Gedanken zum missionarischen Wirken der Kirche

Daniel Kosch, Generalsekretär der Römisch-katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ), hat «zehn Anregungen» zur Diskussion über das Mission Manifest (MM) verfasst. An einer Tagung am Studienzentrum für Glaube und Gesellschaft an der Universität Freiburg hat er diese vorgestellt. Im Interview mit kath.ch setzt er sich mit Aussagen des MM auseinander.

Was bedeutet Mission für Sie?

Mission ist der Auftrag der Christinnen und Christen, gegenüber den Menschen in der Welt von heute ihren Glauben zu bezeugen. Durch ihre Lebensweise, ihre Worte und ihr Handeln kann das Evangelium auch Menschen erreichen, die dazu keinen eigenen Zugang haben.

In welchen Punkten fühlen Sie sich durch das MM herausgefordert?

Das MM spricht ohne Umschweife vom Glauben. Das fordert Menschen, die mit kirchlichen Strukturen zu tun haben, heraus, nicht im Hinterfragen und Problematisieren stecken zu bleiben, sondern sich zu fragen: Was haben wir denn eigentlich zu sagen und wie sagen wir es?

Also eine Aufforderung, über Inhalte des Glaubens zu sprechen?

Ja, wir haben sogar kirchenintern eine Scheu, darüber zu sprechen, was wir eigentlich glauben, was die zentrale Gestalt Jesu unserer Zeit wirklich zu sagen hat. Das Manifest macht darauf aufmerksam, nicht immer nur die ethischen Aspekte zu betonen. Der christliche Glaube gibt darüber hinaus eine Hoffnung, die helfen kann, in diesem Leben zu bestehen, und die es wert ist, dass man sie zur Sprache bringt.

Welches Thema müsste Ihrer Meinung nach im MM noch vertieft werden?

In erster Linie das Jesus-Thema selber. Das Hauptanliegen des MM ist, dass die Menschen «zu Jesus finden». Jesus ist aber in verschiedener Hinsicht eine fremde, sogar anstössige Gestalt. Jesus stellt Anforderungen, die wir nicht unbedingt gerne hören, wenn er zu Besitzverzicht oder Feindesliebe aufruft. Dazu braucht es Information und Reflexion.

Sie plädieren für eine Erweiterung des Missions-Verständnisses…

Das Zweite Vatikanische Konzil und das Kirchenrecht bezeichnen auch das diakonische Wirken als missionarisch. Das ist nicht nur individuell, sondern auch politisch zu verstehen. Es geht auch um Rahmenbedingungen, damit menschliches Leben gedeihen kann. Dieses Thema kommt im MM kaum vor. Damit weicht es gewissen Konflikten aus, denn bei der Frage, wie eine gerechte Gesellschaft aussieht, gehen die Meinungen auseinander.

Braucht es auch eine Erweiterung auf theologischer Ebene?

In vielen Texten des Zweiten Vatikanischen Konzils ist das Bewusstsein da, dass Gott das Heil aller Menschen will, unabhängig davon, ob sie gläubig sind oder nicht. Das heisst, wenn wir heute auf Menschen zugehen, gehen wir nicht auf rettungsbedürftige «verlorene Seelen» zu, sondern auf Menschen, die sowieso schon mit Gott zu tun haben. Das nimmt dem missionarischen Wirken eine gewisse Dringlichkeit. Bevor ich über meinen Glauben rede, will ich hören, was mein Gegenüber glaubt. Davon kann ich etwas lernen, daran anknüpfen. Das ist natürlich anspruchsvoller, weil es einen selber auch in Frage stellt.

Das MM kritisiert kirchliche Strukturen. Warum braucht es die Kirche weiterhin?

Es stellt sich die Frage: Wie sind wir in einer Gesellschaft, in der alles miteinander verknüpft ist, mit dem Evangelium präsent? Glaubwürdige Christinnen und Christen allein vermögen das Potenzial, das im christlichen Glauben enthalten ist, zu wenig auszuschöpfen. Es braucht kirchliche Institutionen, damit man gemeinsam etwas bewirken kann, und damit man unabhängig von der Person ein Gegenüber ist für die Institution, in der man sich bewegt.

Sehen Sie konkrete Möglichkeiten, den gemeinsamen Dialog weiterzuführen?

Der gegenseitige Austausch ist sehr wichtig. Bei allem Verständnis dafür, dass man nicht dauernd mit frommen Wörtern um sich werfen soll, ist es wichtig, dass in der Jugendarbeit, im Religionsunterricht, in der Erwachsenenbildung oder in unseren Gremien der inhaltliche und explizite Bezug zum Evangelium zum Ausdruck kommt. Auf der anderen Seite können sich Gruppen, die dem Gebet eine grosse Wirkung zusprechen, auch einmal anderswo orientieren: Was macht eine professionell aufgestellte Caritas, wenn sie Menschen in Krisen berät? Ist das nicht auch ein Stück gelebtes Evangelium? Das soll man sich nicht gegenseitig absprechen.

Interview: Sylvia Stam/Red. (15.1.19)


Mission Manifest (MM)

MM ist eine private Initiative von Katholiken, die im Januar 2018 im Gebetshaus Augsburg lanciert wurde. In zehn Thesen rufen sie zu einem missionarischen Aufbruch innerhalb von christlichen Bewegungen und Gemeinschaften auf. 


 

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SPI-Leiter Arnd Bünker

Bild: ©Sylvia Stam/kath.ch

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