumKirche, 18.9.24

Maggi-Würfel und Pro Senectute
Gegründet wurde die SGG 1810 von Freisinnigen, um « die geistige und materielle Wohlfahrt der schweize­rischen Bevölkerung » zu fördern. Sie initiierte unter anderem die Pro Senectute, die Pro Juventute oder die Mobiliar-Versicherung, sie regte den Maggi-Würfel an, als preiswerte Nahrung für die Arbeiterschaft, und ist den meisten bekannt als Verwalterin der Rütliwiese und Organisatorin der dortigen 1.-August-Feier.

 

Anders Stokholm
Quelle: Ralph Weibel
Noch stapelt sich die Arbeit von Anders Stokholm in seinem Büro im Rathaus Frauenfeld.

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