Lagerspass für geflüchtete Jugendliche
Jeweils im August macht sich eine Gruppe Jugendlicher mit Fluchterfahrung auf in Richtung Berner Oberland. Es ist eine Woche, in der sie einfach Teenager sind und keine Flüchtlinge: Sie gehen in die Badi, knüpfen Bändeli, springen Trampolin oder gehen wandern.
Nora Engler hat dieses Jahr zum dritten Mal das interkulturelle Sommerlager von youngCaritas verantwortet. Gemeinsam mit einem Leitungsteam von zwölf Freiwilligen organisierte sie eine Woche Lagerspass für 30 Jugendliche mit und ohne Fluchterfahrung.
Nora Engler, was war Ihr Höhepunkt der vergangenen Lagerwoche?
Dieses Jahr habe ich das Seilziehen für mich entdeckt, das hat riesig Spass gemacht. Auch alle Aktivitäten mit Wasser kommen immer gut an – früher oder später gibt es eine Wasserschlacht. Beim Sport-Turnier, der Pingpong-Meisterschaft oder in der Badi konnten sich die Jugendlichen so richtig auspowern. Ateliers zum Bändeliknüpfen oder Drachenbasteln boten die Möglichkeit, herunterzufahren und sich in Gesprächen zu verlieren.
Wie macht sich der Fluchthintergrund der Jugendlichen bemerkbar?
Wir gehen zum Beispiel nicht zelten. Auf Luxus zu verzichten, mag für uns ein Abenteuer sein. Für andere kann es an eine bittere Erfahrung in einem Flüchtlingscamp erinnern. Zudem buchen wir bewusst Unterkünfte mit kleinen Zimmern: Ein Massenschlag ist nur ein Spass, wenn du sonst dein eigenes Zimmer hast. Wenn Jugendliche sich mitteilen und über Sorgen sprechen wollen, haben wir stets ein offenes Ohr. Unser Leitungsteam ist entsprechend weitergebildet und sensibilisiert. Grundsätzlich ist das Thema der Flucht im Lager aber nicht sehr präsent. Wir stellen Spass, Freunde und Selbstwirksamkeit in den Fokus. Wir unterstützen die Teilnehmenden, ihre Stärken zu erkennen.
Wie erleben Sie diesen kulturellen Mix?
An den Talent-Abenden durften wir schon die unterschiedlichsten Tänze, Spiele und Bräuche kennenlernen. Auch singen wir viel: am Lagerfeuer, etwas schräg und in ganz vielen Sprachen. Es bewegt mich immer wieder aufs Neue, wie Musik die schüchternsten Menschen aus der Reserve lockt. Einmal hat ein Junge, der die ganze Woche sehr ruhig war, ein afghanisches Volkslied vorgetragen – zwei Minuten lang, ganz allein und mit einer betörend schönen Stimme. Diese Entwicklungen im Laufe der Woche überraschen uns immer wieder. Zu Beginn sind wir uns noch fremd und wir spüren die unterschiedlichen Lebensrealitäten. Es braucht viel Vermittlung. Im Laufe der Woche pendelt sich dann alles ein, wir einigen uns gemeinsam auf Regeln, lernen uns immer besser kennen.
Was haben alle gemein?
Vieles. Witze erzählen zum Beispiel, das ist immer ein Hit. Letztes Jahr haben zwei Jungs versucht, uns einen Witz zu erzählen. Sie gaben sich grosse Mühe und trotzdem haben wir den Witz nicht wirklich verstanden. Gelacht haben wir trotzdem.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Dass wir dieses Projekt noch möglichst lange weiterführen können. Die Nachfrage ist gross. Dieses Jahr hatten wir so viele Anfragen, dass wir ein zweites Lager hätten durchführen können. Und natürlich wünsche ich mir, dass sich auch weiterhin so viele Menschen freiwillig engagieren. Sie sind das Herz des Lagers. Zum Abschied sagte ein Junge zu mir: «Frau Nora, nächstes Jahr machen wir das einen ganzen Monat lang!»
Laura Schneider, Caritas Schweiz/Red., 29.08.2023
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