Ein neues Führungsformat im Museum zu Allerheiligen
Der Kurator Andreas Rüfenacht und der Theologe Adrian Berger starten im Schaffhauser Museum zu Allerheiligen eine neue Form von Museumsführung. Beide Fachleute befragen aus ihrer Perspektive das jeweilige Kunstwerk. Sie treten miteinander in einen Dialog, in den sich auch das Publikum mit persönlichen Eindrücken einbringen darf.
Die Anregung geht stets vom genauen Betrachten des Kunstwerkes aus. Welche Themen spricht das Werk an? Was löst ein Bild an Fragen und Reaktionen aus? Wie deutet ein Kunsthistoriker, wie ein Theologe bestimmte Bildgegenstände? «Oft liegen transzendentale Themen in gegenständlicher oder ungegenständlicher Kunst verborgen», sagt Adrian Berger. «Herkunft von Welt und Dasein und deren Zukunft spielen oft untergründig eine Rolle. Sie sind die Zeichen, die es zu entdecken gilt.» Wenn man über Gott und die Welt spricht, kann sich eine unplanmässige Dynamik im Dialog der Fachleute und gemeinsam mit dem Publikum entwickeln. Das Kunstobjekt bleibt der Impuls für einen offenen Diskurs.
Was dem Kunsthistoriker Religion bedeutet
Andreas Rüfenachts religiöse Wurzeln wurden durch seine christliche Familie geprägt. Im Laufe der Jugend- und Studienzeit war er auf der Suche nach neuen Wegen und setzte sich mit Glauben und Kirche auseinander. «Mittlerweile habe ich die Sprache dafür verloren», resümiert der Kurator. Andererseits fühlt er sich bei seiner Vorliebe für barocke Musik wie Bachs geistliche Werke emotional berührt. Diese Berührung erlebt er als Transzendenz. In seinem Schwerpunkt für ältere Kunst faszinieren ihn die Assoziationen zu den grossen Fragen der Menschheit.
Was dem Theologen Kunst bedeutet
Eine Reproduktion einer ungegenständlichen Arbeit von Kandinsky hing im Elternhaus von Adrian Berger und löste bei ihm das Kunstinteresse aus. Als Kind fühlte er sich vom Bild unmittelbar angesprochen, aber verstand es nicht zu deuten. «Dieses Ansprechende – ein Geheimnis – wollte ich besser kennenlernen», schildert der Theologe, und je mehr er sich damit befasste, umso geheimnisvoller wurde es für ihn. Während der Schulzeit und des Philosophiestudiums befasste er sich mit Kunstgeschichte. Später interessierte ihn christliche Ikonografie, das heisst die Bedeutung von Symbolik und Motiven in der Kunst. Wie interpretiert ein Künstler einen ihm vorgegebenen biblischen Stoff? Diese Frage fesselt Adrian Berger bis heute.
Fragen zu Existenz und Identität
Jede Veranstaltung in der Reihe «Über Gott und die Welt» erhält ein Thema, zu dem die beiden Gesprächspartner eine Auswahl an Objekten zusammenstellen. Die erste Führung, die am 28. Januar um 14 Uhr stattfindet, beschäftigt sich mit «Fragen zu Existenz und Identität». Es könnte Denkanstösse in einer Dialog-Runde geben, wie zum Beispiel: Wie spiegelt sich die Identitätsfrage in einem Bild wider? Was sagt ein Porträt oder Selbstporträt über den Kunstschaffenden aus? Was hat das mit mir als Betrachtendem zu tun? «Der Impuls kommt immer vom Bild her. Es ist etwas Externes, das auf uns wirkt», sagt Adrian Berger. Unterschiedliche Deutungen oder Emotionen sollen den Dialog im Museum beleben und neue Erfahrungsräume eröffnen.
Judith Keller, 09.01.2024
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