50 Jahre kirchliche Forschung

Das Schweizerische Pastoralsoziologische Institut (SPI) feiert im nächsten Jahr in St. Gallen sein 50-jähriges Bestehen. Was sich seitdem für das SPI verändert hat und warum sich die Kirche weiter verändern muss, erklärt SPI-Leiter Arnd Bünker im Interview.

Seit 50 Jahren untersucht das SPI den sozialen, kulturellen und religiösen Wandel in der Gesellschaft. Was hat sich in diesem halben Jahrhundert verändert?

Der Auftrag zur gesellschaftlichen Beobachtung und Auseinandersetzung mit den Veränderungen, mit denen sich die Kirche auseinandersetzen muss, hat an Dringlichkeit gewonnen. Die Notwendigkeit seitens der Kirche, über ein sozialwissenschaftlich-empirisch gesättigtes Wissen zu ihrer Situation in unserer Gesellschaft zu verfügen, ist heute nochmal viel stärker, als das bei der Gründung des SPI der Fall war. Das liegt daran, dass die kirchliche Situation heute auf eine viel komplexere Art und Weise durch die gesellschaftliche Situation herausgefordert ist. Als das SPI in den 60er-Jahren anfing, hat man sich sehr stark an einer vermeintlich noch übersichtlichen Planbarkeit von Kirche orientiert. Mit den gesellschaftlichen Veränderungen, dem wachsenden Wohlstand und der Technisierung, haben sich aber auch die Köpfe und Herzen der Menschen verändert und damit auch die Einstellung der Menschen zur Kirche.

Wie zeigt sich diese Veränderung?

Die Gläubigen bestimmen heute selber, wie sie ihr Verhältnis zur Kirche definieren. Sie lassen sich keine Vorschriften mehr machen, wie sie in den 60er-Jahren noch weitgehend selbstverständlich waren. Die Kirche musste sich, aufgrund dieser Individualisierung, von einer einfachen Zukunftsplanung verabschieden. Es ging nicht mehr nur um eine quantitative Veränderung dessen, was schon bestand. Nach dem Motto, wir haben nun mehr Katholiken, also benötigen wir auch mehr Kirchen, mehr Personal und mehr Religionslehrpersonen. Die Veränderung auf der Ebene der religiös-spirituellen Mentalität verlangte von der Kirche auch eine inhaltliche Neupositionierung, bis hin zur Suche nach einem neuen kirchlichen Selbstverständnis.

Hat die Kirche denn inzwischen die Zeichen der Zeit erkannt?

Ja. Lange spürte das SPI einen starken Widerstand seitens der Kirche gegenüber diesem grundsätzlichen Richtungswechsel. Doch in den letzten Jahren ist das Gefühl, dass es weder mit nur kleinen Anpassungen an eine moderne Gesellschaft noch mit einer Haltung trotzigen Widerstands getan ist, mehr und mehr eingesickert in die Wahrnehmung der Kirchenverantwortlichen. Nichtsdestotrotz sind wir aber immer noch damit beschäftigt, für diese neue Situation auch Lösungen zu finden.

Wodurch wird die Lösungsfindung erschwert?

Durch die unterschiedlichen innerkirchlichen Meinungen darüber, worauf es in der Kirche ankommt und wofür sie steht. Ein ganz wichtiger Indikator für diese Verunsicherung ist das Problem, dass die katholische Kirche in der Schweiz Schwierigkeiten hat, Personal zu finden. Diese Meinungsvielfalt ist eine Herausforderung für die Planungs- und Orientierungsarbeit in der katholischen Kirche.

Das SPI führt die Kirchenstatistik der Schweiz. Was wird dort erfasst?

Bei der Kirchenstatistik stehen wir als SPI momentan vor dem Problem, dass wir vermehrt als Überbringer negativer Nachrichten wahrgenommen werden. Das, was wir statistisch erfassen, ist meistens das, was weniger wird. Es gibt aber mehr Katholiken denn je, was an der Migration liegt. Jedoch nehmen die Katholiken die kirchlichen Dienstleistungen nicht mehr so in Anspruch wie früher und bleiben in unserer statistischen Beobachtung dadurch unsichtbar. Unsere Statistik orientiert sich an Zählobjekten, die man vor langer Zeit definierte, weil sie damals als entscheidend für das Verständnis der Kirche interpretiert wurden. Als SPI sind wir nun herausgefordert, mit den Kirchenvertretern zusammen zu überlegen, was für uns heute, neben den bestehenden Faktoren, relevant ist. Daran wird sich zeigen, wo und wie unsere Kirche heute innovativ sein und die Botschaft vom Heil wirksam vermitteln kann.

Interview: Sarah Stutte (3.1.19)


Das SPI

Das Institut wurde 1968 vom Katholischen Kollegium in St. Gallen gegründet und nahm seine Arbeit 1969 auf. Es konzentriert sich auf drei Schwerpunkte: Forschung, Beratung und Planung. Die Erkenntnisse und Ergebnisse der Forschung im Bereich Religion, Religiosität und Spiritualität in Bezug auf den gesellschaftlichen Wandel, dienen als Grundlage für die Entwicklung von Konzepten und Perspektiven für die pastorale Planung und Praxis der katholischen Kirche in der Schweiz.

Sein 50-jähriges Bestehen feiert das SPI am 18. Januar in St. Gallen mit einer Tagung zum Thema «Planen in der Kirche. Räume öffnen – (keine) Wunder erwarten ». Diese gewährt Einblicke in verschiedene Ateliers, die sich mit aktuellen kirchlichen Planungs-Baustellen befassen. Der Anlass, der von Impulsvorträgen umrahmt ist und mit einem Festakt endet, ist ausgebucht. 


 

SPI-Leiter Arnd Bünker

Bild: ©Sylvia Stam/kath.ch

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